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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 123. Bedeutung und Feststellung des Haushalts-Etats-Gesetzes.
Etats dem Reiche zu und zwar werden für die drei Staaten mit
eigener Militärverwaltung (Preußen, Sachsen, Württemberg) die
Ausgaben bei den einzelnen Titeln in Parallel-Colonnen aufgeführt.

4. Die Matrikularbeiträge werden mit dem anschlagsmäßigen
Netto-Betrage, den jeder einzelne Staat zu zahlen hat, im Budget
aufgeführt, so daß die verwickelte Rechnung, durch welche die von
jedem Staate zu zahlende Summe ermittelt werden muß, im Etats-
gesetz selbst nicht bemerkbar wird.

5. Eine besondere Beilage zum Reichshaushalts-Etat bildet
der Besoldungs- und Pensions-Etat des Reichsbank-Direktoriums.
Derselbe wird zwar im Wege der Reichsgesetzgebung festgestellt,
die Ausgaben erfolgen aber aus den Mitteln der Reichsbank 1).

IV. Die Reichsverf. Art. 71 stellt zwar ganz allgemein die
Regel auf, daß die gemeinschaftlichen Ausgaben alljährlich bewil-
ligt
werden, aber sie normirt die wichtige Frage nicht, inwieweit
die Bewilligung von Ausgaben res merae voluntatis und wieweit
sie staatsrechtliche Pflicht des Reichstages sei, oder mit
andern Worten, welche Ausgaben die Reichsregierung nur leisten
dürfe, wenn Bundesrath und Reichstag sie übereinstimmend geneh-
migt haben und welche Ausgaben staatsrechtlich nicht verweigert
werden dürfen. Hält man den obersten Grundsatz des constitutio-
nellen Staatsrechts fest, daß das bestehende Recht und die rechtlich
begründeten Institutionen des Staats nur unter Uebereinstimmung
von Souverain und Volksvertretung, nicht einseitig von einem dieser
beiden Organe verändert werden dürfen, so ergibt sich als unab-
weisliche Consequenz, daß der Reichstag nicht einseitig die bestehen-
den Gesetze durch Verweigerung der zu ihrer Ausführung noth-
wendigen Mittel suspendiren oder aufheben kann, daß es nicht
alljährlich in sein Belieben gestellt sein kann, die Fortgeltung der
Reichsgesetze und die Fortdauer der Reichsinstitute zu genehmigen
oder zu unterdrücken 2). Es folgt demgemäß aus diesem Princip

1) Bankges. v. 14. März 1875 §. 28 (R.G.Bl. S. 185) Vgl. Bd. II.
S. 385.
2) Ueber diesen Grundsatz sind fast alle Deutschen Staatsrechtsschriftsteller
einverstanden. Vgl. Zöpfl, Staatsr. Bd. II. §. 399. Zachariä, Staatsr. II.
§. 222 (S. 515) und in den Gött. Gel. Anz. 1871 S. 362 ff. v. Gerber,
Grundzüge §§. 50. 51 und im Literar. Centralbl. 1871 Sp. 61 fg. v. Mohl,
Württemb. Staatsr. I. §. 109 S. 624. Mein Budgetrecht S. 11--14.

§. 123. Bedeutung und Feſtſtellung des Haushalts-Etats-Geſetzes.
Etats dem Reiche zu und zwar werden für die drei Staaten mit
eigener Militärverwaltung (Preußen, Sachſen, Württemberg) die
Ausgaben bei den einzelnen Titeln in Parallel-Colonnen aufgeführt.

4. Die Matrikularbeiträge werden mit dem anſchlagsmäßigen
Netto-Betrage, den jeder einzelne Staat zu zahlen hat, im Budget
aufgeführt, ſo daß die verwickelte Rechnung, durch welche die von
jedem Staate zu zahlende Summe ermittelt werden muß, im Etats-
geſetz ſelbſt nicht bemerkbar wird.

5. Eine beſondere Beilage zum Reichshaushalts-Etat bildet
der Beſoldungs- und Penſions-Etat des Reichsbank-Direktoriums.
Derſelbe wird zwar im Wege der Reichsgeſetzgebung feſtgeſtellt,
die Ausgaben erfolgen aber aus den Mitteln der Reichsbank 1).

IV. Die Reichsverf. Art. 71 ſtellt zwar ganz allgemein die
Regel auf, daß die gemeinſchaftlichen Ausgaben alljährlich bewil-
ligt
werden, aber ſie normirt die wichtige Frage nicht, inwieweit
die Bewilligung von Ausgaben res merae voluntatis und wieweit
ſie ſtaatsrechtliche Pflicht des Reichstages ſei, oder mit
andern Worten, welche Ausgaben die Reichsregierung nur leiſten
dürfe, wenn Bundesrath und Reichstag ſie übereinſtimmend geneh-
migt haben und welche Ausgaben ſtaatsrechtlich nicht verweigert
werden dürfen. Hält man den oberſten Grundſatz des conſtitutio-
nellen Staatsrechts feſt, daß das beſtehende Recht und die rechtlich
begründeten Inſtitutionen des Staats nur unter Uebereinſtimmung
von Souverain und Volksvertretung, nicht einſeitig von einem dieſer
beiden Organe verändert werden dürfen, ſo ergibt ſich als unab-
weisliche Conſequenz, daß der Reichstag nicht einſeitig die beſtehen-
den Geſetze durch Verweigerung der zu ihrer Ausführung noth-
wendigen Mittel ſuspendiren oder aufheben kann, daß es nicht
alljährlich in ſein Belieben geſtellt ſein kann, die Fortgeltung der
Reichsgeſetze und die Fortdauer der Reichsinſtitute zu genehmigen
oder zu unterdrücken 2). Es folgt demgemäß aus dieſem Princip

1) Bankgeſ. v. 14. März 1875 §. 28 (R.G.Bl. S. 185) Vgl. Bd. II.
S. 385.
2) Ueber dieſen Grundſatz ſind faſt alle Deutſchen Staatsrechtsſchriftſteller
einverſtanden. Vgl. Zöpfl, Staatsr. Bd. II. §. 399. Zachariä, Staatsr. II.
§. 222 (S. 515) und in den Gött. Gel. Anz. 1871 S. 362 ff. v. Gerber,
Grundzüge §§. 50. 51 und im Literar. Centralbl. 1871 Sp. 61 fg. v. Mohl,
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[348/0358] §. 123. Bedeutung und Feſtſtellung des Haushalts-Etats-Geſetzes. Etats dem Reiche zu und zwar werden für die drei Staaten mit eigener Militärverwaltung (Preußen, Sachſen, Württemberg) die Ausgaben bei den einzelnen Titeln in Parallel-Colonnen aufgeführt. 4. Die Matrikularbeiträge werden mit dem anſchlagsmäßigen Netto-Betrage, den jeder einzelne Staat zu zahlen hat, im Budget aufgeführt, ſo daß die verwickelte Rechnung, durch welche die von jedem Staate zu zahlende Summe ermittelt werden muß, im Etats- geſetz ſelbſt nicht bemerkbar wird. 5. Eine beſondere Beilage zum Reichshaushalts-Etat bildet der Beſoldungs- und Penſions-Etat des Reichsbank-Direktoriums. Derſelbe wird zwar im Wege der Reichsgeſetzgebung feſtgeſtellt, die Ausgaben erfolgen aber aus den Mitteln der Reichsbank 1). IV. Die Reichsverf. Art. 71 ſtellt zwar ganz allgemein die Regel auf, daß die gemeinſchaftlichen Ausgaben alljährlich bewil- ligt werden, aber ſie normirt die wichtige Frage nicht, inwieweit die Bewilligung von Ausgaben res merae voluntatis und wieweit ſie ſtaatsrechtliche Pflicht des Reichstages ſei, oder mit andern Worten, welche Ausgaben die Reichsregierung nur leiſten dürfe, wenn Bundesrath und Reichstag ſie übereinſtimmend geneh- migt haben und welche Ausgaben ſtaatsrechtlich nicht verweigert werden dürfen. Hält man den oberſten Grundſatz des conſtitutio- nellen Staatsrechts feſt, daß das beſtehende Recht und die rechtlich begründeten Inſtitutionen des Staats nur unter Uebereinſtimmung von Souverain und Volksvertretung, nicht einſeitig von einem dieſer beiden Organe verändert werden dürfen, ſo ergibt ſich als unab- weisliche Conſequenz, daß der Reichstag nicht einſeitig die beſtehen- den Geſetze durch Verweigerung der zu ihrer Ausführung noth- wendigen Mittel ſuspendiren oder aufheben kann, daß es nicht alljährlich in ſein Belieben geſtellt ſein kann, die Fortgeltung der Reichsgeſetze und die Fortdauer der Reichsinſtitute zu genehmigen oder zu unterdrücken 2). Es folgt demgemäß aus dieſem Princip 1) Bankgeſ. v. 14. März 1875 §. 28 (R.G.Bl. S. 185) Vgl. Bd. II. S. 385. 2) Ueber dieſen Grundſatz ſind faſt alle Deutſchen Staatsrechtsſchriftſteller einverſtanden. Vgl. Zöpfl, Staatsr. Bd. II. §. 399. Zachariä, Staatsr. II. §. 222 (S. 515) und in den Gött. Gel. Anz. 1871 S. 362 ff. v. Gerber, Grundzüge §§. 50. 51 und im Literar. Centralbl. 1871 Sp. 61 fg. v. Mohl, Württemb. Staatsr. I. §. 109 S. 624. Mein Budgetrecht S. 11—14.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/358>, abgerufen am 25.11.2024.