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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 97. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit.
von der Zwangsvollstreckung. Die Darstellung aller dieser Rechts-
materien ist daher mit Vorbedacht hier übergangen worden.

III. Auch eine Angabe der Literatur über das gegenwärtige
Gerichtswesen des Deutschen Reiches scheint an dieser Stelle nicht
erforderlich zu sein. Es ist allbekannt, eine wie große Zahl von
Kommentaren, systematischen Werken, Abhandlungen u. s. w. durch
den Abschluß der Reichs-Prozeßgesetzgebung hervorgerufen worden
ist. Eine, auch nur einigermaßen vollständige Aufzählung dieser
Werke würde einen großen Raum beanspruchen; sie erscheint um
so entbehrlicher als die rechtswissenschaftlichen Zeitschriften, insbe-
sondere die dem Civilprozeß und dem Strafprozeß vorzugsweise
gewidmeten, sich angelegen sein lassen, alle diese Materie betreffen-
den literarischen Erscheinungen zu verzeichnen.

§. 97. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit.

I. Gerichtsbar ist dem Wortsinne nach Alles, was zum
Geschäftskreise oder der Zuständigkeit der Gerichte gehört, was ge-
eignet ist, vor Gericht gebracht und daselbst verhandelt und erle-
digt zu werden; Gerichtsbarkeit im objektiven Sinne ist die Ge-
sammtheit dieser Angelegenheiten; Gerichtsbarkeit im subjektiven
Sinne ist die Befugniß, diese Angelegenheiten in rechtswirksamer
Weise zu erledigen, resp. die zu ihrer Erledigung bestimmten Ge-
richte einzusetzen und die Art und Weise der Erledigung zu regeln.
Eine materielle, juristisch verwendbare Definition der Gerichts-
barkeit aber kann nicht im Allgemeinen gegeben werden, so sehr
man sich auch bemüht hat, eine solche aufzustellen, da unter der
Bezeichnung "Gericht" sehr zahlreiche und verschiedenartige Be-
hörden verstanden werden und die Abgränzung der Geschäfte, welche
den als Gerichten bezeichneten Behörden zugewiesen sind, eine
wechselvolle und willkührliche ist. Nur mit Rücksicht auf ein be-
stimmtes positives Recht und eine bestimmte positive Behörden-
verfassung kann man die Gerichtsbarkeit definiren, d. h. alle
diejenigen Angelegenheiten aufzählen, welche "gerichtsbar" sind.
Die Gerichtsbarkeit bildet den Gegensatz zu den durch die Ver-
waltungsbehörden zu führenden Geschäften; aber dieser Gegensatz

Anordnung hat daher keine Zwangsmittel, sondern lediglich prozessualische Nach-
theile im Gefolge.

§. 97. Die ordentliche ſtreitige Gerichtsbarkeit.
von der Zwangsvollſtreckung. Die Darſtellung aller dieſer Rechts-
materien iſt daher mit Vorbedacht hier übergangen worden.

III. Auch eine Angabe der Literatur über das gegenwärtige
Gerichtsweſen des Deutſchen Reiches ſcheint an dieſer Stelle nicht
erforderlich zu ſein. Es iſt allbekannt, eine wie große Zahl von
Kommentaren, ſyſtematiſchen Werken, Abhandlungen u. ſ. w. durch
den Abſchluß der Reichs-Prozeßgeſetzgebung hervorgerufen worden
iſt. Eine, auch nur einigermaßen vollſtändige Aufzählung dieſer
Werke würde einen großen Raum beanſpruchen; ſie erſcheint um
ſo entbehrlicher als die rechtswiſſenſchaftlichen Zeitſchriften, insbe-
ſondere die dem Civilprozeß und dem Strafprozeß vorzugsweiſe
gewidmeten, ſich angelegen ſein laſſen, alle dieſe Materie betreffen-
den literariſchen Erſcheinungen zu verzeichnen.

§. 97. Die ordentliche ſtreitige Gerichtsbarkeit.

I. Gerichtsbar iſt dem Wortſinne nach Alles, was zum
Geſchäftskreiſe oder der Zuſtändigkeit der Gerichte gehört, was ge-
eignet iſt, vor Gericht gebracht und daſelbſt verhandelt und erle-
digt zu werden; Gerichtsbarkeit im objektiven Sinne iſt die Ge-
ſammtheit dieſer Angelegenheiten; Gerichtsbarkeit im ſubjektiven
Sinne iſt die Befugniß, dieſe Angelegenheiten in rechtswirkſamer
Weiſe zu erledigen, reſp. die zu ihrer Erledigung beſtimmten Ge-
richte einzuſetzen und die Art und Weiſe der Erledigung zu regeln.
Eine materielle, juriſtiſch verwendbare Definition der Gerichts-
barkeit aber kann nicht im Allgemeinen gegeben werden, ſo ſehr
man ſich auch bemüht hat, eine ſolche aufzuſtellen, da unter der
Bezeichnung „Gericht“ ſehr zahlreiche und verſchiedenartige Be-
hörden verſtanden werden und die Abgränzung der Geſchäfte, welche
den als Gerichten bezeichneten Behörden zugewieſen ſind, eine
wechſelvolle und willkührliche iſt. Nur mit Rückſicht auf ein be-
ſtimmtes poſitives Recht und eine beſtimmte poſitive Behörden-
verfaſſung kann man die Gerichtsbarkeit definiren, d. h. alle
diejenigen Angelegenheiten aufzählen, welche „gerichtsbar“ ſind.
Die Gerichtsbarkeit bildet den Gegenſatz zu den durch die Ver-
waltungsbehörden zu führenden Geſchäften; aber dieſer Gegenſatz

Anordnung hat daher keine Zwangsmittel, ſondern lediglich prozeſſualiſche Nach-
theile im Gefolge.
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[18/0028] §. 97. Die ordentliche ſtreitige Gerichtsbarkeit. von der Zwangsvollſtreckung. Die Darſtellung aller dieſer Rechts- materien iſt daher mit Vorbedacht hier übergangen worden. III. Auch eine Angabe der Literatur über das gegenwärtige Gerichtsweſen des Deutſchen Reiches ſcheint an dieſer Stelle nicht erforderlich zu ſein. Es iſt allbekannt, eine wie große Zahl von Kommentaren, ſyſtematiſchen Werken, Abhandlungen u. ſ. w. durch den Abſchluß der Reichs-Prozeßgeſetzgebung hervorgerufen worden iſt. Eine, auch nur einigermaßen vollſtändige Aufzählung dieſer Werke würde einen großen Raum beanſpruchen; ſie erſcheint um ſo entbehrlicher als die rechtswiſſenſchaftlichen Zeitſchriften, insbe- ſondere die dem Civilprozeß und dem Strafprozeß vorzugsweiſe gewidmeten, ſich angelegen ſein laſſen, alle dieſe Materie betreffen- den literariſchen Erſcheinungen zu verzeichnen. §. 97. Die ordentliche ſtreitige Gerichtsbarkeit. I. Gerichtsbar iſt dem Wortſinne nach Alles, was zum Geſchäftskreiſe oder der Zuſtändigkeit der Gerichte gehört, was ge- eignet iſt, vor Gericht gebracht und daſelbſt verhandelt und erle- digt zu werden; Gerichtsbarkeit im objektiven Sinne iſt die Ge- ſammtheit dieſer Angelegenheiten; Gerichtsbarkeit im ſubjektiven Sinne iſt die Befugniß, dieſe Angelegenheiten in rechtswirkſamer Weiſe zu erledigen, reſp. die zu ihrer Erledigung beſtimmten Ge- richte einzuſetzen und die Art und Weiſe der Erledigung zu regeln. Eine materielle, juriſtiſch verwendbare Definition der Gerichts- barkeit aber kann nicht im Allgemeinen gegeben werden, ſo ſehr man ſich auch bemüht hat, eine ſolche aufzuſtellen, da unter der Bezeichnung „Gericht“ ſehr zahlreiche und verſchiedenartige Be- hörden verſtanden werden und die Abgränzung der Geſchäfte, welche den als Gerichten bezeichneten Behörden zugewieſen ſind, eine wechſelvolle und willkührliche iſt. Nur mit Rückſicht auf ein be- ſtimmtes poſitives Recht und eine beſtimmte poſitive Behörden- verfaſſung kann man die Gerichtsbarkeit definiren, d. h. alle diejenigen Angelegenheiten aufzählen, welche „gerichtsbar“ ſind. Die Gerichtsbarkeit bildet den Gegenſatz zu den durch die Ver- waltungsbehörden zu führenden Geſchäften; aber dieſer Gegenſatz 3) 3) Anordnung hat daher keine Zwangsmittel, ſondern lediglich prozeſſualiſche Nach- theile im Gefolge.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/28>, abgerufen am 28.03.2024.