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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 96. Einleitung.
Gesetz v. 29. Juni 1865 provisorisch in Geltung stand 1), reichs-
gesetzlich zu regeln und sie, soweit die Verschiedenheit der thatsäch-
lichen Verhältnisse es gestattete, in Uebereinstimmung mit den Vor-
schriften der Reichs-Prozeßgesetze zu bringen. Zu diesem Zwecke
ist das Reichsgesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli
1879 (R.G.Bl. S. 197 ff.) erlassen worden 2).

In den im Vorstehenden aufgeführten Gesetzen hat im Wesent-
lichen die große Reform der Gerichtsverfassung und des Prozeß-
rechts einen vorläufigen Abschluß gefunden 3). Bevor aber auf
eine Darstellung des hierdurch gegebenen Rechtszustandes einge-
gangen wird, ist die allgemeine Bemerkung voranzuschicken, daß
diese Reichsgesetzgebung weder das ganze Gerichtswesen und die
ganze Gerichtsbarkeit geregelt hat, noch daß derjenige Theil des
Gerichtswesens, welcher von der Reichsgesetzgebung betroffen wor-
den ist, eine vollständige Regelung erfahren hat. Demgemäß
findet die Gesetzgebung des Reiches in doppelter Beziehung ihre
Ergänzung in der Landesgesetzgebung; die letztere enthält theils
die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu den Reichs-
gesetzen 4), theils die selbständige Regelung eines Gebietes,
welches von der Reichsgesetzgebung nicht beherrscht wird, sondern
nur dem von derselben normirten Gebiete benachbart ist, so daß
die Regelung desselben thatsächlich allerdings unter dem Einfluß
der reichsgesetzlichen Einrichtungen und Anordnungen steht.

II. Bei der Behandlung des Gerichtswesens des Deutschen
Reiches entsteht eine eigenthümliche Schwierigkeit hinsichtlich der
Auswahl und Abgrenzung der zu erörternden Lehren. Es kann
nicht die Aufgabe einer Darstellung des Reichsstaatsrechts sein,
den gesammten Strafprozeß und Civilprozeß, das Konkursverfahren,

1) Siehe Bd. I. S. 366.
2) Vgl. hiezu die Instruction des Reichskanzlers v. 10. Sept. 1879.
(Centralbl. für das D. R. 1879 S. 575 ff.)
3) Eine Anzahl kleinerer Gesetze, welche nur einzelne Fragen betreffen,
sind in dieser Uebersicht übergangen worden, so z. B. das Ges. über den Sitz
des Reichsgerichts v. 11. April 1877 (R.G.Bl. S. 415); das Ges. betreffend
den Uebergang v. Geschäften auf das Reichsgericht v. 16. Juni 1879 (R.G.Bl.
S. 157); die Verordnungen und das Gesetz betreffend die Begründung der Re-
vision in bürgerl. Rechtsstreitigkeiten u. s. w. Bei den betreffenden Materien
sind diese Gesetze, soweit sie hier überhaupt von Interesse sind, erwähnt worden.
4) Ein übersichtliches Verzeichniß derselben giebt Binding a. a. O. S. 36 ff.

§. 96. Einleitung.
Geſetz v. 29. Juni 1865 proviſoriſch in Geltung ſtand 1), reichs-
geſetzlich zu regeln und ſie, ſoweit die Verſchiedenheit der thatſäch-
lichen Verhältniſſe es geſtattete, in Uebereinſtimmung mit den Vor-
ſchriften der Reichs-Prozeßgeſetze zu bringen. Zu dieſem Zwecke
iſt das Reichsgeſetz über die Konſulargerichtsbarkeit vom 10. Juli
1879 (R.G.Bl. S. 197 ff.) erlaſſen worden 2).

In den im Vorſtehenden aufgeführten Geſetzen hat im Weſent-
lichen die große Reform der Gerichtsverfaſſung und des Prozeß-
rechts einen vorläufigen Abſchluß gefunden 3). Bevor aber auf
eine Darſtellung des hierdurch gegebenen Rechtszuſtandes einge-
gangen wird, iſt die allgemeine Bemerkung voranzuſchicken, daß
dieſe Reichsgeſetzgebung weder das ganze Gerichtsweſen und die
ganze Gerichtsbarkeit geregelt hat, noch daß derjenige Theil des
Gerichtsweſens, welcher von der Reichsgeſetzgebung betroffen wor-
den iſt, eine vollſtändige Regelung erfahren hat. Demgemäß
findet die Geſetzgebung des Reiches in doppelter Beziehung ihre
Ergänzung in der Landesgeſetzgebung; die letztere enthält theils
die erforderlichen Ausführungsbeſtimmungen zu den Reichs-
geſetzen 4), theils die ſelbſtändige Regelung eines Gebietes,
welches von der Reichsgeſetzgebung nicht beherrſcht wird, ſondern
nur dem von derſelben normirten Gebiete benachbart iſt, ſo daß
die Regelung deſſelben thatſächlich allerdings unter dem Einfluß
der reichsgeſetzlichen Einrichtungen und Anordnungen ſteht.

II. Bei der Behandlung des Gerichtsweſens des Deutſchen
Reiches entſteht eine eigenthümliche Schwierigkeit hinſichtlich der
Auswahl und Abgrenzung der zu erörternden Lehren. Es kann
nicht die Aufgabe einer Darſtellung des Reichsſtaatsrechts ſein,
den geſammten Strafprozeß und Civilprozeß, das Konkursverfahren,

1) Siehe Bd. I. S. 366.
2) Vgl. hiezu die Inſtruction des Reichskanzlers v. 10. Sept. 1879.
(Centralbl. für das D. R. 1879 S. 575 ff.)
3) Eine Anzahl kleinerer Geſetze, welche nur einzelne Fragen betreffen,
ſind in dieſer Ueberſicht übergangen worden, ſo z. B. das Geſ. über den Sitz
des Reichsgerichts v. 11. April 1877 (R.G.Bl. S. 415); das Geſ. betreffend
den Uebergang v. Geſchäften auf das Reichsgericht v. 16. Juni 1879 (R.G.Bl.
S. 157); die Verordnungen und das Geſetz betreffend die Begründung der Re-
viſion in bürgerl. Rechtsſtreitigkeiten u. ſ. w. Bei den betreffenden Materien
ſind dieſe Geſetze, ſoweit ſie hier überhaupt von Intereſſe ſind, erwähnt worden.
4) Ein überſichtliches Verzeichniß derſelben giebt Binding a. a. O. S. 36 ff.
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[14/0024] §. 96. Einleitung. Geſetz v. 29. Juni 1865 proviſoriſch in Geltung ſtand 1), reichs- geſetzlich zu regeln und ſie, ſoweit die Verſchiedenheit der thatſäch- lichen Verhältniſſe es geſtattete, in Uebereinſtimmung mit den Vor- ſchriften der Reichs-Prozeßgeſetze zu bringen. Zu dieſem Zwecke iſt das Reichsgeſetz über die Konſulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 (R.G.Bl. S. 197 ff.) erlaſſen worden 2). In den im Vorſtehenden aufgeführten Geſetzen hat im Weſent- lichen die große Reform der Gerichtsverfaſſung und des Prozeß- rechts einen vorläufigen Abſchluß gefunden 3). Bevor aber auf eine Darſtellung des hierdurch gegebenen Rechtszuſtandes einge- gangen wird, iſt die allgemeine Bemerkung voranzuſchicken, daß dieſe Reichsgeſetzgebung weder das ganze Gerichtsweſen und die ganze Gerichtsbarkeit geregelt hat, noch daß derjenige Theil des Gerichtsweſens, welcher von der Reichsgeſetzgebung betroffen wor- den iſt, eine vollſtändige Regelung erfahren hat. Demgemäß findet die Geſetzgebung des Reiches in doppelter Beziehung ihre Ergänzung in der Landesgeſetzgebung; die letztere enthält theils die erforderlichen Ausführungsbeſtimmungen zu den Reichs- geſetzen 4), theils die ſelbſtändige Regelung eines Gebietes, welches von der Reichsgeſetzgebung nicht beherrſcht wird, ſondern nur dem von derſelben normirten Gebiete benachbart iſt, ſo daß die Regelung deſſelben thatſächlich allerdings unter dem Einfluß der reichsgeſetzlichen Einrichtungen und Anordnungen ſteht. II. Bei der Behandlung des Gerichtsweſens des Deutſchen Reiches entſteht eine eigenthümliche Schwierigkeit hinſichtlich der Auswahl und Abgrenzung der zu erörternden Lehren. Es kann nicht die Aufgabe einer Darſtellung des Reichsſtaatsrechts ſein, den geſammten Strafprozeß und Civilprozeß, das Konkursverfahren, 1) Siehe Bd. I. S. 366. 2) Vgl. hiezu die Inſtruction des Reichskanzlers v. 10. Sept. 1879. (Centralbl. für das D. R. 1879 S. 575 ff.) 3) Eine Anzahl kleinerer Geſetze, welche nur einzelne Fragen betreffen, ſind in dieſer Ueberſicht übergangen worden, ſo z. B. das Geſ. über den Sitz des Reichsgerichts v. 11. April 1877 (R.G.Bl. S. 415); das Geſ. betreffend den Uebergang v. Geſchäften auf das Reichsgericht v. 16. Juni 1879 (R.G.Bl. S. 157); die Verordnungen und das Geſetz betreffend die Begründung der Re- viſion in bürgerl. Rechtsſtreitigkeiten u. ſ. w. Bei den betreffenden Materien ſind dieſe Geſetze, ſoweit ſie hier überhaupt von Intereſſe ſind, erwähnt worden. 4) Ein überſichtliches Verzeichniß derſelben giebt Binding a. a. O. S. 36 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/24>, abgerufen am 22.11.2024.