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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 82. Die Festungen und Kriegshäfen.

3. Die militairische Verfügung über die Festungen
und Kriegshäfen steht dem Kaiser zu. Es ergiebt sich dies schon
aus dem allgemeinen Grundsatz, daß alle Truppen, also auch die
Besatzungstruppen, seinen Befehlen unbedingte Folge zu leisten
haben. Das ihm zustehende Dislokationsrecht ermächtigt ihn, die
zur Besatzung zu verwendenden Truppentheile aus allen Kontingen-
ten zu wählen 1) und der Art und Zahl nach zu bestimmen. Ferner
erstreckt sich die ihm nach allgemeinen Verfassungsprinzipien obliegende
Beaufsichtigung (R.V. Art. 4 Ziff. 14), sowie das ihm speziell
eingeräumte Recht der Inspektion und das Recht die Abstellung
der vorgefundenen Mängel anzuordnen (R.V. Art. 63 Abs. 3) nicht
nur auf die Truppen selbst, sondern auch auf die gesammte Aus-
rüstung und alle militairischen Anstalten, folglich auch auf die
Festungen, ihren baulichen Zustand, ihre Armirung, Verprovianti-
rung u. s. w. Wegen der Wichtigkeit der Festungen ist zur Siche-
rung dieser im militairischen Oberbefehl enthaltenen Befugnisse dem
Kaiser das Recht eingeräumt, alle Festungskommandanten
zu ernennen 2). Hierdurch ist aber in Verbindung mit Art. 68 der
R.V. noch ein weiteres, sehr eingreifendes Recht gegeben. Mit
der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungszustandes geht
nämlich die vollziehende Gewalt an den Festungskommandanten
über, und ebenso die höhere Militairgerichtsbarkeit über sämmtliche
zur Besatzung gehörende Militairpersonen aller Kontingente 3).

Die vorstehend aufgeführten Rechtssätze haben für Bayern
keine Geltung; alle militairischen Oberbefehlshaber-Rechte des Kaisers

und VII dieses Gesetzes die im Art. I aufgezählten Festungen, unter denen
sich auch Ingolstadt befindet, als Reichsfestungen bezeichnet werden,
beruht auf einem Irrthum. Art. VII enthält gar keine Bezugnahme auf Art. I,
und Art. IV enthält eine Bestimmung lediglich über diejenigen im Art. I
genannten Festungen, welche Reichsfestungen sind, sagt aber nicht, daß
alle im Art. I aufgeführten Festungen diese Eigenschaft haben.
1) Soweit durch Milit.-Konventionen die Ausübung des Dislokationsrechtes
eingeschränkt worden ist, sind grade die Festungen davon ausgenommen worden.
Siehe oben S. 39 Note 1.
2) R.V. Art. 64 Abs. 2. Nur über die Ernennung der Kommandanten
der in Württemberg gelegenen festen Plätze hat der Kaiser sich vorher mit
dem König von W. in Vernehmen zu setzen. Mil.-Konv. Art. 7. Ueber Ulm
siehe unten Nro. 5.
3) Ges. über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 §§. 1; 2 Abs. 3;
4; 7. Vgl. oben S. 44.
§. 82. Die Feſtungen und Kriegshäfen.

3. Die militairiſche Verfügung über die Feſtungen
und Kriegshäfen ſteht dem Kaiſer zu. Es ergiebt ſich dies ſchon
aus dem allgemeinen Grundſatz, daß alle Truppen, alſo auch die
Beſatzungstruppen, ſeinen Befehlen unbedingte Folge zu leiſten
haben. Das ihm zuſtehende Dislokationsrecht ermächtigt ihn, die
zur Beſatzung zu verwendenden Truppentheile aus allen Kontingen-
ten zu wählen 1) und der Art und Zahl nach zu beſtimmen. Ferner
erſtreckt ſich die ihm nach allgemeinen Verfaſſungsprinzipien obliegende
Beaufſichtigung (R.V. Art. 4 Ziff. 14), ſowie das ihm ſpeziell
eingeräumte Recht der Inſpektion und das Recht die Abſtellung
der vorgefundenen Mängel anzuordnen (R.V. Art. 63 Abſ. 3) nicht
nur auf die Truppen ſelbſt, ſondern auch auf die geſammte Aus-
rüſtung und alle militairiſchen Anſtalten, folglich auch auf die
Feſtungen, ihren baulichen Zuſtand, ihre Armirung, Verprovianti-
rung u. ſ. w. Wegen der Wichtigkeit der Feſtungen iſt zur Siche-
rung dieſer im militairiſchen Oberbefehl enthaltenen Befugniſſe dem
Kaiſer das Recht eingeräumt, alle Feſtungskommandanten
zu ernennen 2). Hierdurch iſt aber in Verbindung mit Art. 68 der
R.V. noch ein weiteres, ſehr eingreifendes Recht gegeben. Mit
der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungszuſtandes geht
nämlich die vollziehende Gewalt an den Feſtungskommandanten
über, und ebenſo die höhere Militairgerichtsbarkeit über ſämmtliche
zur Beſatzung gehörende Militairperſonen aller Kontingente 3).

Die vorſtehend aufgeführten Rechtsſätze haben für Bayern
keine Geltung; alle militairiſchen Oberbefehlshaber-Rechte des Kaiſers

und VII dieſes Geſetzes die im Art. I aufgezählten Feſtungen, unter denen
ſich auch Ingolſtadt befindet, als Reichsfeſtungen bezeichnet werden,
beruht auf einem Irrthum. Art. VII enthält gar keine Bezugnahme auf Art. I,
und Art. IV enthält eine Beſtimmung lediglich über diejenigen im Art. I
genannten Feſtungen, welche Reichsfeſtungen ſind, ſagt aber nicht, daß
alle im Art. I aufgeführten Feſtungen dieſe Eigenſchaft haben.
1) Soweit durch Milit.-Konventionen die Ausübung des Dislokationsrechtes
eingeſchränkt worden iſt, ſind grade die Feſtungen davon ausgenommen worden.
Siehe oben S. 39 Note 1.
2) R.V. Art. 64 Abſ. 2. Nur über die Ernennung der Kommandanten
der in Württemberg gelegenen feſten Plätze hat der Kaiſer ſich vorher mit
dem König von W. in Vernehmen zu ſetzen. Mil.-Konv. Art. 7. Ueber Ulm
ſiehe unten Nro. 5.
3) Geſ. über den Belagerungszuſtand vom 4. Juni 1851 §§. 1; 2 Abſ. 3;
4; 7. Vgl. oben S. 44.
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[75/0085] §. 82. Die Feſtungen und Kriegshäfen. 3. Die militairiſche Verfügung über die Feſtungen und Kriegshäfen ſteht dem Kaiſer zu. Es ergiebt ſich dies ſchon aus dem allgemeinen Grundſatz, daß alle Truppen, alſo auch die Beſatzungstruppen, ſeinen Befehlen unbedingte Folge zu leiſten haben. Das ihm zuſtehende Dislokationsrecht ermächtigt ihn, die zur Beſatzung zu verwendenden Truppentheile aus allen Kontingen- ten zu wählen 1) und der Art und Zahl nach zu beſtimmen. Ferner erſtreckt ſich die ihm nach allgemeinen Verfaſſungsprinzipien obliegende Beaufſichtigung (R.V. Art. 4 Ziff. 14), ſowie das ihm ſpeziell eingeräumte Recht der Inſpektion und das Recht die Abſtellung der vorgefundenen Mängel anzuordnen (R.V. Art. 63 Abſ. 3) nicht nur auf die Truppen ſelbſt, ſondern auch auf die geſammte Aus- rüſtung und alle militairiſchen Anſtalten, folglich auch auf die Feſtungen, ihren baulichen Zuſtand, ihre Armirung, Verprovianti- rung u. ſ. w. Wegen der Wichtigkeit der Feſtungen iſt zur Siche- rung dieſer im militairiſchen Oberbefehl enthaltenen Befugniſſe dem Kaiſer das Recht eingeräumt, alle Feſtungskommandanten zu ernennen 2). Hierdurch iſt aber in Verbindung mit Art. 68 der R.V. noch ein weiteres, ſehr eingreifendes Recht gegeben. Mit der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungszuſtandes geht nämlich die vollziehende Gewalt an den Feſtungskommandanten über, und ebenſo die höhere Militairgerichtsbarkeit über ſämmtliche zur Beſatzung gehörende Militairperſonen aller Kontingente 3). Die vorſtehend aufgeführten Rechtsſätze haben für Bayern keine Geltung; alle militairiſchen Oberbefehlshaber-Rechte des Kaiſers 5) 1) Soweit durch Milit.-Konventionen die Ausübung des Dislokationsrechtes eingeſchränkt worden iſt, ſind grade die Feſtungen davon ausgenommen worden. Siehe oben S. 39 Note 1. 2) R.V. Art. 64 Abſ. 2. Nur über die Ernennung der Kommandanten der in Württemberg gelegenen feſten Plätze hat der Kaiſer ſich vorher mit dem König von W. in Vernehmen zu ſetzen. Mil.-Konv. Art. 7. Ueber Ulm ſiehe unten Nro. 5. 3) Geſ. über den Belagerungszuſtand vom 4. Juni 1851 §§. 1; 2 Abſ. 3; 4; 7. Vgl. oben S. 44. 5) und VII dieſes Geſetzes die im Art. I aufgezählten Feſtungen, unter denen ſich auch Ingolſtadt befindet, als Reichsfeſtungen bezeichnet werden, beruht auf einem Irrthum. Art. VII enthält gar keine Bezugnahme auf Art. I, und Art. IV enthält eine Beſtimmung lediglich über diejenigen im Art. I genannten Feſtungen, welche Reichsfeſtungen ſind, ſagt aber nicht, daß alle im Art. I aufgeführten Feſtungen dieſe Eigenſchaft haben.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/85>, abgerufen am 24.11.2024.