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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollwesens.
barungen Anwendung finden." Hiernach hat der Art. 40 der R.V.
die Gesammtheit aller bei Erlaß der R.V. in Geltung gewesenen
Bestimmungen, welche unter den Mitgliedern des Zollvereins ver-
abredet worden waren, in Kraft erhalten, soweit sie nicht durch
die Reichsverfassung abgeändert worden sind, und hierdurch ist eine
volle Continuität zwischen der vertragsmäßigen Ordnung des Zoll-
vereins und der reichsverfassungsmäßigen Regelung des Zollwesens
hergestellt 1). In Folge dessen kann es bei einzelnen Fragen er-
forderlich sein, auf die älteren Verträge, Schlußprotokolle und
Beschlüsse der General-Zollvereins-Conferenzen bis zum Jahre 1833
zurückzugehen. Thatsächlich verringert sich allerdings dieses an
und für sich sehr umfangreiche Material dadurch erheblich, daß
die späteren Verträge meistens die in Geltung erhaltenen Sätze
der früheren wiederholen und daß namentlich der Vertrag vom
16. Mai 1865 eine Codifikation der wichtigsten damals geltenden
Vereinsfestsetzungen enthält.

II. Obwohl die Anordnung, daß die Zollvereins-Satzungen
rechtliche Geltung behalten, durch einen Artikel der Reichsver-
fassung
getroffen worden ist, so haben doch die einzelnen
Bestimmungen der Zollvereinbarungen dadurch nicht den Charakter
von Verfassungsvorschriften erhalten. Es ergiebt sich
dies aus dem Artikel 40 selbst, welcher die Klausel beifügt: "so
lange sie nicht auf dem im Art. 7, beziehungsweise 78 bezeichneten
Wege abgeändert werden". Nur Art. 78 betrifft den Weg der
Verfassungsänderung; Art. 7 dagegen, der seinerseits wieder auf
Art. 5 zurückweist, bezieht sich auf den Weg der Gesetzgebung und
der Verwaltungs-Verordnung 2). Wenn hiernach die Abände-
rung
des Zollvereins-Vertrages auf verschiedenen Wegen,
auf dem des Verfassungsgesetzes, des einfachen Gesetzes und des
Bundesrathsbeschlusses für zulässig erklärt wird, so ergiebt sich,
daß auch die staatsrechtliche Bedeutung der einzelnen Vertrags-
bestimmungen eine verschiedene ist und daß der Art. 40 neben

1) Delbrück S. 4.
2) In der Verf. des Nordd. Bundes trat das Recht des Bundesrathes,
Anordnungen der Zollvereinsverträge durch Beschlüsse abzuändern, dadurch
noch deutlicher hervor, daß das Verordnungsrecht des Bundesrathes nur in
dem Abschnitt über das Zoll- und Handelswesen Anerkennung gefunden hatte
(Art. 37) und Art. 40 auf diesen Artikel Bezug nahm.

§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens.
barungen Anwendung finden.“ Hiernach hat der Art. 40 der R.V.
die Geſammtheit aller bei Erlaß der R.V. in Geltung geweſenen
Beſtimmungen, welche unter den Mitgliedern des Zollvereins ver-
abredet worden waren, in Kraft erhalten, ſoweit ſie nicht durch
die Reichsverfaſſung abgeändert worden ſind, und hierdurch iſt eine
volle Continuität zwiſchen der vertragsmäßigen Ordnung des Zoll-
vereins und der reichsverfaſſungsmäßigen Regelung des Zollweſens
hergeſtellt 1). In Folge deſſen kann es bei einzelnen Fragen er-
forderlich ſein, auf die älteren Verträge, Schlußprotokolle und
Beſchlüſſe der General-Zollvereins-Conferenzen bis zum Jahre 1833
zurückzugehen. Thatſächlich verringert ſich allerdings dieſes an
und für ſich ſehr umfangreiche Material dadurch erheblich, daß
die ſpäteren Verträge meiſtens die in Geltung erhaltenen Sätze
der früheren wiederholen und daß namentlich der Vertrag vom
16. Mai 1865 eine Codifikation der wichtigſten damals geltenden
Vereinsfeſtſetzungen enthält.

II. Obwohl die Anordnung, daß die Zollvereins-Satzungen
rechtliche Geltung behalten, durch einen Artikel der Reichsver-
faſſung
getroffen worden iſt, ſo haben doch die einzelnen
Beſtimmungen der Zollvereinbarungen dadurch nicht den Charakter
von Verfaſſungsvorſchriften erhalten. Es ergiebt ſich
dies aus dem Artikel 40 ſelbſt, welcher die Klauſel beifügt: „ſo
lange ſie nicht auf dem im Art. 7, beziehungsweiſe 78 bezeichneten
Wege abgeändert werden“. Nur Art. 78 betrifft den Weg der
Verfaſſungsänderung; Art. 7 dagegen, der ſeinerſeits wieder auf
Art. 5 zurückweiſt, bezieht ſich auf den Weg der Geſetzgebung und
der Verwaltungs-Verordnung 2). Wenn hiernach die Abände-
rung
des Zollvereins-Vertrages auf verſchiedenen Wegen,
auf dem des Verfaſſungsgeſetzes, des einfachen Geſetzes und des
Bundesrathsbeſchluſſes für zuläſſig erklärt wird, ſo ergiebt ſich,
daß auch die ſtaatsrechtliche Bedeutung der einzelnen Vertrags-
beſtimmungen eine verſchiedene iſt und daß der Art. 40 neben

1) Delbrück S. 4.
2) In der Verf. des Nordd. Bundes trat das Recht des Bundesrathes,
Anordnungen der Zollvereinsverträge durch Beſchlüſſe abzuändern, dadurch
noch deutlicher hervor, daß das Verordnungsrecht des Bundesrathes nur in
dem Abſchnitt über das Zoll- und Handelsweſen Anerkennung gefunden hatte
(Art. 37) und Art. 40 auf dieſen Artikel Bezug nahm.
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[246/0256] §. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens. barungen Anwendung finden.“ Hiernach hat der Art. 40 der R.V. die Geſammtheit aller bei Erlaß der R.V. in Geltung geweſenen Beſtimmungen, welche unter den Mitgliedern des Zollvereins ver- abredet worden waren, in Kraft erhalten, ſoweit ſie nicht durch die Reichsverfaſſung abgeändert worden ſind, und hierdurch iſt eine volle Continuität zwiſchen der vertragsmäßigen Ordnung des Zoll- vereins und der reichsverfaſſungsmäßigen Regelung des Zollweſens hergeſtellt 1). In Folge deſſen kann es bei einzelnen Fragen er- forderlich ſein, auf die älteren Verträge, Schlußprotokolle und Beſchlüſſe der General-Zollvereins-Conferenzen bis zum Jahre 1833 zurückzugehen. Thatſächlich verringert ſich allerdings dieſes an und für ſich ſehr umfangreiche Material dadurch erheblich, daß die ſpäteren Verträge meiſtens die in Geltung erhaltenen Sätze der früheren wiederholen und daß namentlich der Vertrag vom 16. Mai 1865 eine Codifikation der wichtigſten damals geltenden Vereinsfeſtſetzungen enthält. II. Obwohl die Anordnung, daß die Zollvereins-Satzungen rechtliche Geltung behalten, durch einen Artikel der Reichsver- faſſung getroffen worden iſt, ſo haben doch die einzelnen Beſtimmungen der Zollvereinbarungen dadurch nicht den Charakter von Verfaſſungsvorſchriften erhalten. Es ergiebt ſich dies aus dem Artikel 40 ſelbſt, welcher die Klauſel beifügt: „ſo lange ſie nicht auf dem im Art. 7, beziehungsweiſe 78 bezeichneten Wege abgeändert werden“. Nur Art. 78 betrifft den Weg der Verfaſſungsänderung; Art. 7 dagegen, der ſeinerſeits wieder auf Art. 5 zurückweiſt, bezieht ſich auf den Weg der Geſetzgebung und der Verwaltungs-Verordnung 2). Wenn hiernach die Abände- rung des Zollvereins-Vertrages auf verſchiedenen Wegen, auf dem des Verfaſſungsgeſetzes, des einfachen Geſetzes und des Bundesrathsbeſchluſſes für zuläſſig erklärt wird, ſo ergiebt ſich, daß auch die ſtaatsrechtliche Bedeutung der einzelnen Vertrags- beſtimmungen eine verſchiedene iſt und daß der Art. 40 neben 1) Delbrück S. 4. 2) In der Verf. des Nordd. Bundes trat das Recht des Bundesrathes, Anordnungen der Zollvereinsverträge durch Beſchlüſſe abzuändern, dadurch noch deutlicher hervor, daß das Verordnungsrecht des Bundesrathes nur in dem Abſchnitt über das Zoll- und Handelsweſen Anerkennung gefunden hatte (Art. 37) und Art. 40 auf dieſen Artikel Bezug nahm.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/256>, abgerufen am 22.11.2024.