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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollwesens.

3. So weit die Bestimmungen der Zollvereinsverträge Ange-
legenheiten betreffen, welche unter die verfassungsmäßige Kompe-
tenz des Reiches zur Gesetzgebung fallen, können dieselben auf dem
Wege der Reichsgesetzgebung aufgehoben und abgeändert werden,
da sie ja auch auf diesem Wege neu erlassen werden könnten 1);
sie bilden daher die Gruppe der Bestimmungen mit einfacher Ge-
setzeskraft.

4. Die schwierigste Aufgabe würde die Abgränzung der Be-
stimmungen mit Gesetzeskraft von den Verwaltungs-Anordnungen
sein, wenn nicht in dieser Beziehung schon während des Zollvereins
selbst ein äußeres Kriterium für diese Unterscheidung geschaffen
worden wäre. Nach der Erneuerung des Zollvereins im Jahre
1864 wurde in dem Vertrage vom 16. Mai 1865 die Gesammtmasse
der gültigen Bestimmungen in zwei Gruppen nach staatsrechtlichem
Gesichtspunkte vertheilt; alle Bestimmungen, denen die vertrags-
schließenden Regierungen formell legislativen Charakter bei-
legten, wurden in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen;
alle Bestimmungen von administrativer Natur wurden in
das Schlußprotokoll gestellt 2). Bei der Redaktion des
Zollvereinsvertrages v. 8. Juli 1867 wurde dieselbe Form der
Unterscheidung beibehalten und die Vertheilung des Stoffes zwi-
schen Hauptvertrag und Schlußprotokoll nicht abgeändert 3).

Hieraus ergiebt sich, daß alle -- noch in Geltung stehenden --
Bestimmungen des Hauptvertrages v. 8. Juli 1867, sowie derje-
nigen Verabredungen, welche in demselben in Bezug genommen und
als Bestandtheile des Vertrages erklärt worden sind 4), formelle

1) Hänel S. 131.
2) Auch bei der Vorlage an die Landtage der contrahirenden Staaten
wurde diese Bedeutung der Trennung der beiden Urkunden hervorgehoben.
Vgl. für Preußen die Denkschrift zum Zollvereinsvertrage in den Anlagen
zu den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses 1865 IV. S. 1538 (Hänel
S. 127 Note 18).
3) Hänel S. 126 ff. Delbrück S. 5 fg.
4) Die im Art. 3 §. 7 des Vertrages erwähnten Gesetze, nämlich das Zoll-
gesetz, die Zollordnung, der Zolltarif und die "Grundsätze, betreffend das Zoll-
strafgesetz" sind durch das Zollgesetz von 1869 und die andern spätern Reichs-
gesetze ersetzt worden, also nicht mehr von Belang. Ueber die schwierige Frage,
inwieweit das Zollkartel v. 11. Mai 1833 noch Bedeutung hat, vgl. Delbrück
S. 18 ff.
§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens.

3. So weit die Beſtimmungen der Zollvereinsverträge Ange-
legenheiten betreffen, welche unter die verfaſſungsmäßige Kompe-
tenz des Reiches zur Geſetzgebung fallen, können dieſelben auf dem
Wege der Reichsgeſetzgebung aufgehoben und abgeändert werden,
da ſie ja auch auf dieſem Wege neu erlaſſen werden könnten 1);
ſie bilden daher die Gruppe der Beſtimmungen mit einfacher Ge-
ſetzeskraft.

4. Die ſchwierigſte Aufgabe würde die Abgränzung der Be-
ſtimmungen mit Geſetzeskraft von den Verwaltungs-Anordnungen
ſein, wenn nicht in dieſer Beziehung ſchon während des Zollvereins
ſelbſt ein äußeres Kriterium für dieſe Unterſcheidung geſchaffen
worden wäre. Nach der Erneuerung des Zollvereins im Jahre
1864 wurde in dem Vertrage vom 16. Mai 1865 die Geſammtmaſſe
der gültigen Beſtimmungen in zwei Gruppen nach ſtaatsrechtlichem
Geſichtspunkte vertheilt; alle Beſtimmungen, denen die vertrags-
ſchließenden Regierungen formell legislativen Charakter bei-
legten, wurden in die Vertragsurkunde ſelbſt aufgenommen;
alle Beſtimmungen von adminiſtrativer Natur wurden in
das Schlußprotokoll geſtellt 2). Bei der Redaktion des
Zollvereinsvertrages v. 8. Juli 1867 wurde dieſelbe Form der
Unterſcheidung beibehalten und die Vertheilung des Stoffes zwi-
ſchen Hauptvertrag und Schlußprotokoll nicht abgeändert 3).

Hieraus ergiebt ſich, daß alle — noch in Geltung ſtehenden —
Beſtimmungen des Hauptvertrages v. 8. Juli 1867, ſowie derje-
nigen Verabredungen, welche in demſelben in Bezug genommen und
als Beſtandtheile des Vertrages erklärt worden ſind 4), formelle

1) Hänel S. 131.
2) Auch bei der Vorlage an die Landtage der contrahirenden Staaten
wurde dieſe Bedeutung der Trennung der beiden Urkunden hervorgehoben.
Vgl. für Preußen die Denkſchrift zum Zollvereinsvertrage in den Anlagen
zu den Verhandlungen des Abgeordnetenhauſes 1865 IV. S. 1538 (Hänel
S. 127 Note 18).
3) Hänel S. 126 ff. Delbrück S. 5 fg.
4) Die im Art. 3 §. 7 des Vertrages erwähnten Geſetze, nämlich das Zoll-
geſetz, die Zollordnung, der Zolltarif und die „Grundſätze, betreffend das Zoll-
ſtrafgeſetz“ ſind durch das Zollgeſetz von 1869 und die andern ſpätern Reichs-
geſetze erſetzt worden, alſo nicht mehr von Belang. Ueber die ſchwierige Frage,
inwieweit das Zollkartel v. 11. Mai 1833 noch Bedeutung hat, vgl. Delbrück
S. 18 ff.
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[249/0259] §. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens. 3. So weit die Beſtimmungen der Zollvereinsverträge Ange- legenheiten betreffen, welche unter die verfaſſungsmäßige Kompe- tenz des Reiches zur Geſetzgebung fallen, können dieſelben auf dem Wege der Reichsgeſetzgebung aufgehoben und abgeändert werden, da ſie ja auch auf dieſem Wege neu erlaſſen werden könnten 1); ſie bilden daher die Gruppe der Beſtimmungen mit einfacher Ge- ſetzeskraft. 4. Die ſchwierigſte Aufgabe würde die Abgränzung der Be- ſtimmungen mit Geſetzeskraft von den Verwaltungs-Anordnungen ſein, wenn nicht in dieſer Beziehung ſchon während des Zollvereins ſelbſt ein äußeres Kriterium für dieſe Unterſcheidung geſchaffen worden wäre. Nach der Erneuerung des Zollvereins im Jahre 1864 wurde in dem Vertrage vom 16. Mai 1865 die Geſammtmaſſe der gültigen Beſtimmungen in zwei Gruppen nach ſtaatsrechtlichem Geſichtspunkte vertheilt; alle Beſtimmungen, denen die vertrags- ſchließenden Regierungen formell legislativen Charakter bei- legten, wurden in die Vertragsurkunde ſelbſt aufgenommen; alle Beſtimmungen von adminiſtrativer Natur wurden in das Schlußprotokoll geſtellt 2). Bei der Redaktion des Zollvereinsvertrages v. 8. Juli 1867 wurde dieſelbe Form der Unterſcheidung beibehalten und die Vertheilung des Stoffes zwi- ſchen Hauptvertrag und Schlußprotokoll nicht abgeändert 3). Hieraus ergiebt ſich, daß alle — noch in Geltung ſtehenden — Beſtimmungen des Hauptvertrages v. 8. Juli 1867, ſowie derje- nigen Verabredungen, welche in demſelben in Bezug genommen und als Beſtandtheile des Vertrages erklärt worden ſind 4), formelle 1) Hänel S. 131. 2) Auch bei der Vorlage an die Landtage der contrahirenden Staaten wurde dieſe Bedeutung der Trennung der beiden Urkunden hervorgehoben. Vgl. für Preußen die Denkſchrift zum Zollvereinsvertrage in den Anlagen zu den Verhandlungen des Abgeordnetenhauſes 1865 IV. S. 1538 (Hänel S. 127 Note 18). 3) Hänel S. 126 ff. Delbrück S. 5 fg. 4) Die im Art. 3 §. 7 des Vertrages erwähnten Geſetze, nämlich das Zoll- geſetz, die Zollordnung, der Zolltarif und die „Grundſätze, betreffend das Zoll- ſtrafgeſetz“ ſind durch das Zollgeſetz von 1869 und die andern ſpätern Reichs- geſetze erſetzt worden, alſo nicht mehr von Belang. Ueber die ſchwierige Frage, inwieweit das Zollkartel v. 11. Mai 1833 noch Bedeutung hat, vgl. Delbrück S. 18 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/259>, abgerufen am 22.11.2024.