Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 107. Der Reichsfiskus. Der Reichsfiskus hat demnach, obgleich er eine einheitliche V. Für den Reichsfiskus gelten in jedem Rechtsgebiete die- 1) Vgl. Annalen a. a. O. S. 411. Uebereinstimmend: Seydel a. a. O.
S. 236 ff. Dernburg Preuß. Privatr. I. §. 57 (3. Aufl. S. 122) Meyer Staatsrecht §. 208. Mandry der civilrechtl. Inhalt der Reichsgesetze S. 114. Zorn im Rechtslexicon a. a. O. S. 376. Böhlau S. 17. Schulze, Deutsches Staatsrecht I S. 578 und besonders Reincke a. a. O. S. 486 ff. Auch das Preuß. Obertribunal hat diese Ansicht gebilligt, Entscheidungen Bd. 70 S. 217 ff.; freilich mit sehr bedenklicher Motivirung. Eine Anwen- dung hat dieselbe auch gefunden im Reichsgesetz v. 25. Mai 1873 §. 1 Abs. 2. Vgl. auch Reichsstempel-Gesetz v. 1. Juli 1881 §. 29. Die entgegengesetzte Mei- nung wird nur von Förster Theorie und Praxis des preuß. Privatrechts IV. S. 395 ff. vertheidigt; seine Deduction beruht aber auf der unrichtigen Unterstellung, daß der Reichsfiskus in den Gebieten der Bundesstaaten, insbe- sondere in Preußen, als ein fremder Fiskus anzusehen sei. §. 107. Der Reichsfiskus. Der Reichsfiskus hat demnach, obgleich er eine einheitliche V. Für den Reichsfiskus gelten in jedem Rechtsgebiete die- 1) Vgl. Annalen a. a. O. S. 411. Uebereinſtimmend: Seydel a. a. O.
S. 236 ff. Dernburg Preuß. Privatr. I. §. 57 (3. Aufl. S. 122) Meyer Staatsrecht §. 208. Mandry der civilrechtl. Inhalt der Reichsgeſetze S. 114. Zorn im Rechtslexicon a. a. O. S. 376. Böhlau S. 17. Schulze, Deutſches Staatsrecht I S. 578 und beſonders Reincke a. a. O. S. 486 ff. Auch das Preuß. Obertribunal hat dieſe Anſicht gebilligt, Entſcheidungen Bd. 70 S. 217 ff.; freilich mit ſehr bedenklicher Motivirung. Eine Anwen- dung hat dieſelbe auch gefunden im Reichsgeſetz v. 25. Mai 1873 §. 1 Abſ. 2. Vgl. auch Reichsſtempel-Geſetz v. 1. Juli 1881 §. 29. Die entgegengeſetzte Mei- nung wird nur von Förſter Theorie und Praxis des preuß. Privatrechts IV. S. 395 ff. vertheidigt; ſeine Deduction beruht aber auf der unrichtigen Unterſtellung, daß der Reichsfiskus in den Gebieten der Bundesſtaaten, insbe- ſondere in Preußen, als ein fremder Fiskus anzuſehen ſei. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0206" n="196"/> <fw place="top" type="header">§. 107. Der Reichsfiskus.</fw><lb/> <p>Der Reichsfiskus hat demnach, obgleich er eine einheitliche<lb/> Rechtsperſönlichkeit iſt, keinen einheitlichen allgemeinen Gerichts-<lb/> ſtand; der letztere beſtimmt ſich vielmehr nach den Geſchäftskreiſen<lb/> der zur Prozeßvertretung berufenen Behörden. Deſſenungeachtet<lb/> iſt dieſer Gerichtsſtand des Fiskus keine Singularität; er ent-<lb/> ſpricht dem Gerichtsſtande der <hi rendition="#g">Niederlaſſung</hi> nach §. 22 der<lb/> Civilproz.Ordn. Jede fiskaliſche Station iſt einer Niederlaſſung<lb/> im Sinne dieſes Paragraphen gleichzuachten und als „Zweignieder-<lb/> laſſung“ des (einheitlichen) Reichsfiskus zu bezeichnen.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">V.</hi> Für den Reichsfiskus gelten in jedem Rechtsgebiete die-<lb/> jenigen Rechtsregeln, welche die dort geltende Geſetzgebung hin-<lb/> ſichtlich des einheimiſchen Staatsfiskus aufſtellt; er nimmt daher<lb/> auch Theil an den landesgeſetzlich anerkannten fiskaliſchen Privi-<lb/> legien. Es folgt dieſe Regel aus der Natur des Bundesſtaates.<lb/> Eine Anzahl von Aufgaben des Staates ſind an das Reich über-<lb/> gegangen, deren Durchführung nicht blos vermittelſt der Ausübung<lb/> von Hoheitsrechten (Staatsgewalt), ſondern auch vermittelſt des<lb/> Abſchluſſes vermögensrechtlicher Geſchäfte erfolgt oder welche ver-<lb/> mögensrechtliche Verhältniſſe hervorbringen. Dieſelben Gründe,<lb/> auf denen die Nothwendigkeit beruht, daß jeder Staat zugleich<lb/> Subjekt von Herrſchaftsrechten und von Privatrechten iſt, führen<lb/> auch zu der Conſequenz, daß, ſoweit die Reichsgewalt an die Stelle<lb/> der Einzelſtaatsgewalt getreten iſt, auch der Reichsfiskus die Stelle<lb/> des Landesfiskus eingenommen hat und daß demnach die Rechts-<lb/> grundſätze, welche vor der Gründung des Bundes für den ein-<lb/> heitlichen Fiskus des Staates gegolten haben, nunmehr ſowohl für<lb/> den Reichsfiskus als auch für den Landesfiskus in Geltung ſtehen <note place="foot" n="1)">Vgl. <hi rendition="#g">Annalen</hi> a. a. O. S. 411. Uebereinſtimmend: <hi rendition="#g">Seydel</hi> a. a. O.<lb/> S. 236 ff. <hi rendition="#g">Dernburg</hi> Preuß. Privatr. <hi rendition="#aq">I.</hi> §. 57 (3. Aufl. S. 122) <hi rendition="#g">Meyer</hi><lb/> Staatsrecht §. 208. <hi rendition="#g">Mandry</hi> der civilrechtl. Inhalt der Reichsgeſetze S. 114.<lb/><hi rendition="#g">Zorn</hi> im Rechtslexicon a. a. O. S. 376. <hi rendition="#g">Böhlau</hi> S. 17. <hi rendition="#g">Schulze</hi>,<lb/> Deutſches Staatsrecht <hi rendition="#aq">I</hi> S. 578 und beſonders <hi rendition="#g">Reincke</hi> a. a. O. S. 486 ff.<lb/> Auch das <hi rendition="#g">Preuß. Obertribunal</hi> hat dieſe Anſicht gebilligt, Entſcheidungen<lb/> Bd. 70 S. 217 ff.; freilich mit ſehr bedenklicher Motivirung. Eine Anwen-<lb/> dung hat dieſelbe auch gefunden im <hi rendition="#g">Reichsgeſetz</hi> v. 25. Mai 1873 §. 1 Abſ. 2.<lb/> Vgl. auch Reichsſtempel-Geſetz v. 1. Juli 1881 §. 29. Die entgegengeſetzte Mei-<lb/> nung wird nur von <hi rendition="#g">Förſter</hi> Theorie und Praxis des preuß. Privatrechts<lb/><hi rendition="#aq">IV.</hi> S. 395 ff. vertheidigt; ſeine Deduction beruht aber auf der unrichtigen<lb/> Unterſtellung, daß der Reichsfiskus in den Gebieten der Bundesſtaaten, insbe-<lb/> ſondere in Preußen, als ein <hi rendition="#g">fremder</hi> Fiskus anzuſehen ſei.</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [196/0206]
§. 107. Der Reichsfiskus.
Der Reichsfiskus hat demnach, obgleich er eine einheitliche
Rechtsperſönlichkeit iſt, keinen einheitlichen allgemeinen Gerichts-
ſtand; der letztere beſtimmt ſich vielmehr nach den Geſchäftskreiſen
der zur Prozeßvertretung berufenen Behörden. Deſſenungeachtet
iſt dieſer Gerichtsſtand des Fiskus keine Singularität; er ent-
ſpricht dem Gerichtsſtande der Niederlaſſung nach §. 22 der
Civilproz.Ordn. Jede fiskaliſche Station iſt einer Niederlaſſung
im Sinne dieſes Paragraphen gleichzuachten und als „Zweignieder-
laſſung“ des (einheitlichen) Reichsfiskus zu bezeichnen.
V. Für den Reichsfiskus gelten in jedem Rechtsgebiete die-
jenigen Rechtsregeln, welche die dort geltende Geſetzgebung hin-
ſichtlich des einheimiſchen Staatsfiskus aufſtellt; er nimmt daher
auch Theil an den landesgeſetzlich anerkannten fiskaliſchen Privi-
legien. Es folgt dieſe Regel aus der Natur des Bundesſtaates.
Eine Anzahl von Aufgaben des Staates ſind an das Reich über-
gegangen, deren Durchführung nicht blos vermittelſt der Ausübung
von Hoheitsrechten (Staatsgewalt), ſondern auch vermittelſt des
Abſchluſſes vermögensrechtlicher Geſchäfte erfolgt oder welche ver-
mögensrechtliche Verhältniſſe hervorbringen. Dieſelben Gründe,
auf denen die Nothwendigkeit beruht, daß jeder Staat zugleich
Subjekt von Herrſchaftsrechten und von Privatrechten iſt, führen
auch zu der Conſequenz, daß, ſoweit die Reichsgewalt an die Stelle
der Einzelſtaatsgewalt getreten iſt, auch der Reichsfiskus die Stelle
des Landesfiskus eingenommen hat und daß demnach die Rechts-
grundſätze, welche vor der Gründung des Bundes für den ein-
heitlichen Fiskus des Staates gegolten haben, nunmehr ſowohl für
den Reichsfiskus als auch für den Landesfiskus in Geltung ſtehen 1).
1) Vgl. Annalen a. a. O. S. 411. Uebereinſtimmend: Seydel a. a. O.
S. 236 ff. Dernburg Preuß. Privatr. I. §. 57 (3. Aufl. S. 122) Meyer
Staatsrecht §. 208. Mandry der civilrechtl. Inhalt der Reichsgeſetze S. 114.
Zorn im Rechtslexicon a. a. O. S. 376. Böhlau S. 17. Schulze,
Deutſches Staatsrecht I S. 578 und beſonders Reincke a. a. O. S. 486 ff.
Auch das Preuß. Obertribunal hat dieſe Anſicht gebilligt, Entſcheidungen
Bd. 70 S. 217 ff.; freilich mit ſehr bedenklicher Motivirung. Eine Anwen-
dung hat dieſelbe auch gefunden im Reichsgeſetz v. 25. Mai 1873 §. 1 Abſ. 2.
Vgl. auch Reichsſtempel-Geſetz v. 1. Juli 1881 §. 29. Die entgegengeſetzte Mei-
nung wird nur von Förſter Theorie und Praxis des preuß. Privatrechts
IV. S. 395 ff. vertheidigt; ſeine Deduction beruht aber auf der unrichtigen
Unterſtellung, daß der Reichsfiskus in den Gebieten der Bundesſtaaten, insbe-
ſondere in Preußen, als ein fremder Fiskus anzuſehen ſei.
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