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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.
gegebenen Handlungen, wenn die bestehenden Gesetze keine höhere
Freiheitsstrafe bestimmen, Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre
androht.

d) Es kann ferner zur Anordnung von Kriegsgerichten
geschritten werden; die darüber getroffenen Bestimmungen müssen
aber entweder ausdrücklich in die Bekanntmachung über die Er-
klärung des Belagerungszustandes aufgenommen oder in einer be-
sonderen, unter der nämlichen Form bekannt zu machenden Ver-
ordnung verkündet werden (Ges. §. 5 Abs. 1) 1). Das Preußische
Gesetz verlangt zur Errichtung von Kriegsgerichten, daß zuvor oder
gleichzeitig der Art. 7 der Preuß. Verf.Urk. suspendirt werde 2);
in denjenigen außerpreußischen Staatsgebieten, in denen eine Ver-
fassungsbestimmung gleichen Inhaltes besteht, wird in analoger
Anwendung des Gesetzes die Suspension des betreffenden Ver-
fassungssatzes auszusprechen sein 3); wo es an einer solchen Ver-
fassungsbestimmung fehlt, ist die Einrichtung der Kriegsgerichte an
die Beobachtung dieser Formalität nicht gebunden. Der Art. 7
der Preuß. Verf.Urk. ist aber fast wörtlich im Art. 16 des Ge-
richtsverfassungsgesetzes wiederholt worden und hat sonach durch
die Erhebung zum Reichsgesetz seine landesgesetzliche Bedeutung
verloren. Da nun Art. 16 des Gerichtsverf.-Gesetzes ausdrücklich
die Ausnahme zufügt: "die gesetzlichen Bestimmungen über Kriegs-
gerichte werden hiervon nicht berührt", so erscheint eine ausdrück-
liche Suspension des Art. 7 der Preuß. V.U. bei Einrichtung der
Kriegsgerichte auch in Preußen nicht mehr nothwendig.

Vor die Kriegsgerichte gehört die Untersuchung und Aburthei-
lung der Verbrechen des Hochverraths, des Landesverraths, des
Mordes, des Aufruhrs, der thätlichen Widersetzung, der Zerstörung
von Eisenbahnen und Telegraphen, der Befreiung von Gefangenen,
der Meuterei, des Raubes, der Plünderung, der Erpressung, der

1) Die Einrichtung von Kriegsgerichten ohne Erklärung des Belagerungs-
zustandes ist unzulässig. §. 5 Abs. 2. Ihre Wirksamkeit hört mit der Be-
endigung des Belagerungszustandes ipso jure auf. §. 14.
2) Derselbe lautet: "Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen
werden. Ausnahmegerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft."
3) Dies bestimmt in der That ein bei Westerkamp über die Reichs-
verfass. S. 67 erwähnter allerh. Erlaß v. 22. Juli 1870, betreffend die Er-
richtung von General-Gouvernements, Nro. 6.

§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.
gegebenen Handlungen, wenn die beſtehenden Geſetze keine höhere
Freiheitsſtrafe beſtimmen, Gefängnißſtrafe bis zu Einem Jahre
androht.

δ) Es kann ferner zur Anordnung von Kriegsgerichten
geſchritten werden; die darüber getroffenen Beſtimmungen müſſen
aber entweder ausdrücklich in die Bekanntmachung über die Er-
klärung des Belagerungszuſtandes aufgenommen oder in einer be-
ſonderen, unter der nämlichen Form bekannt zu machenden Ver-
ordnung verkündet werden (Geſ. §. 5 Abſ. 1) 1). Das Preußiſche
Geſetz verlangt zur Errichtung von Kriegsgerichten, daß zuvor oder
gleichzeitig der Art. 7 der Preuß. Verf.Urk. ſuſpendirt werde 2);
in denjenigen außerpreußiſchen Staatsgebieten, in denen eine Ver-
faſſungsbeſtimmung gleichen Inhaltes beſteht, wird in analoger
Anwendung des Geſetzes die Suspenſion des betreffenden Ver-
faſſungsſatzes auszuſprechen ſein 3); wo es an einer ſolchen Ver-
faſſungsbeſtimmung fehlt, iſt die Einrichtung der Kriegsgerichte an
die Beobachtung dieſer Formalität nicht gebunden. Der Art. 7
der Preuß. Verf.Urk. iſt aber faſt wörtlich im Art. 16 des Ge-
richtsverfaſſungsgeſetzes wiederholt worden und hat ſonach durch
die Erhebung zum Reichsgeſetz ſeine landesgeſetzliche Bedeutung
verloren. Da nun Art. 16 des Gerichtsverf.-Geſetzes ausdrücklich
die Ausnahme zufügt: „die geſetzlichen Beſtimmungen über Kriegs-
gerichte werden hiervon nicht berührt“, ſo erſcheint eine ausdrück-
liche Suſpenſion des Art. 7 der Preuß. V.U. bei Einrichtung der
Kriegsgerichte auch in Preußen nicht mehr nothwendig.

Vor die Kriegsgerichte gehört die Unterſuchung und Aburthei-
lung der Verbrechen des Hochverraths, des Landesverraths, des
Mordes, des Aufruhrs, der thätlichen Widerſetzung, der Zerſtörung
von Eiſenbahnen und Telegraphen, der Befreiung von Gefangenen,
der Meuterei, des Raubes, der Plünderung, der Erpreſſung, der

1) Die Einrichtung von Kriegsgerichten ohne Erklärung des Belagerungs-
zuſtandes iſt unzuläſſig. §. 5 Abſ. 2. Ihre Wirkſamkeit hört mit der Be-
endigung des Belagerungszuſtandes ipso jure auf. §. 14.
2) Derſelbe lautet: „Niemand darf ſeinem geſetzlichen Richter entzogen
werden. Ausnahmegerichte und außerordentliche Kommiſſionen ſind unſtatthaft.“
3) Dies beſtimmt in der That ein bei Weſterkamp über die Reichs-
verfaſſ. S. 67 erwähnter allerh. Erlaß v. 22. Juli 1870, betreffend die Er-
richtung von General-Gouvernements, Nro. 6.
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[45/0055] §. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches. gegebenen Handlungen, wenn die beſtehenden Geſetze keine höhere Freiheitsſtrafe beſtimmen, Gefängnißſtrafe bis zu Einem Jahre androht. δ) Es kann ferner zur Anordnung von Kriegsgerichten geſchritten werden; die darüber getroffenen Beſtimmungen müſſen aber entweder ausdrücklich in die Bekanntmachung über die Er- klärung des Belagerungszuſtandes aufgenommen oder in einer be- ſonderen, unter der nämlichen Form bekannt zu machenden Ver- ordnung verkündet werden (Geſ. §. 5 Abſ. 1) 1). Das Preußiſche Geſetz verlangt zur Errichtung von Kriegsgerichten, daß zuvor oder gleichzeitig der Art. 7 der Preuß. Verf.Urk. ſuſpendirt werde 2); in denjenigen außerpreußiſchen Staatsgebieten, in denen eine Ver- faſſungsbeſtimmung gleichen Inhaltes beſteht, wird in analoger Anwendung des Geſetzes die Suspenſion des betreffenden Ver- faſſungsſatzes auszuſprechen ſein 3); wo es an einer ſolchen Ver- faſſungsbeſtimmung fehlt, iſt die Einrichtung der Kriegsgerichte an die Beobachtung dieſer Formalität nicht gebunden. Der Art. 7 der Preuß. Verf.Urk. iſt aber faſt wörtlich im Art. 16 des Ge- richtsverfaſſungsgeſetzes wiederholt worden und hat ſonach durch die Erhebung zum Reichsgeſetz ſeine landesgeſetzliche Bedeutung verloren. Da nun Art. 16 des Gerichtsverf.-Geſetzes ausdrücklich die Ausnahme zufügt: „die geſetzlichen Beſtimmungen über Kriegs- gerichte werden hiervon nicht berührt“, ſo erſcheint eine ausdrück- liche Suſpenſion des Art. 7 der Preuß. V.U. bei Einrichtung der Kriegsgerichte auch in Preußen nicht mehr nothwendig. Vor die Kriegsgerichte gehört die Unterſuchung und Aburthei- lung der Verbrechen des Hochverraths, des Landesverraths, des Mordes, des Aufruhrs, der thätlichen Widerſetzung, der Zerſtörung von Eiſenbahnen und Telegraphen, der Befreiung von Gefangenen, der Meuterei, des Raubes, der Plünderung, der Erpreſſung, der 1) Die Einrichtung von Kriegsgerichten ohne Erklärung des Belagerungs- zuſtandes iſt unzuläſſig. §. 5 Abſ. 2. Ihre Wirkſamkeit hört mit der Be- endigung des Belagerungszuſtandes ipso jure auf. §. 14. 2) Derſelbe lautet: „Niemand darf ſeinem geſetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte und außerordentliche Kommiſſionen ſind unſtatthaft.“ 3) Dies beſtimmt in der That ein bei Weſterkamp über die Reichs- verfaſſ. S. 67 erwähnter allerh. Erlaß v. 22. Juli 1870, betreffend die Er- richtung von General-Gouvernements, Nro. 6.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/55>, abgerufen am 24.11.2024.