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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen.
zu betrachten. Die älteren Konventionen von 1867 und 1868 sind
mit dem "Könige von Preußen", diejenigen der Hansestädte mit
der "Königl. Preußischen Regierung" abgeschlossen worden, dagegen
ist die Konvention von Baden mit dem "König von Preußen als
Bundesfeldherrn", und alle übrigen seit der Gründung des Reiches
verfaßten Konventionen sind mit dem "Deutschen Kaiser und König
von Preußen" contrahirt 1). Aus der Wahl dieser Bezeichnung
allein ist nicht zu entnehmen, in welcher rechtlichen Eigenschaft der
Kaiser und König den Vertrag geschlossen hat und ob demgemäß
das Reich oder Preußen als das Subjekt der aus dem Vertrage
hervorgehenden Rechte und Pflichten zu erachten ist; vielmehr ist
der Inhalt der Abrede dafür entscheidend. Das Verhältniß der
Einzelstaaten zum Reich, insbesondere die Anwendung und Aus-
führung der in der Reichsverfassung dem Kaiser übertragenen
Rechte, kann nicht durch einen Staatsvertrag des Königs von
Preußen, sondern nur durch einen Willensact des Kaisers normirt
werden; andererseits kann die Aufnahme der Truppen deutscher
Bundesstaaten in die Kontingentsgemeinschaft und Verwaltung der
Preußischen Armee und die Feststellung der Modalitäten, unter
welchen diese Aufnahme erfolgt, nicht vom Deutschen Kaiser, son-
dern allein vom Könige von Preußen erfolgen 2).

3. Von Wichtigkeit wird die hervorgehobene Unterscheidung
aber namentlich hinsichtlich der Erfordernisse der Gültigkeit und
der rechtlichen Wirkungen der Konventionen.

a) Insoweit der Inhalt derselben in den Bereich der Auto-
nomie
der Einzelstaaten fällt, ist die Genehmigung des Bundes-
rathes und des Reichstages nicht erforderlich, da die Rechte des

1) Ausgenommen die Konvention mit Waldeck vom 24. November 1877,
welche vom "König von Preußen" mit dem Fürsten vereinbart ist; in den
einzelnen Artikeln begegnet man aber wiederholt dem "Deutschen Kaiser."
2) Die Annahme, daß einzelne Staaten ihre Militairhoheitsrechte nicht
Preußen, sondern dem Reiche (Kaiser) cedirt haben, würde zu einer übermäßig
verwickelten Konstruktion führen; denn da das Reich eine eigene Militair-
verwaltung nicht hat, so müßte man unterstellen, daß 1) das Reich durch die
Reichsverfassung den Einzelstaaten die Selbstverwaltung ihrer Kontingente zu-
gewiesen, daß 2) die Einzelstaaten diese Befugniß dem Reich abgetreten, daß
3) das Reich wieder die Ausübung derselben Preußen übertragen habe und
man müßte dabei ferner annehmen, daß das Letztere durch eine stillschweigende
Uebereinkunft geschehen sei.

§. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen.
zu betrachten. Die älteren Konventionen von 1867 und 1868 ſind
mit dem „Könige von Preußen“, diejenigen der Hanſeſtädte mit
der „Königl. Preußiſchen Regierung“ abgeſchloſſen worden, dagegen
iſt die Konvention von Baden mit dem „König von Preußen als
Bundesfeldherrn“, und alle übrigen ſeit der Gründung des Reiches
verfaßten Konventionen ſind mit dem „Deutſchen Kaiſer und König
von Preußen“ contrahirt 1). Aus der Wahl dieſer Bezeichnung
allein iſt nicht zu entnehmen, in welcher rechtlichen Eigenſchaft der
Kaiſer und König den Vertrag geſchloſſen hat und ob demgemäß
das Reich oder Preußen als das Subjekt der aus dem Vertrage
hervorgehenden Rechte und Pflichten zu erachten iſt; vielmehr iſt
der Inhalt der Abrede dafür entſcheidend. Das Verhältniß der
Einzelſtaaten zum Reich, insbeſondere die Anwendung und Aus-
führung der in der Reichsverfaſſung dem Kaiſer übertragenen
Rechte, kann nicht durch einen Staatsvertrag des Königs von
Preußen, ſondern nur durch einen Willensact des Kaiſers normirt
werden; andererſeits kann die Aufnahme der Truppen deutſcher
Bundesſtaaten in die Kontingentsgemeinſchaft und Verwaltung der
Preußiſchen Armee und die Feſtſtellung der Modalitäten, unter
welchen dieſe Aufnahme erfolgt, nicht vom Deutſchen Kaiſer, ſon-
dern allein vom Könige von Preußen erfolgen 2).

3. Von Wichtigkeit wird die hervorgehobene Unterſcheidung
aber namentlich hinſichtlich der Erforderniſſe der Gültigkeit und
der rechtlichen Wirkungen der Konventionen.

a) Inſoweit der Inhalt derſelben in den Bereich der Auto-
nomie
der Einzelſtaaten fällt, iſt die Genehmigung des Bundes-
rathes und des Reichstages nicht erforderlich, da die Rechte des

1) Ausgenommen die Konvention mit Waldeck vom 24. November 1877,
welche vom „König von Preußen“ mit dem Fürſten vereinbart iſt; in den
einzelnen Artikeln begegnet man aber wiederholt dem „Deutſchen Kaiſer.“
2) Die Annahme, daß einzelne Staaten ihre Militairhoheitsrechte nicht
Preußen, ſondern dem Reiche (Kaiſer) cedirt haben, würde zu einer übermäßig
verwickelten Konſtruktion führen; denn da das Reich eine eigene Militair-
verwaltung nicht hat, ſo müßte man unterſtellen, daß 1) das Reich durch die
Reichsverfaſſung den Einzelſtaaten die Selbſtverwaltung ihrer Kontingente zu-
gewieſen, daß 2) die Einzelſtaaten dieſe Befugniß dem Reich abgetreten, daß
3) das Reich wieder die Ausübung derſelben Preußen übertragen habe und
man müßte dabei ferner annehmen, daß das Letztere durch eine ſtillſchweigende
Uebereinkunft geſchehen ſei.
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[28/0038] §. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen. zu betrachten. Die älteren Konventionen von 1867 und 1868 ſind mit dem „Könige von Preußen“, diejenigen der Hanſeſtädte mit der „Königl. Preußiſchen Regierung“ abgeſchloſſen worden, dagegen iſt die Konvention von Baden mit dem „König von Preußen als Bundesfeldherrn“, und alle übrigen ſeit der Gründung des Reiches verfaßten Konventionen ſind mit dem „Deutſchen Kaiſer und König von Preußen“ contrahirt 1). Aus der Wahl dieſer Bezeichnung allein iſt nicht zu entnehmen, in welcher rechtlichen Eigenſchaft der Kaiſer und König den Vertrag geſchloſſen hat und ob demgemäß das Reich oder Preußen als das Subjekt der aus dem Vertrage hervorgehenden Rechte und Pflichten zu erachten iſt; vielmehr iſt der Inhalt der Abrede dafür entſcheidend. Das Verhältniß der Einzelſtaaten zum Reich, insbeſondere die Anwendung und Aus- führung der in der Reichsverfaſſung dem Kaiſer übertragenen Rechte, kann nicht durch einen Staatsvertrag des Königs von Preußen, ſondern nur durch einen Willensact des Kaiſers normirt werden; andererſeits kann die Aufnahme der Truppen deutſcher Bundesſtaaten in die Kontingentsgemeinſchaft und Verwaltung der Preußiſchen Armee und die Feſtſtellung der Modalitäten, unter welchen dieſe Aufnahme erfolgt, nicht vom Deutſchen Kaiſer, ſon- dern allein vom Könige von Preußen erfolgen 2). 3. Von Wichtigkeit wird die hervorgehobene Unterſcheidung aber namentlich hinſichtlich der Erforderniſſe der Gültigkeit und der rechtlichen Wirkungen der Konventionen. a) Inſoweit der Inhalt derſelben in den Bereich der Auto- nomie der Einzelſtaaten fällt, iſt die Genehmigung des Bundes- rathes und des Reichstages nicht erforderlich, da die Rechte des 1) Ausgenommen die Konvention mit Waldeck vom 24. November 1877, welche vom „König von Preußen“ mit dem Fürſten vereinbart iſt; in den einzelnen Artikeln begegnet man aber wiederholt dem „Deutſchen Kaiſer.“ 2) Die Annahme, daß einzelne Staaten ihre Militairhoheitsrechte nicht Preußen, ſondern dem Reiche (Kaiſer) cedirt haben, würde zu einer übermäßig verwickelten Konſtruktion führen; denn da das Reich eine eigene Militair- verwaltung nicht hat, ſo müßte man unterſtellen, daß 1) das Reich durch die Reichsverfaſſung den Einzelſtaaten die Selbſtverwaltung ihrer Kontingente zu- gewieſen, daß 2) die Einzelſtaaten dieſe Befugniß dem Reich abgetreten, daß 3) das Reich wieder die Ausübung derſelben Preußen übertragen habe und man müßte dabei ferner annehmen, daß das Letztere durch eine ſtillſchweigende Uebereinkunft geſchehen ſei.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/38>, abgerufen am 27.04.2024.