§. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen.
Sämmtliche Konventionen, von den drei genannten abgesehen, stimmen darin überein, daß durch dieselben die Einzelstaaten die ihnen zustehenden Militairhoheitsrechte ganz oder doch zum größten Theile dem Könige von Preußen zur Ausübung übertragen, und daß über die Verwaltung und Unterhaltung des Kontingents, über die Ernennung, Patentirung, Verabschiedung der Offiziere und Beamten, sowie über den Fahneneid, über Rekrutirungs- und Land- wehr-Angelegenheiten, militairgerichtliche und Disciplinar-Verhält- nisse, Besteuerung und andere Rechtsverhältnisse der Militairper- sonen, Garnison-Einrichtungen u. s. w. Abreden getroffen werden. Würden die Militair-Konventionen keinen andern Inhalt haben, so würde ihre rechtliche Würdigung keinerlei Schwierigkeiten unter- liegen; sie würden grade so wie die oben Bd. II S. 289 ff. be- sprochenen Postverträge und wie die unten zu erörternden Juris- dictions-Verträge lediglich als Bethätigung der den Einzelstaaten verbliebenen Autonomie zu erachten sein.
Der Umstand jedoch, daß alle diese Verträge von den einzelnen Bundesstaaten mit dem Könige von Preußen abgeschlossen worden sind und daß der letztere zugleich Bundesoberfeldherr beziehentl. Kaiser ist, war Veranlassung, daß sie noch einen Nebenbestandtheil enthalten, der sich nicht als zwischenstaatliches Rechtsgeschäft charakterisirt, sondern der das Rechtsverhältniß zwischen Einzelstaat und Reich betrifft. Während in der Hauptsache die Konventionen Rechte der Einzelstaaten an Preußen abtreten, enthält dieser Nebenbestandtheil, gleichsam als eine Art von Gegen-Concession, Beschränkungen der dem Kaiser zustehenden Befugnisse; nament- lich des Dislokationsrechtes und des Rechtes, die Formation und Gliederung der Kontingente zu bestimmen. Dieses Verhält- niß unterliegt natürlich nicht der Autonomie der Einzelstaaten. Wenn Festsetzungen über dasselbe in den Militair-Konventionen getroffen worden sind, so beruht dies auf dem engen thatsäch- lichen Zusammenhange zwischen den Militairhoheitsrechten des Reichs und den Militairhoheitsrechten der Einzelstaaten; für die rechtliche Beurtheilung aber ist es erforderlich, diese zwei staats- rechtlich verschiedenartigen Bestandtheile der Konventionen aus- einander zu halten.
2. Von diesem Gesichtspunkte aus sind zunächst die Rechts- subjekte, unter welchen die Konventionen abgeschlossen worden sind,
§. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen.
Sämmtliche Konventionen, von den drei genannten abgeſehen, ſtimmen darin überein, daß durch dieſelben die Einzelſtaaten die ihnen zuſtehenden Militairhoheitsrechte ganz oder doch zum größten Theile dem Könige von Preußen zur Ausübung übertragen, und daß über die Verwaltung und Unterhaltung des Kontingents, über die Ernennung, Patentirung, Verabſchiedung der Offiziere und Beamten, ſowie über den Fahneneid, über Rekrutirungs- und Land- wehr-Angelegenheiten, militairgerichtliche und Disciplinar-Verhält- niſſe, Beſteuerung und andere Rechtsverhältniſſe der Militairper- ſonen, Garniſon-Einrichtungen u. ſ. w. Abreden getroffen werden. Würden die Militair-Konventionen keinen andern Inhalt haben, ſo würde ihre rechtliche Würdigung keinerlei Schwierigkeiten unter- liegen; ſie würden grade ſo wie die oben Bd. II S. 289 ff. be- ſprochenen Poſtverträge und wie die unten zu erörternden Juris- dictions-Verträge lediglich als Bethätigung der den Einzelſtaaten verbliebenen Autonomie zu erachten ſein.
Der Umſtand jedoch, daß alle dieſe Verträge von den einzelnen Bundesſtaaten mit dem Könige von Preußen abgeſchloſſen worden ſind und daß der letztere zugleich Bundesoberfeldherr beziehentl. Kaiſer iſt, war Veranlaſſung, daß ſie noch einen Nebenbeſtandtheil enthalten, der ſich nicht als zwiſchenſtaatliches Rechtsgeſchäft charakteriſirt, ſondern der das Rechtsverhältniß zwiſchen Einzelſtaat und Reich betrifft. Während in der Hauptſache die Konventionen Rechte der Einzelſtaaten an Preußen abtreten, enthält dieſer Nebenbeſtandtheil, gleichſam als eine Art von Gegen-Conceſſion, Beſchränkungen der dem Kaiſer zuſtehenden Befugniſſe; nament- lich des Dislokationsrechtes und des Rechtes, die Formation und Gliederung der Kontingente zu beſtimmen. Dieſes Verhält- niß unterliegt natürlich nicht der Autonomie der Einzelſtaaten. Wenn Feſtſetzungen über daſſelbe in den Militair-Konventionen getroffen worden ſind, ſo beruht dies auf dem engen thatſäch- lichen Zuſammenhange zwiſchen den Militairhoheitsrechten des Reichs und den Militairhoheitsrechten der Einzelſtaaten; für die rechtliche Beurtheilung aber iſt es erforderlich, dieſe zwei ſtaats- rechtlich verſchiedenartigen Beſtandtheile der Konventionen aus- einander zu halten.
2. Von dieſem Geſichtspunkte aus ſind zunächſt die Rechts- ſubjekte, unter welchen die Konventionen abgeſchloſſen worden ſind,
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§. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen.
Sämmtliche Konventionen, von den drei genannten abgeſehen,
ſtimmen darin überein, daß durch dieſelben die Einzelſtaaten die
ihnen zuſtehenden Militairhoheitsrechte ganz oder doch zum größten
Theile dem Könige von Preußen zur Ausübung übertragen, und
daß über die Verwaltung und Unterhaltung des Kontingents, über
die Ernennung, Patentirung, Verabſchiedung der Offiziere und
Beamten, ſowie über den Fahneneid, über Rekrutirungs- und Land-
wehr-Angelegenheiten, militairgerichtliche und Disciplinar-Verhält-
niſſe, Beſteuerung und andere Rechtsverhältniſſe der Militairper-
ſonen, Garniſon-Einrichtungen u. ſ. w. Abreden getroffen werden.
Würden die Militair-Konventionen keinen andern Inhalt haben,
ſo würde ihre rechtliche Würdigung keinerlei Schwierigkeiten unter-
liegen; ſie würden grade ſo wie die oben Bd. II S. 289 ff. be-
ſprochenen Poſtverträge und wie die unten zu erörternden Juris-
dictions-Verträge lediglich als Bethätigung der den Einzelſtaaten
verbliebenen Autonomie zu erachten ſein.
Der Umſtand jedoch, daß alle dieſe Verträge von den einzelnen
Bundesſtaaten mit dem Könige von Preußen abgeſchloſſen worden
ſind und daß der letztere zugleich Bundesoberfeldherr beziehentl.
Kaiſer iſt, war Veranlaſſung, daß ſie noch einen Nebenbeſtandtheil
enthalten, der ſich nicht als zwiſchenſtaatliches Rechtsgeſchäft
charakteriſirt, ſondern der das Rechtsverhältniß zwiſchen Einzelſtaat
und Reich betrifft. Während in der Hauptſache die Konventionen
Rechte der Einzelſtaaten an Preußen abtreten, enthält dieſer
Nebenbeſtandtheil, gleichſam als eine Art von Gegen-Conceſſion,
Beſchränkungen der dem Kaiſer zuſtehenden Befugniſſe; nament-
lich des Dislokationsrechtes und des Rechtes, die Formation
und Gliederung der Kontingente zu beſtimmen. Dieſes Verhält-
niß unterliegt natürlich nicht der Autonomie der Einzelſtaaten.
Wenn Feſtſetzungen über daſſelbe in den Militair-Konventionen
getroffen worden ſind, ſo beruht dies auf dem engen thatſäch-
lichen Zuſammenhange zwiſchen den Militairhoheitsrechten des
Reichs und den Militairhoheitsrechten der Einzelſtaaten; für die
rechtliche Beurtheilung aber iſt es erforderlich, dieſe zwei ſtaats-
rechtlich verſchiedenartigen Beſtandtheile der Konventionen aus-
einander zu halten.
2. Von dieſem Geſichtspunkte aus ſind zunächſt die Rechts-
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/37>, abgerufen am 28.03.2024.
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