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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 126. Die Rechnungskontrole und Entlastung der Verwaltung.
finanzwirthschaft entspräche. Der Art. 72 der R.V. verpflichtet
demgemäß den Reichskanzler, "über die Verwendung aller Ein-
nahmen des Reichs dem Bundesrathe und dem Reichstage zur
Entlastung jährlich Rechnung zu legen" 1).

Der Reichstag ist nicht in der Lage, die ihm vorgelegte Rech-
nung über den Reichshaushalt selbstständig einer in die Einzelheiten
gehenden Revision zu unterziehen; es wäre dies eine Wiederholung
der vom Rechnungshofe bereits vorgenommenen Arbeit und würde
die Errichtung eines zweiten, parlamentarischen Rechnungshofes
erforderlich machen. Vielmehr sollen die vom Rechnungshofe ge-
leisteten Revisionsarbeiten und die in Folge derselben von ihm
erhobenen Bemerkungen dem Reichstage nutzbar gemacht werden
und seiner Beschlußfassung über Ertheilung oder Versagung der
Entlastung zur Grundlage dienen. Demgemäß sind nebst der all-
gemeinen Rechnung über den Jahreshaushalt des Reiches die Be-
merkungen des Rechnungshofes, welche derselbe unter selbstständiger,
unbedingter Verantwortlichkeit aufzustellen hat, dem Reichstage mit
vorzulegen. Diese Bemerkungen haben sich auf alle drei Richtungen
zu erstrecken, in denen dem Rechnungshofe die Kontrole obliegt:
auf die kalkulatorische Uebereinstimmung der allgemeinen Rechnung
mit den vom Rechnungshofe revidirten Kassenrechnungen; auf die
etwaigen Abweichungen der Verwaltungsbehörden in Finanzsachen
von gesetzlichen Vorschriften 2), und auf die Abweichungen der that-
sächlich erfolgten Einnahmen und Ausgaben von den Ansätzen und
Bewilligungen des Budgets, insbesondere zu welchen Etatsüber-
schreitungen 3) und außeretatsmäßigen Ausgaben die Genehmigung
des Reichstages noch nicht beigebracht ist 4). Der Rechnungshof
hat diesen Bemerkungen eine Denkschrift beizufügen, welche die
hauptsächlichsten Ergebnisse der von ihm vorgenommenen Prüfung
übersichtlich zusammenfaßt.

Bundesrath und Reichstag ertheilen die Decharge jeder be-

1) Eine Ergänzung dieser Rechnungslegung bilden die Bd. I. S. 516 fg.
erörterten Berichte finanziellen Inhalts.
2) "von den Bestimmungen der auf die Einnahmen und Ausgaben oder
auf die Erwerbung, Benutzung oder Veräußerung von Reichseigenthum bezüg-
lichen Gesetze".
3) Siehe oben S. 357 über den Begriff der Etatsüberschreitungen.
4) Preuß. Ges. §. 18.

§. 126. Die Rechnungskontrole und Entlaſtung der Verwaltung.
finanzwirthſchaft entſpräche. Der Art. 72 der R.V. verpflichtet
demgemäß den Reichskanzler, „über die Verwendung aller Ein-
nahmen des Reichs dem Bundesrathe und dem Reichstage zur
Entlaſtung jährlich Rechnung zu legen“ 1).

Der Reichstag iſt nicht in der Lage, die ihm vorgelegte Rech-
nung über den Reichshaushalt ſelbſtſtändig einer in die Einzelheiten
gehenden Reviſion zu unterziehen; es wäre dies eine Wiederholung
der vom Rechnungshofe bereits vorgenommenen Arbeit und würde
die Errichtung eines zweiten, parlamentariſchen Rechnungshofes
erforderlich machen. Vielmehr ſollen die vom Rechnungshofe ge-
leiſteten Reviſionsarbeiten und die in Folge derſelben von ihm
erhobenen Bemerkungen dem Reichstage nutzbar gemacht werden
und ſeiner Beſchlußfaſſung über Ertheilung oder Verſagung der
Entlaſtung zur Grundlage dienen. Demgemäß ſind nebſt der all-
gemeinen Rechnung über den Jahreshaushalt des Reiches die Be-
merkungen des Rechnungshofes, welche derſelbe unter ſelbſtſtändiger,
unbedingter Verantwortlichkeit aufzuſtellen hat, dem Reichstage mit
vorzulegen. Dieſe Bemerkungen haben ſich auf alle drei Richtungen
zu erſtrecken, in denen dem Rechnungshofe die Kontrole obliegt:
auf die kalkulatoriſche Uebereinſtimmung der allgemeinen Rechnung
mit den vom Rechnungshofe revidirten Kaſſenrechnungen; auf die
etwaigen Abweichungen der Verwaltungsbehörden in Finanzſachen
von geſetzlichen Vorſchriften 2), und auf die Abweichungen der that-
ſächlich erfolgten Einnahmen und Ausgaben von den Anſätzen und
Bewilligungen des Budgets, insbeſondere zu welchen Etatsüber-
ſchreitungen 3) und außeretatsmäßigen Ausgaben die Genehmigung
des Reichstages noch nicht beigebracht iſt 4). Der Rechnungshof
hat dieſen Bemerkungen eine Denkſchrift beizufügen, welche die
hauptſächlichſten Ergebniſſe der von ihm vorgenommenen Prüfung
überſichtlich zuſammenfaßt.

Bundesrath und Reichstag ertheilen die Decharge jeder be-

1) Eine Ergänzung dieſer Rechnungslegung bilden die Bd. I. S. 516 fg.
erörterten Berichte finanziellen Inhalts.
2) „von den Beſtimmungen der auf die Einnahmen und Ausgaben oder
auf die Erwerbung, Benutzung oder Veräußerung von Reichseigenthum bezüg-
lichen Geſetze“.
3) Siehe oben S. 357 über den Begriff der Etatsüberſchreitungen.
4) Preuß. Geſ. §. 18.
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[390/0400] §. 126. Die Rechnungskontrole und Entlaſtung der Verwaltung. finanzwirthſchaft entſpräche. Der Art. 72 der R.V. verpflichtet demgemäß den Reichskanzler, „über die Verwendung aller Ein- nahmen des Reichs dem Bundesrathe und dem Reichstage zur Entlaſtung jährlich Rechnung zu legen“ 1). Der Reichstag iſt nicht in der Lage, die ihm vorgelegte Rech- nung über den Reichshaushalt ſelbſtſtändig einer in die Einzelheiten gehenden Reviſion zu unterziehen; es wäre dies eine Wiederholung der vom Rechnungshofe bereits vorgenommenen Arbeit und würde die Errichtung eines zweiten, parlamentariſchen Rechnungshofes erforderlich machen. Vielmehr ſollen die vom Rechnungshofe ge- leiſteten Reviſionsarbeiten und die in Folge derſelben von ihm erhobenen Bemerkungen dem Reichstage nutzbar gemacht werden und ſeiner Beſchlußfaſſung über Ertheilung oder Verſagung der Entlaſtung zur Grundlage dienen. Demgemäß ſind nebſt der all- gemeinen Rechnung über den Jahreshaushalt des Reiches die Be- merkungen des Rechnungshofes, welche derſelbe unter ſelbſtſtändiger, unbedingter Verantwortlichkeit aufzuſtellen hat, dem Reichstage mit vorzulegen. Dieſe Bemerkungen haben ſich auf alle drei Richtungen zu erſtrecken, in denen dem Rechnungshofe die Kontrole obliegt: auf die kalkulatoriſche Uebereinſtimmung der allgemeinen Rechnung mit den vom Rechnungshofe revidirten Kaſſenrechnungen; auf die etwaigen Abweichungen der Verwaltungsbehörden in Finanzſachen von geſetzlichen Vorſchriften 2), und auf die Abweichungen der that- ſächlich erfolgten Einnahmen und Ausgaben von den Anſätzen und Bewilligungen des Budgets, insbeſondere zu welchen Etatsüber- ſchreitungen 3) und außeretatsmäßigen Ausgaben die Genehmigung des Reichstages noch nicht beigebracht iſt 4). Der Rechnungshof hat dieſen Bemerkungen eine Denkſchrift beizufügen, welche die hauptſächlichſten Ergebniſſe der von ihm vorgenommenen Prüfung überſichtlich zuſammenfaßt. Bundesrath und Reichstag ertheilen die Decharge jeder be- 1) Eine Ergänzung dieſer Rechnungslegung bilden die Bd. I. S. 516 fg. erörterten Berichte finanziellen Inhalts. 2) „von den Beſtimmungen der auf die Einnahmen und Ausgaben oder auf die Erwerbung, Benutzung oder Veräußerung von Reichseigenthum bezüg- lichen Geſetze“. 3) Siehe oben S. 357 über den Begriff der Etatsüberſchreitungen. 4) Preuß. Geſ. §. 18.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/400>, abgerufen am 22.11.2024.