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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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Vorrede.
Die Arbeit war nicht leicht, und fast jeder Be-
griff forderte eine besondere Methode. Bald
mußte ich ihn aus sehr vielen Beyspielen, be-
sondern Fällen
und Redensarten herauszie-
hen. Bald gehörete er mit mehrern andern Be-
griffen in eine Classe oder in ein besonderes Sy-
stem,
und da mußte das, was in der Classe oder
in dem Systeme das Einfachste, das Erste,
das von dem übrigen Unabhängigste war, her-
vorgesuchet und dann auf die Probe gesetzt wer-
den. Bald mußte die Etymologie zu Rathe
gezogen werden, um mit der ächten Ableitung
und Bedeutung des Wortes die Herkunft und
erste Entstehensart des Begriffes zu finden,
und zu sehen, wiefern man in den Sprachen da-
bey geblieben oder davon abgewichen. Bald
mußte ich aus der abstracten Jntellectualwelt in
die Körperwelt zurücke kehren, und das Bild
genauer besehen, dessen Namen zur Bezeichnung
eines abstracten Begriffes gebraucht worden.
Und so oft es dabey stufenweise gieng, so muß-
ten auch die verschiedenen Stufen, durch welche
das Wort immer mehr metaphorisch gewor-
den, aufgesuchet werden. Zuweilen mußte ich
bey der Absicht anfangen, wohin endlich die
Theorie des Begriffes dienen solle, um genauer
zu sehen, ob die Absicht etwas reelles hat, und
wiefern sie den Umfang des Begriffes bestimmt.
Nun kam es immer auf vorläufige Versuche
an, um endlich zu finden, welche von diesen Me-

thoden

Vorrede.
Die Arbeit war nicht leicht, und faſt jeder Be-
griff forderte eine beſondere Methode. Bald
mußte ich ihn aus ſehr vielen Beyſpielen, be-
ſondern Faͤllen
und Redensarten herauszie-
hen. Bald gehoͤrete er mit mehrern andern Be-
griffen in eine Claſſe oder in ein beſonderes Sy-
ſtem,
und da mußte das, was in der Claſſe oder
in dem Syſteme das Einfachſte, das Erſte,
das von dem uͤbrigen Unabhaͤngigſte war, her-
vorgeſuchet und dann auf die Probe geſetzt wer-
den. Bald mußte die Etymologie zu Rathe
gezogen werden, um mit der aͤchten Ableitung
und Bedeutung des Wortes die Herkunft und
erſte Entſtehensart des Begriffes zu finden,
und zu ſehen, wiefern man in den Sprachen da-
bey geblieben oder davon abgewichen. Bald
mußte ich aus der abſtracten Jntellectualwelt in
die Koͤrperwelt zuruͤcke kehren, und das Bild
genauer beſehen, deſſen Namen zur Bezeichnung
eines abſtracten Begriffes gebraucht worden.
Und ſo oft es dabey ſtufenweiſe gieng, ſo muß-
ten auch die verſchiedenen Stufen, durch welche
das Wort immer mehr metaphoriſch gewor-
den, aufgeſuchet werden. Zuweilen mußte ich
bey der Abſicht anfangen, wohin endlich die
Theorie des Begriffes dienen ſolle, um genauer
zu ſehen, ob die Abſicht etwas reelles hat, und
wiefern ſie den Umfang des Begriffes beſtimmt.
Nun kam es immer auf vorlaͤufige Verſuche
an, um endlich zu finden, welche von dieſen Me-

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[VI/0010] Vorrede. Die Arbeit war nicht leicht, und faſt jeder Be- griff forderte eine beſondere Methode. Bald mußte ich ihn aus ſehr vielen Beyſpielen, be- ſondern Faͤllen und Redensarten herauszie- hen. Bald gehoͤrete er mit mehrern andern Be- griffen in eine Claſſe oder in ein beſonderes Sy- ſtem, und da mußte das, was in der Claſſe oder in dem Syſteme das Einfachſte, das Erſte, das von dem uͤbrigen Unabhaͤngigſte war, her- vorgeſuchet und dann auf die Probe geſetzt wer- den. Bald mußte die Etymologie zu Rathe gezogen werden, um mit der aͤchten Ableitung und Bedeutung des Wortes die Herkunft und erſte Entſtehensart des Begriffes zu finden, und zu ſehen, wiefern man in den Sprachen da- bey geblieben oder davon abgewichen. Bald mußte ich aus der abſtracten Jntellectualwelt in die Koͤrperwelt zuruͤcke kehren, und das Bild genauer beſehen, deſſen Namen zur Bezeichnung eines abſtracten Begriffes gebraucht worden. Und ſo oft es dabey ſtufenweiſe gieng, ſo muß- ten auch die verſchiedenen Stufen, durch welche das Wort immer mehr metaphoriſch gewor- den, aufgeſuchet werden. Zuweilen mußte ich bey der Abſicht anfangen, wohin endlich die Theorie des Begriffes dienen ſolle, um genauer zu ſehen, ob die Abſicht etwas reelles hat, und wiefern ſie den Umfang des Begriffes beſtimmt. Nun kam es immer auf vorlaͤufige Verſuche an, um endlich zu finden, welche von dieſen Me- thoden

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/10>, abgerufen am 03.05.2024.