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Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

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trafen, so ist dagegen meine oben aufgestellte Behauptung
nur in Beziehung auf dieses Gedicht gemeint, und soll in
dem Folgenden auch einzig und allein durch dieses durch-
geführt werden.

2.

Dabei mag nun die Frage fürs erste ausgesetzt blei-
ben, deren Beantwortung großentheils selbst erst von dem
Erfolg unserer Forschungen abhangen wird, ob das Ge-
dicht in seiner jetzigen oder einer ihr sehr ähnlichen frühe-
ren Gestalt ein künstliches sei, oder ein Volkslied, 2) und
im letzteren Falle vielmehr aus Volksliedern zusammenge-
fügt. Bei den Homerischen Gesängen ist diese Frage eben-
falls zur Sprache gekommen und ein bedeutender Theil des
Beweises eben darauf gebaut worden. Aber bei diesen
war ausgemacht, daß sie von Sängern und Rhapsoden
gesungen worden: dagegen, wie gewiß es sein mag, daß ein
Theil der Lieder, die unserem Deutschen Sagenkreise ange-
hören, bis ins siebzehnte Jahrhundert hinein im Munde
des Volkes lebte, so ist doch gerade von unserem Liede
noch durch kein bestimmtes Zeugniß bewiesen, daß es je-
mahls unter das Volk gekommen, und am wenigsten, daß
es in seiner gegenwärtigen Gestalt je nicht bloß gelesen,
sondern gesungen sei. 3).

Auch scheint in der That auf den ersten Blick in der
ganzen Gestalt und Darstellung des Gedichts gar sehr Vie-
les der Behauptung, daß es aus mehreren Liedern zusam-
mengefügt sei, zu widersprechen; sehr Vieles deutet, so
lange man sich nicht verbunden hält, einen späteren Über-
arbeiter und Ordner anzunehmen, auf einen einzigen Ver-
fasser des ganzen Werkes, der sich mit demselben überall

trafen, ſo iſt dagegen meine oben aufgeſtellte Behauptung
nur in Beziehung auf dieſes Gedicht gemeint, und ſoll in
dem Folgenden auch einzig und allein durch dieſes durch-
geführt werden.

2.

Dabei mag nun die Frage fürs erſte ausgeſetzt blei-
ben, deren Beantwortung großentheils ſelbſt erſt von dem
Erfolg unſerer Forſchungen abhangen wird, ob das Ge-
dicht in ſeiner jetzigen oder einer ihr ſehr ähnlichen frühe-
ren Geſtalt ein künſtliches ſei, oder ein Volkslied, 2) und
im letzteren Falle vielmehr aus Volksliedern zuſammenge-
fügt. Bei den Homeriſchen Geſängen iſt dieſe Frage eben-
falls zur Sprache gekommen und ein bedeutender Theil des
Beweiſes eben darauf gebaut worden. Aber bei dieſen
war ausgemacht, daß ſie von Sängern und Rhapſoden
geſungen worden: dagegen, wie gewiß es ſein mag, daß ein
Theil der Lieder, die unſerem Deutſchen Sagenkreiſe ange-
hören, bis ins ſiebzehnte Jahrhundert hinein im Munde
des Volkes lebte, ſo iſt doch gerade von unſerem Liede
noch durch kein beſtimmtes Zeugniß bewieſen, daß es je-
mahls unter das Volk gekommen, und am wenigſten, daß
es in ſeiner gegenwärtigen Geſtalt je nicht bloß geleſen,
ſondern geſungen ſei. 3).

Auch ſcheint in der That auf den erſten Blick in der
ganzen Geſtalt und Darſtellung des Gedichts gar ſehr Vie-
les der Behauptung, daß es aus mehreren Liedern zuſam-
mengefügt ſei, zu widerſprechen; ſehr Vieles deutet, ſo
lange man ſich nicht verbunden hält, einen ſpäteren Über-
arbeiter und Ordner anzunehmen, auf einen einzigen Ver-
faſſer des ganzen Werkes, der ſich mit demſelben überall

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[5/0013] trafen, ſo iſt dagegen meine oben aufgeſtellte Behauptung nur in Beziehung auf dieſes Gedicht gemeint, und ſoll in dem Folgenden auch einzig und allein durch dieſes durch- geführt werden. 2. Dabei mag nun die Frage fürs erſte ausgeſetzt blei- ben, deren Beantwortung großentheils ſelbſt erſt von dem Erfolg unſerer Forſchungen abhangen wird, ob das Ge- dicht in ſeiner jetzigen oder einer ihr ſehr ähnlichen frühe- ren Geſtalt ein künſtliches ſei, oder ein Volkslied, ²⁾ und im letzteren Falle vielmehr aus Volksliedern zuſammenge- fügt. Bei den Homeriſchen Geſängen iſt dieſe Frage eben- falls zur Sprache gekommen und ein bedeutender Theil des Beweiſes eben darauf gebaut worden. Aber bei dieſen war ausgemacht, daß ſie von Sängern und Rhapſoden geſungen worden: dagegen, wie gewiß es ſein mag, daß ein Theil der Lieder, die unſerem Deutſchen Sagenkreiſe ange- hören, bis ins ſiebzehnte Jahrhundert hinein im Munde des Volkes lebte, ſo iſt doch gerade von unſerem Liede noch durch kein beſtimmtes Zeugniß bewieſen, daß es je- mahls unter das Volk gekommen, und am wenigſten, daß es in ſeiner gegenwärtigen Geſtalt je nicht bloß geleſen, ſondern geſungen ſei. ³⁾ . Auch ſcheint in der That auf den erſten Blick in der ganzen Geſtalt und Darſtellung des Gedichts gar ſehr Vie- les der Behauptung, daß es aus mehreren Liedern zuſam- mengefügt ſei, zu widerſprechen; ſehr Vieles deutet, ſo lange man ſich nicht verbunden hält, einen ſpäteren Über- arbeiter und Ordner anzunehmen, auf einen einzigen Ver- faſſer des ganzen Werkes, der ſich mit demſelben überall

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Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/13>, abgerufen am 24.11.2024.