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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 105. Die Zeugenpflicht.

c) Wer zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist, weil
er zum Beschuldigten in einem Verhältniß der Angehörigkeit steht,
dessenungeachtet aber eine Aussage macht, kann die Beeidigung des
Zeugnisses verweigern und ist über dieses Recht zu belehren.
Wenn er zur Leistung des Eides bereit ist, hängt es von dem
richterlichen Ermessen ab, ob er unbeeidigt zu vernehmen oder zu
beeidigen ist 1). Ebenso sind in Civilprozessen Zeugen, welche zur
Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind, weil sie Angehörige
einer Partei sind, oder welche die Auskunft über Fragen ablehnen
dürfen, deren Beantwortung ihnen oder einem ihrer Angehörigen
einen unmittelbaren Vermögens-Schaden verursachen, oder zur
Unehre gereichen oder die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zu-
ziehen würde, welche dessenungeachtet aber eine Zeugenaussage
machen, von der Eidesleistung frei; das Prozeßgericht kann je-
doch ihre nachträgliche Beeidigung anordnen 2).

d) In Civilprozessen können die Parteien auf die Beeidigung
von Zeugen verzichten 3).

Die unberechtigte Weigerung der Leistung des Zeugeneides
hat ganz dieselben Rechtsfolgen wie die unberechtigte Verweigerung
der Aussage, nämlich Verurtheilung zu den durch die Eidesver-
weigerung verursachten Kosten, Geldstrafe bis zu 300 M., an deren
Stelle im Unvermögensfall Haft bis zu sechs Wochen tritt, und
nach Ermessen des Gerichts Haft zur Erzwingung der Eides-
leistung 4).

VI. Die Gegenleistung des Staates. Die Zeugen-
pflicht ist nicht unentgeltlich zu erfüllen. Jeder Zeuge ohne
Unterschied des Berufes, Alters oder Geschlechts erhält auf sei-
nen Antrag
eine Entschädigung für Zeitversäumniß, wofern mit
der letzteren nach der Lebensstellung des Zeugen eine Beeinträch-
tigung seines Erwerbes verbunden ist 5). Wenn das Erscheinen
des Zeugen eine Reise erforderlich macht, so hat er außerdem An-
spruch auf Erstattung der Kosten, welche durch die Reise und den

1) Strafproz.O. §. 57.
2) Civilproz.O. §. 358 Ziff. 3.
3) Civilproz.O. §. 356 Abs. 2.
4) Civilpr.O. §. 355. Strafproz.O. §. 69.
5) Gebührenordnung v. 30. Juni 1878 §. 2. 5.
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§. 105. Die Zeugenpflicht.

c) Wer zur Verweigerung des Zeugniſſes berechtigt iſt, weil
er zum Beſchuldigten in einem Verhältniß der Angehörigkeit ſteht,
deſſenungeachtet aber eine Ausſage macht, kann die Beeidigung des
Zeugniſſes verweigern und iſt über dieſes Recht zu belehren.
Wenn er zur Leiſtung des Eides bereit iſt, hängt es von dem
richterlichen Ermeſſen ab, ob er unbeeidigt zu vernehmen oder zu
beeidigen iſt 1). Ebenſo ſind in Civilprozeſſen Zeugen, welche zur
Verweigerung des Zeugniſſes berechtigt ſind, weil ſie Angehörige
einer Partei ſind, oder welche die Auskunft über Fragen ablehnen
dürfen, deren Beantwortung ihnen oder einem ihrer Angehörigen
einen unmittelbaren Vermögens-Schaden verurſachen, oder zur
Unehre gereichen oder die Gefahr ſtrafgerichtlicher Verfolgung zu-
ziehen würde, welche deſſenungeachtet aber eine Zeugenausſage
machen, von der Eidesleiſtung frei; das Prozeßgericht kann je-
doch ihre nachträgliche Beeidigung anordnen 2).

d) In Civilprozeſſen können die Parteien auf die Beeidigung
von Zeugen verzichten 3).

Die unberechtigte Weigerung der Leiſtung des Zeugeneides
hat ganz dieſelben Rechtsfolgen wie die unberechtigte Verweigerung
der Ausſage, nämlich Verurtheilung zu den durch die Eidesver-
weigerung verurſachten Koſten, Geldſtrafe bis zu 300 M., an deren
Stelle im Unvermögensfall Haft bis zu ſechs Wochen tritt, und
nach Ermeſſen des Gerichts Haft zur Erzwingung der Eides-
leiſtung 4).

VI. Die Gegenleiſtung des Staates. Die Zeugen-
pflicht iſt nicht unentgeltlich zu erfüllen. Jeder Zeuge ohne
Unterſchied des Berufes, Alters oder Geſchlechts erhält auf ſei-
nen Antrag
eine Entſchädigung für Zeitverſäumniß, wofern mit
der letzteren nach der Lebensſtellung des Zeugen eine Beeinträch-
tigung ſeines Erwerbes verbunden iſt 5). Wenn das Erſcheinen
des Zeugen eine Reiſe erforderlich macht, ſo hat er außerdem An-
ſpruch auf Erſtattung der Koſten, welche durch die Reiſe und den

1) Strafproz.O. §. 57.
2) Civilproz.O. §. 358 Ziff. 3.
3) Civilproz.O. §. 356 Abſ. 2.
4) Civilpr.O. §. 355. Strafproz.O. §. 69.
5) Gebührenordnung v. 30. Juni 1878 §. 2. 5.
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[179/0189] §. 105. Die Zeugenpflicht. c) Wer zur Verweigerung des Zeugniſſes berechtigt iſt, weil er zum Beſchuldigten in einem Verhältniß der Angehörigkeit ſteht, deſſenungeachtet aber eine Ausſage macht, kann die Beeidigung des Zeugniſſes verweigern und iſt über dieſes Recht zu belehren. Wenn er zur Leiſtung des Eides bereit iſt, hängt es von dem richterlichen Ermeſſen ab, ob er unbeeidigt zu vernehmen oder zu beeidigen iſt 1). Ebenſo ſind in Civilprozeſſen Zeugen, welche zur Verweigerung des Zeugniſſes berechtigt ſind, weil ſie Angehörige einer Partei ſind, oder welche die Auskunft über Fragen ablehnen dürfen, deren Beantwortung ihnen oder einem ihrer Angehörigen einen unmittelbaren Vermögens-Schaden verurſachen, oder zur Unehre gereichen oder die Gefahr ſtrafgerichtlicher Verfolgung zu- ziehen würde, welche deſſenungeachtet aber eine Zeugenausſage machen, von der Eidesleiſtung frei; das Prozeßgericht kann je- doch ihre nachträgliche Beeidigung anordnen 2). d) In Civilprozeſſen können die Parteien auf die Beeidigung von Zeugen verzichten 3). Die unberechtigte Weigerung der Leiſtung des Zeugeneides hat ganz dieſelben Rechtsfolgen wie die unberechtigte Verweigerung der Ausſage, nämlich Verurtheilung zu den durch die Eidesver- weigerung verurſachten Koſten, Geldſtrafe bis zu 300 M., an deren Stelle im Unvermögensfall Haft bis zu ſechs Wochen tritt, und nach Ermeſſen des Gerichts Haft zur Erzwingung der Eides- leiſtung 4). VI. Die Gegenleiſtung des Staates. Die Zeugen- pflicht iſt nicht unentgeltlich zu erfüllen. Jeder Zeuge ohne Unterſchied des Berufes, Alters oder Geſchlechts erhält auf ſei- nen Antrag eine Entſchädigung für Zeitverſäumniß, wofern mit der letzteren nach der Lebensſtellung des Zeugen eine Beeinträch- tigung ſeines Erwerbes verbunden iſt 5). Wenn das Erſcheinen des Zeugen eine Reiſe erforderlich macht, ſo hat er außerdem An- ſpruch auf Erſtattung der Koſten, welche durch die Reiſe und den 1) Strafproz.O. §. 57. 2) Civilproz.O. §. 358 Ziff. 3. 3) Civilproz.O. §. 356 Abſ. 2. 4) Civilpr.O. §. 355. Strafproz.O. §. 69. 5) Gebührenordnung v. 30. Juni 1878 §. 2. 5. 12*

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/189>, abgerufen am 22.11.2024.