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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.

b) Form der Verkündigung. Unter der Verkündigung
ist nicht zu verstehen die Publikation der kaiserl. Verordnung im
staatsrechtlichen Sinne (vgl. Bd. II S. 54 fg. 90 fg.); dieselbe
ist in allen Fällen durch Abdruck im Reichsgesetzblatt zu bewirken;
sondern die faktische Kundmachung an die von der Verhängung
des Kriegszustandes betroffene Bevölkerung. Die Erklärung des
Belagerungszustandes ist "zur allgemeinen Kenntniß" zu bringen
durch Verlesung der kaiserl. Verordnung bei Trommelschlag oder
Trompetenschall und außerdem durch Mittheilung an die Ge-
meindebehörde, durch Anschlag an den öffentlichen Plätzen und
durch öffentliche Blätter (Ges. §. 3). Daß die drei zuletzt erwähn-
ten Bekanntmachungsarten sämmtlich angewendet werden, ist zwar
nicht erforderlich, dagegen ist es nach dem Wortlaut des Gesetzes
unerläßlich, daß die Verkündigung bei Trommelschlag oder Trom-
petenschall erfolgt und wenigstens mit einer der 3 anderen Be-
kanntmachungsformen combinirt werde. Aus dieser Vorschrift über
die Bekanntmachungsform ergiebt sich übrigens, daß die Erklärung
in jeder einzelnen Gemeinde zur allgemeinen Kenntniß ge-
bracht werden muß und daß daher in Ortschaften, welche vom Feinde
bereits besetzt sind, die Erklärung des Belagerungszustandes nicht
wirksam erfolgen kann.

c) Die Wirkungen der Verhängung des Kriegszustandes
sind folgende:

a) "Mit der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungs-
zustandes geht die vollziehende Gewalt an die Militairbe-

setzungen der Verhängung des Belagerungszustandes betreffen und weil sie
durch die ausdrückliche Anordnung im Art. 68 der R.V., daß der Kaiser den
Kriegszustand zu erklären habe, beseitigt sind. Die Behauptung von Rönne's
S. 84 Note 1, daß sie im Preuß. Staatsgebiete Geltung haben, im außer-
preußischen nicht, ist gänzlich unbegründet und steht im Widerspruch mit dem
Grundsatz, daß Reichsgesetze (nämlich Art. 68 der R.V.) den Landesgesetzen
vorgehen, sowie mit dem Prinzip der Einheitlichkeit des Militairrechts. Thu-
dichum
Verf.R. des Nordd. Bundes S. 293 hält diese Bestimmungen des
Preuß. Gesetzes im ganzen Bundesgebiet für anwendbar, was sich durch Art. 68
der R.V. widerlegt. In dem einzigen Falle, in welchem bisher von Art. 68
Gebrauch gemacht worden ist, erfolgte die Erklärung des Belagerungszustandes
sowohl in Preußen als außerhalb Preußens durch Bundespräsidial-Verordnung
vom 21. Juli 1870 (B.G.Bl S. 503), welche vom Bundeskanzler contra-
signirt ist.
§. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches.

b) Form der Verkündigung. Unter der Verkündigung
iſt nicht zu verſtehen die Publikation der kaiſerl. Verordnung im
ſtaatsrechtlichen Sinne (vgl. Bd. II S. 54 fg. 90 fg.); dieſelbe
iſt in allen Fällen durch Abdruck im Reichsgeſetzblatt zu bewirken;
ſondern die faktiſche Kundmachung an die von der Verhängung
des Kriegszuſtandes betroffene Bevölkerung. Die Erklärung des
Belagerungszuſtandes iſt „zur allgemeinen Kenntniß“ zu bringen
durch Verleſung der kaiſerl. Verordnung bei Trommelſchlag oder
Trompetenſchall und außerdem durch Mittheilung an die Ge-
meindebehörde, durch Anſchlag an den öffentlichen Plätzen und
durch öffentliche Blätter (Geſ. §. 3). Daß die drei zuletzt erwähn-
ten Bekanntmachungsarten ſämmtlich angewendet werden, iſt zwar
nicht erforderlich, dagegen iſt es nach dem Wortlaut des Geſetzes
unerläßlich, daß die Verkündigung bei Trommelſchlag oder Trom-
petenſchall erfolgt und wenigſtens mit einer der 3 anderen Be-
kanntmachungsformen combinirt werde. Aus dieſer Vorſchrift über
die Bekanntmachungsform ergiebt ſich übrigens, daß die Erklärung
in jeder einzelnen Gemeinde zur allgemeinen Kenntniß ge-
bracht werden muß und daß daher in Ortſchaften, welche vom Feinde
bereits beſetzt ſind, die Erklärung des Belagerungszuſtandes nicht
wirkſam erfolgen kann.

c) Die Wirkungen der Verhängung des Kriegszuſtandes
ſind folgende:

α) „Mit der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungs-
zuſtandes geht die vollziehende Gewalt an die Militairbe-

ſetzungen der Verhängung des Belagerungszuſtandes betreffen und weil ſie
durch die ausdrückliche Anordnung im Art. 68 der R.V., daß der Kaiſer den
Kriegszuſtand zu erklären habe, beſeitigt ſind. Die Behauptung von Rönne’s
S. 84 Note 1, daß ſie im Preuß. Staatsgebiete Geltung haben, im außer-
preußiſchen nicht, iſt gänzlich unbegründet und ſteht im Widerſpruch mit dem
Grundſatz, daß Reichsgeſetze (nämlich Art. 68 der R.V.) den Landesgeſetzen
vorgehen, ſowie mit dem Prinzip der Einheitlichkeit des Militairrechts. Thu-
dichum
Verf.R. des Nordd. Bundes S. 293 hält dieſe Beſtimmungen des
Preuß. Geſetzes im ganzen Bundesgebiet für anwendbar, was ſich durch Art. 68
der R.V. widerlegt. In dem einzigen Falle, in welchem bisher von Art. 68
Gebrauch gemacht worden iſt, erfolgte die Erklärung des Belagerungszuſtandes
ſowohl in Preußen als außerhalb Preußens durch Bundespräſidial-Verordnung
vom 21. Juli 1870 (B.G.Bl S. 503), welche vom Bundeskanzler contra-
ſignirt iſt.
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[43/0053] §. 79. Der Oberbefehl über die bewaffnete Macht des Reiches. b) Form der Verkündigung. Unter der Verkündigung iſt nicht zu verſtehen die Publikation der kaiſerl. Verordnung im ſtaatsrechtlichen Sinne (vgl. Bd. II S. 54 fg. 90 fg.); dieſelbe iſt in allen Fällen durch Abdruck im Reichsgeſetzblatt zu bewirken; ſondern die faktiſche Kundmachung an die von der Verhängung des Kriegszuſtandes betroffene Bevölkerung. Die Erklärung des Belagerungszuſtandes iſt „zur allgemeinen Kenntniß“ zu bringen durch Verleſung der kaiſerl. Verordnung bei Trommelſchlag oder Trompetenſchall und außerdem durch Mittheilung an die Ge- meindebehörde, durch Anſchlag an den öffentlichen Plätzen und durch öffentliche Blätter (Geſ. §. 3). Daß die drei zuletzt erwähn- ten Bekanntmachungsarten ſämmtlich angewendet werden, iſt zwar nicht erforderlich, dagegen iſt es nach dem Wortlaut des Geſetzes unerläßlich, daß die Verkündigung bei Trommelſchlag oder Trom- petenſchall erfolgt und wenigſtens mit einer der 3 anderen Be- kanntmachungsformen combinirt werde. Aus dieſer Vorſchrift über die Bekanntmachungsform ergiebt ſich übrigens, daß die Erklärung in jeder einzelnen Gemeinde zur allgemeinen Kenntniß ge- bracht werden muß und daß daher in Ortſchaften, welche vom Feinde bereits beſetzt ſind, die Erklärung des Belagerungszuſtandes nicht wirkſam erfolgen kann. c) Die Wirkungen der Verhängung des Kriegszuſtandes ſind folgende: α) „Mit der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungs- zuſtandes geht die vollziehende Gewalt an die Militairbe- 4) 4) ſetzungen der Verhängung des Belagerungszuſtandes betreffen und weil ſie durch die ausdrückliche Anordnung im Art. 68 der R.V., daß der Kaiſer den Kriegszuſtand zu erklären habe, beſeitigt ſind. Die Behauptung von Rönne’s S. 84 Note 1, daß ſie im Preuß. Staatsgebiete Geltung haben, im außer- preußiſchen nicht, iſt gänzlich unbegründet und ſteht im Widerſpruch mit dem Grundſatz, daß Reichsgeſetze (nämlich Art. 68 der R.V.) den Landesgeſetzen vorgehen, ſowie mit dem Prinzip der Einheitlichkeit des Militairrechts. Thu- dichum Verf.R. des Nordd. Bundes S. 293 hält dieſe Beſtimmungen des Preuß. Geſetzes im ganzen Bundesgebiet für anwendbar, was ſich durch Art. 68 der R.V. widerlegt. In dem einzigen Falle, in welchem bisher von Art. 68 Gebrauch gemacht worden iſt, erfolgte die Erklärung des Belagerungszuſtandes ſowohl in Preußen als außerhalb Preußens durch Bundespräſidial-Verordnung vom 21. Juli 1870 (B.G.Bl S. 503), welche vom Bundeskanzler contra- ſignirt iſt.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/53>, abgerufen am 24.11.2024.