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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen.
Verpflichtung auf, sie einzuführen; es wird dies ganz un-
zweifelhaft, durch den Zusatz, daß sie ungesäumt einzuführen
ist. Der Nordd. Bund (und das Reich) konnte sich aber doch
nicht selbst den Befehl ertheilen, sofort gewisse Befehle zu ertheilen;
es hätte doch wenig Sinn gehabt, wenn der Bund die sofortige
Geltung dieser Militair-Reglements im ganzen Bundesgebiet an-
ordnen wollte, statt dessen anzuordnen, daß die Einführung unver-
züglich erfolgen werde. Dagegen ist die im Art. 61 beliebte Fas-
sung eine völlig correcte und sinnentsprechende, wenn dadurch den
Einzelstaaten die verfassungsmäßige Pflicht auferlegt werden sollte,
die Preußischen Militair-Vorschriften ungesäumt einzuführen.

Eine volle Bestätigung erhält diese Auslegung durch eine
zweite Anordnung der Verfassung, nämlich durch Art. 63 Abs. 5.
Verblieb den Einzelstaaten das Militair-Verordnungsrecht zu for-
meller Ausübung, so war die Einführung der im Jahre 1867 be-
ziehentl. im Jahre 1871 grade in Geltung gewesenen Preußischen
Reglements selbstverständlich nicht ausreichend; den Einzelstaaten
mußte vielmehr in diesem Falle die fernere Verpflichtung auferlegt
werden, auch alle künftig ergehenden Reglements bei sich einzu-
führen. -- Dies thut in der That Art. 63 Abs. 5 cit., welcher
bestimmt:

"Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der
Administration, Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung aller
Truppentheile sind die bezüglichen künftig ergehenden Anord-
nungen für die Preußische Armee
den Kommandeuren
der übrigen Kontingente durch den Art. 8 Nro. 1 bezeichneten Aus-
schuß für das Landheer und die Festungen, zur Nachachtung
in geeigneter Weise mitzutheilen
."

Hätte der Kaiser das Verordnungsrecht für die ganze Reichs-
armee, so könnte es in den, in diesem Artikel erwähnten Bezieh-
ungen, "Anordnungen für die Preußische Armee" überhaupt
nicht mehr geben, sondern nur Anordnungen für das Reichsheer,
und die Geltung derselben für die "übrigen Kontingente" würde
sich von selbst verstehen und ipso jure eintreten, ohne daß es der
Vermittlung des Bundesausschusses behufs Mittheilung an die
Kontingentskommandeure zur Nachachtung bedürfte. Der Art. 63
Abs. 5 läßt eine andere Auslegung nicht zu, als daß der König
von Preußen das Verordnungsrecht für die Preußische Armee be-

§. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen.
Verpflichtung auf, ſie einzuführen; es wird dies ganz un-
zweifelhaft, durch den Zuſatz, daß ſie ungeſäumt einzuführen
iſt. Der Nordd. Bund (und das Reich) konnte ſich aber doch
nicht ſelbſt den Befehl ertheilen, ſofort gewiſſe Befehle zu ertheilen;
es hätte doch wenig Sinn gehabt, wenn der Bund die ſofortige
Geltung dieſer Militair-Reglements im ganzen Bundesgebiet an-
ordnen wollte, ſtatt deſſen anzuordnen, daß die Einführung unver-
züglich erfolgen werde. Dagegen iſt die im Art. 61 beliebte Faſ-
ſung eine völlig correcte und ſinnentſprechende, wenn dadurch den
Einzelſtaaten die verfaſſungsmäßige Pflicht auferlegt werden ſollte,
die Preußiſchen Militair-Vorſchriften ungeſäumt einzuführen.

Eine volle Beſtätigung erhält dieſe Auslegung durch eine
zweite Anordnung der Verfaſſung, nämlich durch Art. 63 Abſ. 5.
Verblieb den Einzelſtaaten das Militair-Verordnungsrecht zu for-
meller Ausübung, ſo war die Einführung der im Jahre 1867 be-
ziehentl. im Jahre 1871 grade in Geltung geweſenen Preußiſchen
Reglements ſelbſtverſtändlich nicht ausreichend; den Einzelſtaaten
mußte vielmehr in dieſem Falle die fernere Verpflichtung auferlegt
werden, auch alle künftig ergehenden Reglements bei ſich einzu-
führen. — Dies thut in der That Art. 63 Abſ. 5 cit., welcher
beſtimmt:

Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der
Adminiſtration, Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüſtung aller
Truppentheile ſind die bezüglichen künftig ergehenden Anord-
nungen für die Preußiſche Armee
den Kommandeuren
der übrigen Kontingente durch den Art. 8 Nro. 1 bezeichneten Aus-
ſchuß für das Landheer und die Feſtungen, zur Nachachtung
in geeigneter Weiſe mitzutheilen
.“

Hätte der Kaiſer das Verordnungsrecht für die ganze Reichs-
armee, ſo könnte es in den, in dieſem Artikel erwähnten Bezieh-
ungen, „Anordnungen für die Preußiſche Armee“ überhaupt
nicht mehr geben, ſondern nur Anordnungen für das Reichsheer,
und die Geltung derſelben für die „übrigen Kontingente“ würde
ſich von ſelbſt verſtehen und ipso jure eintreten, ohne daß es der
Vermittlung des Bundesausſchuſſes behufs Mittheilung an die
Kontingentskommandeure zur Nachachtung bedürfte. Der Art. 63
Abſ. 5 läßt eine andere Auslegung nicht zu, als daß der König
von Preußen das Verordnungsrecht für die Preußiſche Armee be-

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[22/0032] §. 78. Die Einheitlichkeit des Militairrechts und der Heeres-Einrichtungen. Verpflichtung auf, ſie einzuführen; es wird dies ganz un- zweifelhaft, durch den Zuſatz, daß ſie ungeſäumt einzuführen iſt. Der Nordd. Bund (und das Reich) konnte ſich aber doch nicht ſelbſt den Befehl ertheilen, ſofort gewiſſe Befehle zu ertheilen; es hätte doch wenig Sinn gehabt, wenn der Bund die ſofortige Geltung dieſer Militair-Reglements im ganzen Bundesgebiet an- ordnen wollte, ſtatt deſſen anzuordnen, daß die Einführung unver- züglich erfolgen werde. Dagegen iſt die im Art. 61 beliebte Faſ- ſung eine völlig correcte und ſinnentſprechende, wenn dadurch den Einzelſtaaten die verfaſſungsmäßige Pflicht auferlegt werden ſollte, die Preußiſchen Militair-Vorſchriften ungeſäumt einzuführen. Eine volle Beſtätigung erhält dieſe Auslegung durch eine zweite Anordnung der Verfaſſung, nämlich durch Art. 63 Abſ. 5. Verblieb den Einzelſtaaten das Militair-Verordnungsrecht zu for- meller Ausübung, ſo war die Einführung der im Jahre 1867 be- ziehentl. im Jahre 1871 grade in Geltung geweſenen Preußiſchen Reglements ſelbſtverſtändlich nicht ausreichend; den Einzelſtaaten mußte vielmehr in dieſem Falle die fernere Verpflichtung auferlegt werden, auch alle künftig ergehenden Reglements bei ſich einzu- führen. — Dies thut in der That Art. 63 Abſ. 5 cit., welcher beſtimmt: „Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der Adminiſtration, Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüſtung aller Truppentheile ſind die bezüglichen künftig ergehenden Anord- nungen für die Preußiſche Armee den Kommandeuren der übrigen Kontingente durch den Art. 8 Nro. 1 bezeichneten Aus- ſchuß für das Landheer und die Feſtungen, zur Nachachtung in geeigneter Weiſe mitzutheilen.“ Hätte der Kaiſer das Verordnungsrecht für die ganze Reichs- armee, ſo könnte es in den, in dieſem Artikel erwähnten Bezieh- ungen, „Anordnungen für die Preußiſche Armee“ überhaupt nicht mehr geben, ſondern nur Anordnungen für das Reichsheer, und die Geltung derſelben für die „übrigen Kontingente“ würde ſich von ſelbſt verſtehen und ipso jure eintreten, ohne daß es der Vermittlung des Bundesausſchuſſes behufs Mittheilung an die Kontingentskommandeure zur Nachachtung bedürfte. Der Art. 63 Abſ. 5 läßt eine andere Auslegung nicht zu, als daß der König von Preußen das Verordnungsrecht für die Preußiſche Armee be-

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/32>, abgerufen am 28.03.2024.