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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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und Forderungen der Grundlehre.
§. 83.

Die Dauer und die Zeit, so fern sie ausgemessen
werden, geben uns die Chronometrie an (§. 63.).
Die Grundsätze sind folgende:

1°. Die Theile der Zeit sind außer einander, oder
die Zeit hat eine Dauer, oder die Theile der
Zeit sind nicht zugleich.
2°. Die Zeit hat keine bestimmte Einheit.
3°. Jede Zeit hat ihren bestimmten Anfang.
4°. Die Dauer und Zeit haben nur eine Dimension.

Die Postulata aber folgende:

1°. Jedes Moment läßt sich zum Anfange einer
Zeit setzen.
2°. Jede Dauer kann als eine Einheit genommen,
und vor und nachwärts, so weit man will,
verlängert oder vielfach genommen werden.
3°. Jede Zeit kann durch eine Linie vorgestellet,
und wie die Linie vor und nachwärts verlän-
gert werden, so weit man will.
§. 84.

Die Zeit ist nicht so in die Sinne fallend, wie der
Raum. Sie giebt uns daher auch weniger meta-
phorische und transcendente Ausdrücke und Begriffe.
Selbst das ideale Versetzen der Theile der Zeit, um
ihre Gleichheit zu bestimmen, fällt in das Ungewöhn-
liche, und wir würden allemal ehender nach dem drit-
ten Postulato eine Linie dafür gebrauchen. Da wir
ferner den Begriff der Zeit von der Succession un-
serer Gedanken haben, so machen wir die Zeit un-
vermerkt dieser Succession dergestalt anhängig, daß,
da wir nicht alles mit einem male denken können, der
Begriff der Zeit sich auch da einschleicht, wo er gar

nicht
Lamb. Archit. I. B. E
und Forderungen der Grundlehre.
§. 83.

Die Dauer und die Zeit, ſo fern ſie ausgemeſſen
werden, geben uns die Chronometrie an (§. 63.).
Die Grundſaͤtze ſind folgende:

1°. Die Theile der Zeit ſind außer einander, oder
die Zeit hat eine Dauer, oder die Theile der
Zeit ſind nicht zugleich.
2°. Die Zeit hat keine beſtimmte Einheit.
3°. Jede Zeit hat ihren beſtimmten Anfang.
4°. Die Dauer und Zeit haben nur eine Dimenſion.

Die Poſtulata aber folgende:

1°. Jedes Moment laͤßt ſich zum Anfange einer
Zeit ſetzen.
2°. Jede Dauer kann als eine Einheit genommen,
und vor und nachwaͤrts, ſo weit man will,
verlaͤngert oder vielfach genommen werden.
3°. Jede Zeit kann durch eine Linie vorgeſtellet,
und wie die Linie vor und nachwaͤrts verlaͤn-
gert werden, ſo weit man will.
§. 84.

Die Zeit iſt nicht ſo in die Sinne fallend, wie der
Raum. Sie giebt uns daher auch weniger meta-
phoriſche und tranſcendente Ausdruͤcke und Begriffe.
Selbſt das ideale Verſetzen der Theile der Zeit, um
ihre Gleichheit zu beſtimmen, faͤllt in das Ungewoͤhn-
liche, und wir wuͤrden allemal ehender nach dem drit-
ten Poſtulato eine Linie dafuͤr gebrauchen. Da wir
ferner den Begriff der Zeit von der Succeſſion un-
ſerer Gedanken haben, ſo machen wir die Zeit un-
vermerkt dieſer Succeſſion dergeſtalt anhaͤngig, daß,
da wir nicht alles mit einem male denken koͤnnen, der
Begriff der Zeit ſich auch da einſchleicht, wo er gar

nicht
Lamb. Archit. I. B. E
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[65/0101] und Forderungen der Grundlehre. §. 83. Die Dauer und die Zeit, ſo fern ſie ausgemeſſen werden, geben uns die Chronometrie an (§. 63.). Die Grundſaͤtze ſind folgende: 1°. Die Theile der Zeit ſind außer einander, oder die Zeit hat eine Dauer, oder die Theile der Zeit ſind nicht zugleich. 2°. Die Zeit hat keine beſtimmte Einheit. 3°. Jede Zeit hat ihren beſtimmten Anfang. 4°. Die Dauer und Zeit haben nur eine Dimenſion. Die Poſtulata aber folgende: 1°. Jedes Moment laͤßt ſich zum Anfange einer Zeit ſetzen. 2°. Jede Dauer kann als eine Einheit genommen, und vor und nachwaͤrts, ſo weit man will, verlaͤngert oder vielfach genommen werden. 3°. Jede Zeit kann durch eine Linie vorgeſtellet, und wie die Linie vor und nachwaͤrts verlaͤn- gert werden, ſo weit man will. §. 84. Die Zeit iſt nicht ſo in die Sinne fallend, wie der Raum. Sie giebt uns daher auch weniger meta- phoriſche und tranſcendente Ausdruͤcke und Begriffe. Selbſt das ideale Verſetzen der Theile der Zeit, um ihre Gleichheit zu beſtimmen, faͤllt in das Ungewoͤhn- liche, und wir wuͤrden allemal ehender nach dem drit- ten Poſtulato eine Linie dafuͤr gebrauchen. Da wir ferner den Begriff der Zeit von der Succeſſion un- ſerer Gedanken haben, ſo machen wir die Zeit un- vermerkt dieſer Succeſſion dergeſtalt anhaͤngig, daß, da wir nicht alles mit einem male denken koͤnnen, der Begriff der Zeit ſich auch da einſchleicht, wo er gar nicht Lamb. Archit. I. B. E

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/101>, abgerufen am 21.11.2024.