Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.§. 103. Die Rechtsanwaltschaft. hier nur diejenigen Punkte hervorgehoben und erörtert werden,welche das öffentliche Recht betreffen; eine vollständige Dar- stellung der Rechtsanwalts-Ordnung gehört nicht in den Rahmen des Reichsstaatsrechts; ebensowenig das Verhältniß zwischen Rechtsanwalt und Partei. Das staatsrechtliche Interesse beruht auf dem engen Zusam- Wenn gesagt wird, der Rechtsanwalt bekleide ein öffentliches 1) Beides wird ausdrücklich bestätigt im Strafgesetzbuch §. 31. Abs. 2. u
§. 359. Siehe oben Bd. I. S. 384. §. 103. Die Rechtsanwaltſchaft. hier nur diejenigen Punkte hervorgehoben und erörtert werden,welche das öffentliche Recht betreffen; eine vollſtändige Dar- ſtellung der Rechtsanwalts-Ordnung gehört nicht in den Rahmen des Reichsſtaatsrechts; ebenſowenig das Verhältniß zwiſchen Rechtsanwalt und Partei. Das ſtaatsrechtliche Intereſſe beruht auf dem engen Zuſam- Wenn geſagt wird, der Rechtsanwalt bekleide ein öffentliches 1) Beides wird ausdrücklich beſtätigt im Strafgeſetzbuch §. 31. Abſ. 2. u
§. 359. Siehe oben Bd. I. S. 384. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0120" n="110"/><fw place="top" type="header">§. 103. Die Rechtsanwaltſchaft.</fw><lb/> hier nur diejenigen Punkte hervorgehoben und erörtert werden,<lb/> welche das <hi rendition="#g">öffentliche</hi> Recht betreffen; eine vollſtändige Dar-<lb/> ſtellung der Rechtsanwalts-Ordnung gehört nicht in den Rahmen<lb/> des Reichs<hi rendition="#g">ſtaats</hi>rechts; ebenſowenig das Verhältniß zwiſchen<lb/> Rechtsanwalt und Partei.</p><lb/> <p>Das ſtaatsrechtliche Intereſſe beruht auf dem engen Zuſam-<lb/> menhange der Anwaltſchaftsordnung mit der Gerichtsverfaſſung<lb/> und in Folge deſſen mit den ſtaatlichen Hoheitsrechten. In dieſer<lb/> Beziehung hat nun aber die Organiſation der Rechtsanwaltſchaft<lb/> einen höchſt eigenthümlichen Charakter, der ſich aus einer eigen-<lb/> artigen Doppelſtellung des Rechtsanwalts herleitet. In dem<lb/> Berufe des Rechtsanwalts ſind zwei Stellungen verbunden, die<lb/> ſonſt ganz getrennt ſind, ja meiſtens unvereinbar ſcheinen, nämlich<lb/> die Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes und der Betrieb eines<lb/> Privatgewerbes; freilich decken ſich beide nicht vollkommen; das<lb/> Geſchäft des Rechtsanwalts umfaßt auch Vieles Andere als die<lb/> Ausübung öffentlich rechtlicher Functionen, aber immerhin bildet<lb/> dieſe den wichtigſten Theil ſeines Gewerbes.</p><lb/> <p>Wenn geſagt wird, der Rechtsanwalt bekleide ein öffentliches<lb/> Amt, ſo muß daran erinnert werden, was oben Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 383 ff.<lb/> bereits ausgeführt worden iſt, daß der Begriff des Amtes und der-<lb/> jenige des Beamten keineswegs zuſammenfallen. Der Rechtsan-<lb/> walt hat ein öffentliches Amt und er iſt doch kein Beamter <note place="foot" n="1)">Beides wird ausdrücklich beſtätigt im Strafgeſetzbuch §. 31. Abſ. 2. u<lb/> §. 359. Siehe oben Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 384.</note>; er<lb/> verſieht ſein Amt nicht kraft einer <hi rendition="#g">Dienſtpflicht</hi>, ſondern er<lb/> macht aus der Uebernahme des Amtes ein <hi rendition="#g">Gewerbe</hi>. Auch<lb/> ſind die den Inhalt ſeiner Amtsthätigkeit bildenden Geſchäfte nicht<lb/> Staatsgeſchäfte im ſtricten Sinne; ſie gehören nicht zur Verwal-<lb/> tung der ſtaatlichen Herrſchaftsrechte, zur unmittelbaren Verwirk-<lb/> lichung der ſtaatlichen Aufgaben; der Rechtsanwalt hat überhaupt<lb/> nicht Geſchäfte des Staates als eines individuellen Rechts<hi rendition="#g">ſubjects</hi><lb/> wahrzunehmen, wol aber Geſchäfte, die in der objectiven Rechts-<lb/> ordnung des Staats als nothwendig zur Durchführung der ſtaat-<lb/> lichen Aufgaben vorausgeſetzt und begründet ſind. Die Prozeß-<lb/> ordnungen des Reiches ſetzen nämlich die Theilnahme von Rechts-<lb/> anwälten an der Führung der Prozeſſe voraus. Die Civilprozeß-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0120]
§. 103. Die Rechtsanwaltſchaft.
hier nur diejenigen Punkte hervorgehoben und erörtert werden,
welche das öffentliche Recht betreffen; eine vollſtändige Dar-
ſtellung der Rechtsanwalts-Ordnung gehört nicht in den Rahmen
des Reichsſtaatsrechts; ebenſowenig das Verhältniß zwiſchen
Rechtsanwalt und Partei.
Das ſtaatsrechtliche Intereſſe beruht auf dem engen Zuſam-
menhange der Anwaltſchaftsordnung mit der Gerichtsverfaſſung
und in Folge deſſen mit den ſtaatlichen Hoheitsrechten. In dieſer
Beziehung hat nun aber die Organiſation der Rechtsanwaltſchaft
einen höchſt eigenthümlichen Charakter, der ſich aus einer eigen-
artigen Doppelſtellung des Rechtsanwalts herleitet. In dem
Berufe des Rechtsanwalts ſind zwei Stellungen verbunden, die
ſonſt ganz getrennt ſind, ja meiſtens unvereinbar ſcheinen, nämlich
die Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes und der Betrieb eines
Privatgewerbes; freilich decken ſich beide nicht vollkommen; das
Geſchäft des Rechtsanwalts umfaßt auch Vieles Andere als die
Ausübung öffentlich rechtlicher Functionen, aber immerhin bildet
dieſe den wichtigſten Theil ſeines Gewerbes.
Wenn geſagt wird, der Rechtsanwalt bekleide ein öffentliches
Amt, ſo muß daran erinnert werden, was oben Bd. I. S. 383 ff.
bereits ausgeführt worden iſt, daß der Begriff des Amtes und der-
jenige des Beamten keineswegs zuſammenfallen. Der Rechtsan-
walt hat ein öffentliches Amt und er iſt doch kein Beamter 1); er
verſieht ſein Amt nicht kraft einer Dienſtpflicht, ſondern er
macht aus der Uebernahme des Amtes ein Gewerbe. Auch
ſind die den Inhalt ſeiner Amtsthätigkeit bildenden Geſchäfte nicht
Staatsgeſchäfte im ſtricten Sinne; ſie gehören nicht zur Verwal-
tung der ſtaatlichen Herrſchaftsrechte, zur unmittelbaren Verwirk-
lichung der ſtaatlichen Aufgaben; der Rechtsanwalt hat überhaupt
nicht Geſchäfte des Staates als eines individuellen Rechtsſubjects
wahrzunehmen, wol aber Geſchäfte, die in der objectiven Rechts-
ordnung des Staats als nothwendig zur Durchführung der ſtaat-
lichen Aufgaben vorausgeſetzt und begründet ſind. Die Prozeß-
ordnungen des Reiches ſetzen nämlich die Theilnahme von Rechts-
anwälten an der Führung der Prozeſſe voraus. Die Civilprozeß-
1) Beides wird ausdrücklich beſtätigt im Strafgeſetzbuch §. 31. Abſ. 2. u
§. 359. Siehe oben Bd. I. S. 384.
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