Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollwesens.
Gesetzeskraft haben. Dagegen haben die Abreden des Schluß-
protokolls
, sowie selbstverständlich alle vom Bundesrath zur
Ausführung des Zollvereinsvertrages beschlossenen Regle-
ments u. s. w. die Kraft von Verwaltungs-Verordnungen.

5. Der Zollvereinsvertrag v. 16. Mai 1865 und ebenso der
Zollvereinsvertrag v. 8. Juli 1867 enthielten zwar eine vollständige
Codifikation der die Gesammtheit des Zollvereins betreffen-
den Abreden, aber keine vollständige Zusammenstellung aller noch
gültigen Bestimmungen der früheren Verträge. Daneben sind
vielmehr in Geltung geblieben diejenigen Bestimmungen, welche
sich auf die besonderen Verhältnisse einzelner Staaten beziehen,
sei es, daß dieselben bei dem Anschluß der letzteren festgestellt
wurden, oder sei es, daß sie in Folge der Entwickelung der Zoll-
vereins-Einrichtungen veranlaßt wurden 1). Hinsichtlich dieser Be-
stimmungen, welche durch den Art. 40 der R.V. ebenfalls in Kraft
erhalten wurden, so weit sie bei Erlaß der R.V. noch Geltung
hatten, fehlt es daher an einem formellen Kriterium dafür, ob sie
als gesetzliche Anordnungen oder als Verwaltungsvorschriften an-
zusehen sind und es kann daher diese Frage nur nach dem In-
halt der Festsetzung beurtheilt werden 2). Uebrigens sind diese
Bestimmungen nicht von erheblicher Bedeutung. Hervorzuheben
ist aber, daß gerade diese besonderen Vorrechte einzelner Staaten
im Verhältniß zur Gesammtheit unter dem Schutze des Art. 78
Abs. 2 der R.V. stehen.

III. Durch die Continuität zwischen dem Deutschen Zollverein
und dem Zollwesen des Reiches sind die prinzipiellen Grundlagen
des letzteren bestimmt worden; ja es hat dieser historische Zu-
sammenhang über dieses begränzte Gebiet hinaus auf die gesammte
Organisation des Reiches eingewirkt. Namentlich besteht eine un-
verkennbare und staatsrechtlich wie politisch hochbedeutsame Con-
gruenz zwischen der Ordnung des Militärwesens, Gerichtswesens
und Zollwesens; in allen drei Zweigen der staatlichen Thätigkeit
3)

1) Delbrück S. 4 u. S. 6.
2) Delbrück S. 6.
3) Dahin gehören z. B. die besonderen Begünstigungen der Meßplätze
Braunschweig, Frankfurt a. M., Leipzig und Frankfurt a. O. Vgl. Delbrück
S. 61 fg.; die besonderen Vorrechte einzelner Staaten in Betreff der Chaussee-
geld-Tarife (Delbrück S. 85 fg.).

§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens.
Geſetzeskraft haben. Dagegen haben die Abreden des Schluß-
protokolls
, ſowie ſelbſtverſtändlich alle vom Bundesrath zur
Ausführung des Zollvereinsvertrages beſchloſſenen Regle-
ments u. ſ. w. die Kraft von Verwaltungs-Verordnungen.

5. Der Zollvereinsvertrag v. 16. Mai 1865 und ebenſo der
Zollvereinsvertrag v. 8. Juli 1867 enthielten zwar eine vollſtändige
Codifikation der die Geſammtheit des Zollvereins betreffen-
den Abreden, aber keine vollſtändige Zuſammenſtellung aller noch
gültigen Beſtimmungen der früheren Verträge. Daneben ſind
vielmehr in Geltung geblieben diejenigen Beſtimmungen, welche
ſich auf die beſonderen Verhältniſſe einzelner Staaten beziehen,
ſei es, daß dieſelben bei dem Anſchluß der letzteren feſtgeſtellt
wurden, oder ſei es, daß ſie in Folge der Entwickelung der Zoll-
vereins-Einrichtungen veranlaßt wurden 1). Hinſichtlich dieſer Be-
ſtimmungen, welche durch den Art. 40 der R.V. ebenfalls in Kraft
erhalten wurden, ſo weit ſie bei Erlaß der R.V. noch Geltung
hatten, fehlt es daher an einem formellen Kriterium dafür, ob ſie
als geſetzliche Anordnungen oder als Verwaltungsvorſchriften an-
zuſehen ſind und es kann daher dieſe Frage nur nach dem In-
halt der Feſtſetzung beurtheilt werden 2). Uebrigens ſind dieſe
Beſtimmungen nicht von erheblicher Bedeutung. Hervorzuheben
iſt aber, daß gerade dieſe beſonderen Vorrechte einzelner Staaten
im Verhältniß zur Geſammtheit unter dem Schutze des Art. 78
Abſ. 2 der R.V. ſtehen.

III. Durch die Continuität zwiſchen dem Deutſchen Zollverein
und dem Zollweſen des Reiches ſind die prinzipiellen Grundlagen
des letzteren beſtimmt worden; ja es hat dieſer hiſtoriſche Zu-
ſammenhang über dieſes begränzte Gebiet hinaus auf die geſammte
Organiſation des Reiches eingewirkt. Namentlich beſteht eine un-
verkennbare und ſtaatsrechtlich wie politiſch hochbedeutſame Con-
gruenz zwiſchen der Ordnung des Militärweſens, Gerichtsweſens
und Zollweſens; in allen drei Zweigen der ſtaatlichen Thätigkeit
3)

1) Delbrück S. 4 u. S. 6.
2) Delbrück S. 6.
3) Dahin gehören z. B. die beſonderen Begünſtigungen der Meßplätze
Braunſchweig, Frankfurt a. M., Leipzig und Frankfurt a. O. Vgl. Delbrück
S. 61 fg.; die beſonderen Vorrechte einzelner Staaten in Betreff der Chauſſee-
geld-Tarife (Delbrück S. 85 fg.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0260" n="250"/><fw place="top" type="header">§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollwe&#x017F;ens.</fw><lb/><hi rendition="#g">Ge&#x017F;etzeskraft</hi> haben. Dagegen haben die Abreden des <hi rendition="#g">Schluß-<lb/>
protokolls</hi>, &#x017F;owie &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich alle vom Bundesrath zur<lb/><hi rendition="#g">Ausführung</hi> des Zollvereinsvertrages be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Regle-<lb/>
ments u. &#x017F;. w. die Kraft von Verwaltungs-<hi rendition="#g">Verordnungen</hi>.</p><lb/>
              <p>5. Der Zollvereinsvertrag v. 16. Mai 1865 und eben&#x017F;o der<lb/>
Zollvereinsvertrag v. 8. Juli 1867 enthielten zwar eine voll&#x017F;tändige<lb/>
Codifikation der <hi rendition="#g">die Ge&#x017F;ammtheit</hi> des Zollvereins betreffen-<lb/>
den Abreden, aber keine voll&#x017F;tändige Zu&#x017F;ammen&#x017F;tellung <hi rendition="#g">aller</hi> noch<lb/>
gültigen Be&#x017F;timmungen der früheren Verträge. Daneben &#x017F;ind<lb/>
vielmehr in Geltung geblieben diejenigen Be&#x017F;timmungen, welche<lb/>
&#x017F;ich auf die be&#x017F;onderen Verhältni&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#g">einzelner</hi> Staaten beziehen,<lb/>
&#x017F;ei es, daß die&#x017F;elben bei dem An&#x017F;chluß der letzteren fe&#x017F;tge&#x017F;tellt<lb/>
wurden, oder &#x017F;ei es, daß &#x017F;ie in Folge der Entwickelung der Zoll-<lb/>
vereins-Einrichtungen veranlaßt wurden <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Delbrück</hi> S. 4 u. S. 6.</note>. Hin&#x017F;ichtlich die&#x017F;er Be-<lb/>
&#x017F;timmungen, welche durch den Art. 40 der R.V. ebenfalls in Kraft<lb/>
erhalten wurden, &#x017F;o weit &#x017F;ie bei Erlaß der R.V. noch Geltung<lb/>
hatten, fehlt es daher an einem formellen Kriterium dafür, ob &#x017F;ie<lb/>
als ge&#x017F;etzliche Anordnungen oder als Verwaltungsvor&#x017F;chriften an-<lb/>
zu&#x017F;ehen &#x017F;ind und es kann daher die&#x017F;e Frage nur nach dem In-<lb/>
halt der Fe&#x017F;t&#x017F;etzung beurtheilt werden <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Delbrück</hi> S. 6.</note>. Uebrigens &#x017F;ind die&#x017F;e<lb/>
Be&#x017F;timmungen nicht von erheblicher Bedeutung. Hervorzuheben<lb/>
i&#x017F;t aber, daß gerade die&#x017F;e be&#x017F;onderen Vorrechte einzelner Staaten<lb/>
im Verhältniß zur Ge&#x017F;ammtheit unter dem Schutze des Art. 78<lb/>
Ab&#x017F;. 2 der R.V. &#x017F;tehen.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">III.</hi> Durch die Continuität zwi&#x017F;chen dem Deut&#x017F;chen Zollverein<lb/>
und dem Zollwe&#x017F;en des Reiches &#x017F;ind die prinzipiellen Grundlagen<lb/>
des letzteren be&#x017F;timmt worden; ja es hat die&#x017F;er hi&#x017F;tori&#x017F;che Zu-<lb/>
&#x017F;ammenhang über die&#x017F;es begränzte Gebiet hinaus auf die ge&#x017F;ammte<lb/>
Organi&#x017F;ation des Reiches eingewirkt. Namentlich be&#x017F;teht eine un-<lb/>
verkennbare und &#x017F;taatsrechtlich wie politi&#x017F;ch hochbedeut&#x017F;ame Con-<lb/>
gruenz zwi&#x017F;chen der Ordnung des Militärwe&#x017F;ens, Gerichtswe&#x017F;ens<lb/>
und Zollwe&#x017F;ens; in allen drei Zweigen der &#x017F;taatlichen Thätigkeit<lb/><note place="foot" n="3)">Dahin gehören z. B. die be&#x017F;onderen Begün&#x017F;tigungen der Meßplätze<lb/>
Braun&#x017F;chweig, Frankfurt a. M., Leipzig und Frankfurt a. O. Vgl. <hi rendition="#g">Delbrück</hi><lb/>
S. 61 fg.; die be&#x017F;onderen Vorrechte einzelner Staaten in Betreff der Chau&#x017F;&#x017F;ee-<lb/>
geld-Tarife (<hi rendition="#g">Delbrück</hi> S. 85 fg.).</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250/0260] §. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens. Geſetzeskraft haben. Dagegen haben die Abreden des Schluß- protokolls, ſowie ſelbſtverſtändlich alle vom Bundesrath zur Ausführung des Zollvereinsvertrages beſchloſſenen Regle- ments u. ſ. w. die Kraft von Verwaltungs-Verordnungen. 5. Der Zollvereinsvertrag v. 16. Mai 1865 und ebenſo der Zollvereinsvertrag v. 8. Juli 1867 enthielten zwar eine vollſtändige Codifikation der die Geſammtheit des Zollvereins betreffen- den Abreden, aber keine vollſtändige Zuſammenſtellung aller noch gültigen Beſtimmungen der früheren Verträge. Daneben ſind vielmehr in Geltung geblieben diejenigen Beſtimmungen, welche ſich auf die beſonderen Verhältniſſe einzelner Staaten beziehen, ſei es, daß dieſelben bei dem Anſchluß der letzteren feſtgeſtellt wurden, oder ſei es, daß ſie in Folge der Entwickelung der Zoll- vereins-Einrichtungen veranlaßt wurden 1). Hinſichtlich dieſer Be- ſtimmungen, welche durch den Art. 40 der R.V. ebenfalls in Kraft erhalten wurden, ſo weit ſie bei Erlaß der R.V. noch Geltung hatten, fehlt es daher an einem formellen Kriterium dafür, ob ſie als geſetzliche Anordnungen oder als Verwaltungsvorſchriften an- zuſehen ſind und es kann daher dieſe Frage nur nach dem In- halt der Feſtſetzung beurtheilt werden 2). Uebrigens ſind dieſe Beſtimmungen nicht von erheblicher Bedeutung. Hervorzuheben iſt aber, daß gerade dieſe beſonderen Vorrechte einzelner Staaten im Verhältniß zur Geſammtheit unter dem Schutze des Art. 78 Abſ. 2 der R.V. ſtehen. III. Durch die Continuität zwiſchen dem Deutſchen Zollverein und dem Zollweſen des Reiches ſind die prinzipiellen Grundlagen des letzteren beſtimmt worden; ja es hat dieſer hiſtoriſche Zu- ſammenhang über dieſes begränzte Gebiet hinaus auf die geſammte Organiſation des Reiches eingewirkt. Namentlich beſteht eine un- verkennbare und ſtaatsrechtlich wie politiſch hochbedeutſame Con- gruenz zwiſchen der Ordnung des Militärweſens, Gerichtsweſens und Zollweſens; in allen drei Zweigen der ſtaatlichen Thätigkeit 3) 1) Delbrück S. 4 u. S. 6. 2) Delbrück S. 6. 3) Dahin gehören z. B. die beſonderen Begünſtigungen der Meßplätze Braunſchweig, Frankfurt a. M., Leipzig und Frankfurt a. O. Vgl. Delbrück S. 61 fg.; die beſonderen Vorrechte einzelner Staaten in Betreff der Chauſſee- geld-Tarife (Delbrück S. 85 fg.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/260
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/260>, abgerufen am 22.11.2024.