anders oder gar nichts bedeutet. Jn diesem Falle findet sich demnach Unwissenheit und Jrrthum bey dem vorgeblichen Zeichen beysammen. Man wird aus dieser Zergliederung der drey Fälle ohne Mühe den Schluß machen können, daß je dümmer und unwissender die Zeiten sind, desto mehr von Zeichen und Bedeutungen, und besonders von irrigen, gesprochen werde. Noch kaum vor hun- dert Jahren war Europa damit gleichsam noch ganz überschwemmet.
§. 648.
Dieses Phänomenon hat sehr natürliche Ursachen. Die Menschen sind überhaupt begierig, das Künf- tige zu wissen, und in Ermanglung einer genauen Theorie, die Wirkungen aus den Ursachen zu schlies- sen, setzet man blindhin einen Einfluß voraus, und begnüget sich, etwann aus einer einigen Erfahrung zu schließen, was auf eine vorgegangene Sache er- folget. Dieses muß sodann die Sache, so oft sie wieder kömmt, bedeuten. Nach dieser Regel ver- fuhr man bey jeder neuen Erscheinung, die sich am Himmel zeigete. Ein Comet mag etwann fürchter- lich ausgesehen haben, oder es mag sich kurz oder späth nach seiner Erscheinung Krieg eräugnet haben, so war dieses genug, um alle Cometen, als Un- glücksbothen anzusehen. Und in der theologischen Sprache schickte sie Gott zur Drohung und Warnung, so sehr auch die Schrift sagete, daß man sich vor den Zeichen des Himmels nicht fürchten solle.
§. 649.
Man kann nicht sagen, daß bey allem diesem nicht etwas richtiges seyn sollte. Eine Ursache hat
aller-
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Zeichen und Bedeutungen.
anders oder gar nichts bedeutet. Jn dieſem Falle findet ſich demnach Unwiſſenheit und Jrrthum bey dem vorgeblichen Zeichen beyſammen. Man wird aus dieſer Zergliederung der drey Faͤlle ohne Muͤhe den Schluß machen koͤnnen, daß je duͤmmer und unwiſſender die Zeiten ſind, deſto mehr von Zeichen und Bedeutungen, und beſonders von irrigen, geſprochen werde. Noch kaum vor hun- dert Jahren war Europa damit gleichſam noch ganz uͤberſchwemmet.
§. 648.
Dieſes Phaͤnomenon hat ſehr natuͤrliche Urſachen. Die Menſchen ſind uͤberhaupt begierig, das Kuͤnf- tige zu wiſſen, und in Ermanglung einer genauen Theorie, die Wirkungen aus den Urſachen zu ſchlieſ- ſen, ſetzet man blindhin einen Einfluß voraus, und begnuͤget ſich, etwann aus einer einigen Erfahrung zu ſchließen, was auf eine vorgegangene Sache er- folget. Dieſes muß ſodann die Sache, ſo oft ſie wieder koͤmmt, bedeuten. Nach dieſer Regel ver- fuhr man bey jeder neuen Erſcheinung, die ſich am Himmel zeigete. Ein Comet mag etwann fuͤrchter- lich ausgeſehen haben, oder es mag ſich kurz oder ſpaͤth nach ſeiner Erſcheinung Krieg eraͤugnet haben, ſo war dieſes genug, um alle Cometen, als Un- gluͤcksbothen anzuſehen. Und in der theologiſchen Sprache ſchickte ſie Gott zur Drohung und Warnung, ſo ſehr auch die Schrift ſagete, daß man ſich vor den Zeichen des Himmels nicht fuͤrchten ſolle.
§. 649.
Man kann nicht ſagen, daß bey allem dieſem nicht etwas richtiges ſeyn ſollte. Eine Urſache hat
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Zeichen und Bedeutungen.
anders oder gar nichts bedeutet. Jn dieſem Falle
findet ſich demnach Unwiſſenheit und Jrrthum bey
dem vorgeblichen Zeichen beyſammen. Man wird
aus dieſer Zergliederung der drey Faͤlle ohne Muͤhe
den Schluß machen koͤnnen, daß je duͤmmer und
unwiſſender die Zeiten ſind, deſto mehr von
Zeichen und Bedeutungen, und beſonders von
irrigen, geſprochen werde. Noch kaum vor hun-
dert Jahren war Europa damit gleichſam noch ganz
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§. 648.
Dieſes Phaͤnomenon hat ſehr natuͤrliche Urſachen.
Die Menſchen ſind uͤberhaupt begierig, das Kuͤnf-
tige zu wiſſen, und in Ermanglung einer genauen
Theorie, die Wirkungen aus den Urſachen zu ſchlieſ-
ſen, ſetzet man blindhin einen Einfluß voraus, und
begnuͤget ſich, etwann aus einer einigen Erfahrung
zu ſchließen, was auf eine vorgegangene Sache er-
folget. Dieſes muß ſodann die Sache, ſo oft ſie
wieder koͤmmt, bedeuten. Nach dieſer Regel ver-
fuhr man bey jeder neuen Erſcheinung, die ſich am
Himmel zeigete. Ein Comet mag etwann fuͤrchter-
lich ausgeſehen haben, oder es mag ſich kurz oder
ſpaͤth nach ſeiner Erſcheinung Krieg eraͤugnet haben,
ſo war dieſes genug, um alle Cometen, als Un-
gluͤcksbothen anzuſehen. Und in der theologiſchen
Sprache ſchickte ſie Gott zur Drohung und Warnung,
ſo ſehr auch die Schrift ſagete, daß man ſich vor den
Zeichen des Himmels nicht fuͤrchten ſolle.
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Man kann nicht ſagen, daß bey allem dieſem
nicht etwas richtiges ſeyn ſollte. Eine Urſache hat
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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 2. Riga, 1771, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic02_1771/285>, abgerufen am 21.11.2024.
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