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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 100. Die Verpflichtung zur Rechtshülfe.
suchten Gerichts verboten ist 1). Geht das Ersuchen von einem
Gericht aus, welches dem ersuchten Gericht im Instanzenzuge vor-
gesetzt ist, so ist eine Ablehnung des Ersuchens unbedingt un-
statthaft, und zwar auch dann, wenn das höhere Gericht einem
andern Staate angehört 2). Entsteht über die Zulässigkeit des
Ersuchens ein Streit, so entscheidet auf Antrag der Betheiligten
oder des ersuchenden Gerichts das Oberlandesgericht, zu dessen
Bezirk das ersuchte Gericht gehört. Die Entscheidung desselben ist
nur dann anfechtbar, wenn sie die Rechtshülfe für unzulässig er-
klärt und das ersuchende und das ersuchte Gericht den Bezirken
verschiedener Oberlandesgerichte angehören; über die Beschwerde
entscheidet das Reichsgericht 3).

Betrifft das Ersuchen die Ablieferung eines Verurtheilten
oder die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, ist dasselbe also nach
§. 164 an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgerichte zu
richten, so geht die Beschwerde gegen den Staatsanwalt, der das
Ersuchen ablehnt, nicht an ein Gericht, da die Staatsanwalt-
schaft in ihren Amtsverrichtungen von den Gerichten unabhängig
ist, sondern an den Staatsanwalt des Oberlandesgerichts und
die weitere Beschwerde an die Landesjustizverwaltung (Ministe-
rium) 4).

4. Aus dem Grundsatz, daß die Strafurtheile eines Deutschen
Gerichts im ganzen Reichsgebiet vollstreckbar sind, folgt noch nicht,
daß ein Deutscher Staat verpflichtet ist, die Lasten auf sich zu
nehmen, welche mit der Vollstreckung der von den Gerichten an-
derer Staaten verhängten Freiheitsstrafen verbunden sind; es kann
vielmehr streng genommen nur verlangt werden, daß der Verur-

1) ebendas. §. 159. Der letztere Fall kann -- wie die Motive S. 191
(Hahn S. 169) hervorheben -- bei der Verschiedenheit des materiellen Rechts
und bei der Möglichkeit, daß vor die ordentlichen Gerichte bürgerliche Rechts-
streitigkeiten und Strafsachen gewiesen werden, für welche die Prozeßordnungen
nicht maßgebend sind, auch gegenwärtig noch praktisch werden. Daß auch ab-
gesehen hiervon Fälle dieser Art vorkommen können, zeigen die treffenden
Erörterungen von Herzog in Busch's Zeitschrift f. Deutsch. Civilproz. II.
S. 362 ff.
2) Vgl. die oben S. 45 ff. angeführten Gerichtskonventionen.
3) Gerichtsverf.Ges. §. 160. Ueber die prozessualische Behandlung der Be-
schwerde, die hier nicht interessirt, vgl. Motive S. 192 ff. (Hahn S. 170.)
4) Motive S. 195 a. E. (Hahn S. 172.)

§. 100. Die Verpflichtung zur Rechtshülfe.
ſuchten Gerichts verboten iſt 1). Geht das Erſuchen von einem
Gericht aus, welches dem erſuchten Gericht im Inſtanzenzuge vor-
geſetzt iſt, ſo iſt eine Ablehnung des Erſuchens unbedingt un-
ſtatthaft, und zwar auch dann, wenn das höhere Gericht einem
andern Staate angehört 2). Entſteht über die Zuläſſigkeit des
Erſuchens ein Streit, ſo entſcheidet auf Antrag der Betheiligten
oder des erſuchenden Gerichts das Oberlandesgericht, zu deſſen
Bezirk das erſuchte Gericht gehört. Die Entſcheidung deſſelben iſt
nur dann anfechtbar, wenn ſie die Rechtshülfe für unzuläſſig er-
klärt und das erſuchende und das erſuchte Gericht den Bezirken
verſchiedener Oberlandesgerichte angehören; über die Beſchwerde
entſcheidet das Reichsgericht 3).

Betrifft das Erſuchen die Ablieferung eines Verurtheilten
oder die Vollſtreckung einer Freiheitsſtrafe, iſt daſſelbe alſo nach
§. 164 an die Staatsanwaltſchaft bei dem Landgerichte zu
richten, ſo geht die Beſchwerde gegen den Staatsanwalt, der das
Erſuchen ablehnt, nicht an ein Gericht, da die Staatsanwalt-
ſchaft in ihren Amtsverrichtungen von den Gerichten unabhängig
iſt, ſondern an den Staatsanwalt des Oberlandesgerichts und
die weitere Beſchwerde an die Landesjuſtizverwaltung (Miniſte-
rium) 4).

4. Aus dem Grundſatz, daß die Strafurtheile eines Deutſchen
Gerichts im ganzen Reichsgebiet vollſtreckbar ſind, folgt noch nicht,
daß ein Deutſcher Staat verpflichtet iſt, die Laſten auf ſich zu
nehmen, welche mit der Vollſtreckung der von den Gerichten an-
derer Staaten verhängten Freiheitsſtrafen verbunden ſind; es kann
vielmehr ſtreng genommen nur verlangt werden, daß der Verur-

1) ebendaſ. §. 159. Der letztere Fall kann — wie die Motive S. 191
(Hahn S. 169) hervorheben — bei der Verſchiedenheit des materiellen Rechts
und bei der Möglichkeit, daß vor die ordentlichen Gerichte bürgerliche Rechts-
ſtreitigkeiten und Strafſachen gewieſen werden, für welche die Prozeßordnungen
nicht maßgebend ſind, auch gegenwärtig noch praktiſch werden. Daß auch ab-
geſehen hiervon Fälle dieſer Art vorkommen können, zeigen die treffenden
Erörterungen von Herzog in Buſch’s Zeitſchrift f. Deutſch. Civilproz. II.
S. 362 ff.
2) Vgl. die oben S. 45 ff. angeführten Gerichtskonventionen.
3) Gerichtsverf.Geſ. §. 160. Ueber die prozeſſualiſche Behandlung der Be-
ſchwerde, die hier nicht intereſſirt, vgl. Motive S. 192 ff. (Hahn S. 170.)
4) Motive S. 195 a. E. (Hahn S. 172.)
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[70/0080] §. 100. Die Verpflichtung zur Rechtshülfe. ſuchten Gerichts verboten iſt 1). Geht das Erſuchen von einem Gericht aus, welches dem erſuchten Gericht im Inſtanzenzuge vor- geſetzt iſt, ſo iſt eine Ablehnung des Erſuchens unbedingt un- ſtatthaft, und zwar auch dann, wenn das höhere Gericht einem andern Staate angehört 2). Entſteht über die Zuläſſigkeit des Erſuchens ein Streit, ſo entſcheidet auf Antrag der Betheiligten oder des erſuchenden Gerichts das Oberlandesgericht, zu deſſen Bezirk das erſuchte Gericht gehört. Die Entſcheidung deſſelben iſt nur dann anfechtbar, wenn ſie die Rechtshülfe für unzuläſſig er- klärt und das erſuchende und das erſuchte Gericht den Bezirken verſchiedener Oberlandesgerichte angehören; über die Beſchwerde entſcheidet das Reichsgericht 3). Betrifft das Erſuchen die Ablieferung eines Verurtheilten oder die Vollſtreckung einer Freiheitsſtrafe, iſt daſſelbe alſo nach §. 164 an die Staatsanwaltſchaft bei dem Landgerichte zu richten, ſo geht die Beſchwerde gegen den Staatsanwalt, der das Erſuchen ablehnt, nicht an ein Gericht, da die Staatsanwalt- ſchaft in ihren Amtsverrichtungen von den Gerichten unabhängig iſt, ſondern an den Staatsanwalt des Oberlandesgerichts und die weitere Beſchwerde an die Landesjuſtizverwaltung (Miniſte- rium) 4). 4. Aus dem Grundſatz, daß die Strafurtheile eines Deutſchen Gerichts im ganzen Reichsgebiet vollſtreckbar ſind, folgt noch nicht, daß ein Deutſcher Staat verpflichtet iſt, die Laſten auf ſich zu nehmen, welche mit der Vollſtreckung der von den Gerichten an- derer Staaten verhängten Freiheitsſtrafen verbunden ſind; es kann vielmehr ſtreng genommen nur verlangt werden, daß der Verur- 1) ebendaſ. §. 159. Der letztere Fall kann — wie die Motive S. 191 (Hahn S. 169) hervorheben — bei der Verſchiedenheit des materiellen Rechts und bei der Möglichkeit, daß vor die ordentlichen Gerichte bürgerliche Rechts- ſtreitigkeiten und Strafſachen gewieſen werden, für welche die Prozeßordnungen nicht maßgebend ſind, auch gegenwärtig noch praktiſch werden. Daß auch ab- geſehen hiervon Fälle dieſer Art vorkommen können, zeigen die treffenden Erörterungen von Herzog in Buſch’s Zeitſchrift f. Deutſch. Civilproz. II. S. 362 ff. 2) Vgl. die oben S. 45 ff. angeführten Gerichtskonventionen. 3) Gerichtsverf.Geſ. §. 160. Ueber die prozeſſualiſche Behandlung der Be- ſchwerde, die hier nicht intereſſirt, vgl. Motive S. 192 ff. (Hahn S. 170.) 4) Motive S. 195 a. E. (Hahn S. 172.)

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/80>, abgerufen am 22.11.2024.