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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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einer wissenschaftlichen Grundlehre.
Fälle giebt, wo die Sprachen des Scheines und des
Wahren zusammen treffen. Dieses habe ich in der
Phänomenologie umständlich ausgeführet. Daraus
aber folget noch nicht, daß die Körperwelt ein ganz
leerer Schein sey. Wenn es aber auch wäre so müß-
ten die von dem Scheine hergenommene Begriffe im-
mer zum Grunde geleget werden, bis man aus den-
selben so viel finden kann, daß sich das Reale und
Wahre dadurch bestimmen läßt. Diese Methode,
welche die Astronomen längst schon gebrauchet haben,
findet sich in der Phänomenologie gleichfalls ange-
zeigt. Man hat aber in der Grundlehre anders ver-
fahren. Denn indem man von der Realität, wegen
der Besorgniß des Scheines abstrahirte, und an-
statt von der Sache selbst hergenommene Axiomata zu
gebrauchen, sich nur an Principia hielt, die nicht den
Stoff, sondern nur die Form der Erkenntniß be-
traffen, so blieben höchstens nur Verhältnißbegriffe.
Da sich aber aus bloßen Verhältnissen keine Sache
bestimmen läßt, so war die Schwierigkeit immer
noch ganz da, wie man nach der in der Ontologie
angenommenen Ordnung zum Realen kommen kön-
ne? Man setze aber auch, daß wir unauflöslich an
den Schein gebunden wären, so müßte und könnte
die menschliche Grundlehre nur die ersten Grund-
gesetze des Scheines enthalten, und ihre Theorie zum
Gebrauche bequem machen.

§. 44.

Jch führe diese Betrachtungen hier an, um zu
zeigen, daß die Besorgniß des Scheines im gering-
sten nicht hindert, in der Grundlehre bey den einfa-
chen Begriffen den Anfang zu machen, so wie man
wegen der Wort- und Sacherklärungen dabey den

Anfang
C 4

einer wiſſenſchaftlichen Grundlehre.
Faͤlle giebt, wo die Sprachen des Scheines und des
Wahren zuſammen treffen. Dieſes habe ich in der
Phaͤnomenologie umſtaͤndlich ausgefuͤhret. Daraus
aber folget noch nicht, daß die Koͤrperwelt ein ganz
leerer Schein ſey. Wenn es aber auch waͤre ſo muͤß-
ten die von dem Scheine hergenommene Begriffe im-
mer zum Grunde geleget werden, bis man aus den-
ſelben ſo viel finden kann, daß ſich das Reale und
Wahre dadurch beſtimmen laͤßt. Dieſe Methode,
welche die Aſtronomen laͤngſt ſchon gebrauchet haben,
findet ſich in der Phaͤnomenologie gleichfalls ange-
zeigt. Man hat aber in der Grundlehre anders ver-
fahren. Denn indem man von der Realitaͤt, wegen
der Beſorgniß des Scheines abſtrahirte, und an-
ſtatt von der Sache ſelbſt hergenommene Axiomata zu
gebrauchen, ſich nur an Principia hielt, die nicht den
Stoff, ſondern nur die Form der Erkenntniß be-
traffen, ſo blieben hoͤchſtens nur Verhaͤltnißbegriffe.
Da ſich aber aus bloßen Verhaͤltniſſen keine Sache
beſtimmen laͤßt, ſo war die Schwierigkeit immer
noch ganz da, wie man nach der in der Ontologie
angenommenen Ordnung zum Realen kommen koͤn-
ne? Man ſetze aber auch, daß wir unaufloͤslich an
den Schein gebunden waͤren, ſo muͤßte und koͤnnte
die menſchliche Grundlehre nur die erſten Grund-
geſetze des Scheines enthalten, und ihre Theorie zum
Gebrauche bequem machen.

§. 44.

Jch fuͤhre dieſe Betrachtungen hier an, um zu
zeigen, daß die Beſorgniß des Scheines im gering-
ſten nicht hindert, in der Grundlehre bey den einfa-
chen Begriffen den Anfang zu machen, ſo wie man
wegen der Wort- und Sacherklaͤrungen dabey den

Anfang
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[39/0075] einer wiſſenſchaftlichen Grundlehre. Faͤlle giebt, wo die Sprachen des Scheines und des Wahren zuſammen treffen. Dieſes habe ich in der Phaͤnomenologie umſtaͤndlich ausgefuͤhret. Daraus aber folget noch nicht, daß die Koͤrperwelt ein ganz leerer Schein ſey. Wenn es aber auch waͤre ſo muͤß- ten die von dem Scheine hergenommene Begriffe im- mer zum Grunde geleget werden, bis man aus den- ſelben ſo viel finden kann, daß ſich das Reale und Wahre dadurch beſtimmen laͤßt. Dieſe Methode, welche die Aſtronomen laͤngſt ſchon gebrauchet haben, findet ſich in der Phaͤnomenologie gleichfalls ange- zeigt. Man hat aber in der Grundlehre anders ver- fahren. Denn indem man von der Realitaͤt, wegen der Beſorgniß des Scheines abſtrahirte, und an- ſtatt von der Sache ſelbſt hergenommene Axiomata zu gebrauchen, ſich nur an Principia hielt, die nicht den Stoff, ſondern nur die Form der Erkenntniß be- traffen, ſo blieben hoͤchſtens nur Verhaͤltnißbegriffe. Da ſich aber aus bloßen Verhaͤltniſſen keine Sache beſtimmen laͤßt, ſo war die Schwierigkeit immer noch ganz da, wie man nach der in der Ontologie angenommenen Ordnung zum Realen kommen koͤn- ne? Man ſetze aber auch, daß wir unaufloͤslich an den Schein gebunden waͤren, ſo muͤßte und koͤnnte die menſchliche Grundlehre nur die erſten Grund- geſetze des Scheines enthalten, und ihre Theorie zum Gebrauche bequem machen. §. 44. Jch fuͤhre dieſe Betrachtungen hier an, um zu zeigen, daß die Beſorgniß des Scheines im gering- ſten nicht hindert, in der Grundlehre bey den einfa- chen Begriffen den Anfang zu machen, ſo wie man wegen der Wort- und Sacherklaͤrungen dabey den Anfang C 4

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/75>, abgerufen am 03.12.2024.