Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 77. Allgemeine Prinzipien.
rung Deutschlands gleichmäßig zu vertheilen. Schon lange vor
dem Zusammenbruch des Bundes war die Preußische Regierung
eifrig und unablässig bemüht eine Verbesserung des Bundesmilitair-
wesens herbeizuführen; diese Bestrebungen waren aber ohne erheb-
lichen Erfolg.

Auch bei der im Jahre 1866 von Preußen beantragten Bundes-
reform stand die Revision der Bundeskriegsverfassung in erster
Reihe; die Vorschläge der Preußischen Regierung vom 11. Mai
1866 1) enthielten die Forderung "einer Consolidirung der mili-
tairischen Kräfte Deutschlands für Feldarmee- und Festungswesen
aus dem Gesichtspunkte einer besseren Zusammenfassung der Ge-
sammtleistung, so daß deren Wirkung gehoben und die Leistung
des Einzelnen möglichst erleichtert wird." Die Gesichtspunkte, von
denen die Preuß. Regierung bei ihren Anträgen auf Reform der
alten Bundeskriegsverfassung ausgegangen ist, wurden dann bei
den Vorschlägen zur Gründung eines neuen Bundesverhältnisses
festgehalten. In den "Grundzügen zu einer neuen Bundesver-
fassung" vom 10. Juni 1866 2) Art. IX sind dieselben näher aus-
geführt und die hier präcisirten Vorschläge sind -- abgesehen von
der damals beabsichtigten Theilung der Landmacht des Bundes in
eine Nordarmee unter Preußischem und in eine Südarmee unter
Bayerischem Oberbefehl -- im Wesentlichen in die Verfassung des
Norddeutschen Bundes übergegangen. Sie knüpfen an das be-
stehende Recht an und nehmen die Fortexistenz der Armeen der ein-
zelnen Staaten als getrennter, von einander unabhängiger Kontin-
gente zur Voraussetzung; von dem Gedanken einer Verschmelzung
dieser Kontingente zu einer einheitlichen Bundesarmee findet sich
nicht die leiseste Andeutung. Nach den Grundzügen vom 10. Juni
1866 soll jede Regierung die Verwaltung ihres Kontingents selbst
führen, die erforderlichen Auslagen vorbehaltlich gemeinsamer Ab-
rechnung leisten, die Offiziere des eigenen Kontingentes ernennen.
Der Bundes-Oberfeldherr soll das Recht und die Pflicht haben,
dafür Sorge zu tragen, daß die bundesbeschlußmäßigen Kontingente
vollzählig und kriegstüchtig vorhanden sind und daß die nothwendige
Einheit in der Organisation, Formation, in Bewaffnung und Com-

1) Vgl. Bd. I S. 12.
2) Vgl. Bd. I S. 13 fg.

§. 77. Allgemeine Prinzipien.
rung Deutſchlands gleichmäßig zu vertheilen. Schon lange vor
dem Zuſammenbruch des Bundes war die Preußiſche Regierung
eifrig und unabläſſig bemüht eine Verbeſſerung des Bundesmilitair-
weſens herbeizuführen; dieſe Beſtrebungen waren aber ohne erheb-
lichen Erfolg.

Auch bei der im Jahre 1866 von Preußen beantragten Bundes-
reform ſtand die Reviſion der Bundeskriegsverfaſſung in erſter
Reihe; die Vorſchläge der Preußiſchen Regierung vom 11. Mai
1866 1) enthielten die Forderung „einer Conſolidirung der mili-
tairiſchen Kräfte Deutſchlands für Feldarmee- und Feſtungsweſen
aus dem Geſichtspunkte einer beſſeren Zuſammenfaſſung der Ge-
ſammtleiſtung, ſo daß deren Wirkung gehoben und die Leiſtung
des Einzelnen möglichſt erleichtert wird.“ Die Geſichtspunkte, von
denen die Preuß. Regierung bei ihren Anträgen auf Reform der
alten Bundeskriegsverfaſſung ausgegangen iſt, wurden dann bei
den Vorſchlägen zur Gründung eines neuen Bundesverhältniſſes
feſtgehalten. In den „Grundzügen zu einer neuen Bundesver-
faſſung“ vom 10. Juni 1866 2) Art. IX ſind dieſelben näher aus-
geführt und die hier präciſirten Vorſchläge ſind — abgeſehen von
der damals beabſichtigten Theilung der Landmacht des Bundes in
eine Nordarmee unter Preußiſchem und in eine Südarmee unter
Bayeriſchem Oberbefehl — im Weſentlichen in die Verfaſſung des
Norddeutſchen Bundes übergegangen. Sie knüpfen an das be-
ſtehende Recht an und nehmen die Fortexiſtenz der Armeen der ein-
zelnen Staaten als getrennter, von einander unabhängiger Kontin-
gente zur Vorausſetzung; von dem Gedanken einer Verſchmelzung
dieſer Kontingente zu einer einheitlichen Bundesarmee findet ſich
nicht die leiſeſte Andeutung. Nach den Grundzügen vom 10. Juni
1866 ſoll jede Regierung die Verwaltung ihres Kontingents ſelbſt
führen, die erforderlichen Auslagen vorbehaltlich gemeinſamer Ab-
rechnung leiſten, die Offiziere des eigenen Kontingentes ernennen.
Der Bundes-Oberfeldherr ſoll das Recht und die Pflicht haben,
dafür Sorge zu tragen, daß die bundesbeſchlußmäßigen Kontingente
vollzählig und kriegstüchtig vorhanden ſind und daß die nothwendige
Einheit in der Organiſation, Formation, in Bewaffnung und Com-

1) Vgl. Bd. I S. 12.
2) Vgl. Bd. I S. 13 fg.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0015" n="5"/><fw place="top" type="header">§. 77. Allgemeine Prinzipien.</fw><lb/>
rung Deut&#x017F;chlands gleichmäßig zu vertheilen. Schon lange vor<lb/>
dem Zu&#x017F;ammenbruch des Bundes war die Preußi&#x017F;che Regierung<lb/>
eifrig und unablä&#x017F;&#x017F;ig bemüht eine Verbe&#x017F;&#x017F;erung des Bundesmilitair-<lb/>
we&#x017F;ens herbeizuführen; die&#x017F;e Be&#x017F;trebungen waren aber ohne erheb-<lb/>
lichen Erfolg.</p><lb/>
            <p>Auch bei der im Jahre 1866 von Preußen beantragten Bundes-<lb/>
reform &#x017F;tand die Revi&#x017F;ion der Bundeskriegsverfa&#x017F;&#x017F;ung in er&#x017F;ter<lb/>
Reihe; die Vor&#x017F;chläge der Preußi&#x017F;chen Regierung vom 11. Mai<lb/>
1866 <note place="foot" n="1)">Vgl. Bd. <hi rendition="#aq">I</hi> S. 12.</note> enthielten die Forderung &#x201E;einer Con&#x017F;olidirung der mili-<lb/>
tairi&#x017F;chen Kräfte Deut&#x017F;chlands für Feldarmee- und Fe&#x017F;tungswe&#x017F;en<lb/>
aus dem Ge&#x017F;ichtspunkte einer be&#x017F;&#x017F;eren Zu&#x017F;ammenfa&#x017F;&#x017F;ung der Ge-<lb/>
&#x017F;ammtlei&#x017F;tung, &#x017F;o daß deren Wirkung gehoben und die Lei&#x017F;tung<lb/>
des Einzelnen möglich&#x017F;t erleichtert wird.&#x201C; Die Ge&#x017F;ichtspunkte, von<lb/>
denen die Preuß. Regierung bei ihren Anträgen auf Reform der<lb/>
alten Bundeskriegsverfa&#x017F;&#x017F;ung ausgegangen i&#x017F;t, wurden dann bei<lb/>
den Vor&#x017F;chlägen zur Gründung eines neuen Bundesverhältni&#x017F;&#x017F;es<lb/>
fe&#x017F;tgehalten. In den &#x201E;Grundzügen zu einer neuen Bundesver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung&#x201C; vom 10. Juni 1866 <note place="foot" n="2)">Vgl. Bd. <hi rendition="#aq">I</hi> S. 13 fg.</note> Art. <hi rendition="#aq">IX</hi> &#x017F;ind die&#x017F;elben näher aus-<lb/>
geführt und die hier präci&#x017F;irten Vor&#x017F;chläge &#x017F;ind &#x2014; abge&#x017F;ehen von<lb/>
der damals beab&#x017F;ichtigten Theilung der Landmacht des Bundes in<lb/>
eine Nordarmee unter Preußi&#x017F;chem und in eine Südarmee unter<lb/>
Bayeri&#x017F;chem Oberbefehl &#x2014; im We&#x017F;entlichen in die Verfa&#x017F;&#x017F;ung des<lb/>
Norddeut&#x017F;chen Bundes übergegangen. Sie knüpfen an das be-<lb/>
&#x017F;tehende Recht an und nehmen die Fortexi&#x017F;tenz der Armeen der ein-<lb/>
zelnen Staaten als getrennter, von einander unabhängiger Kontin-<lb/>
gente zur Voraus&#x017F;etzung; von dem Gedanken einer Ver&#x017F;chmelzung<lb/>
die&#x017F;er Kontingente zu einer einheitlichen Bundesarmee findet &#x017F;ich<lb/>
nicht die lei&#x017F;e&#x017F;te Andeutung. Nach den Grundzügen vom 10. Juni<lb/>
1866 &#x017F;oll jede Regierung die Verwaltung ihres Kontingents &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
führen, die erforderlichen Auslagen vorbehaltlich gemein&#x017F;amer Ab-<lb/>
rechnung lei&#x017F;ten, die Offiziere des eigenen Kontingentes ernennen.<lb/>
Der Bundes-Oberfeldherr &#x017F;oll das Recht und die Pflicht haben,<lb/>
dafür Sorge zu tragen, daß die bundesbe&#x017F;chlußmäßigen Kontingente<lb/>
vollzählig und kriegstüchtig vorhanden &#x017F;ind und daß die nothwendige<lb/>
Einheit in der Organi&#x017F;ation, Formation, in Bewaffnung und Com-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0015] §. 77. Allgemeine Prinzipien. rung Deutſchlands gleichmäßig zu vertheilen. Schon lange vor dem Zuſammenbruch des Bundes war die Preußiſche Regierung eifrig und unabläſſig bemüht eine Verbeſſerung des Bundesmilitair- weſens herbeizuführen; dieſe Beſtrebungen waren aber ohne erheb- lichen Erfolg. Auch bei der im Jahre 1866 von Preußen beantragten Bundes- reform ſtand die Reviſion der Bundeskriegsverfaſſung in erſter Reihe; die Vorſchläge der Preußiſchen Regierung vom 11. Mai 1866 1) enthielten die Forderung „einer Conſolidirung der mili- tairiſchen Kräfte Deutſchlands für Feldarmee- und Feſtungsweſen aus dem Geſichtspunkte einer beſſeren Zuſammenfaſſung der Ge- ſammtleiſtung, ſo daß deren Wirkung gehoben und die Leiſtung des Einzelnen möglichſt erleichtert wird.“ Die Geſichtspunkte, von denen die Preuß. Regierung bei ihren Anträgen auf Reform der alten Bundeskriegsverfaſſung ausgegangen iſt, wurden dann bei den Vorſchlägen zur Gründung eines neuen Bundesverhältniſſes feſtgehalten. In den „Grundzügen zu einer neuen Bundesver- faſſung“ vom 10. Juni 1866 2) Art. IX ſind dieſelben näher aus- geführt und die hier präciſirten Vorſchläge ſind — abgeſehen von der damals beabſichtigten Theilung der Landmacht des Bundes in eine Nordarmee unter Preußiſchem und in eine Südarmee unter Bayeriſchem Oberbefehl — im Weſentlichen in die Verfaſſung des Norddeutſchen Bundes übergegangen. Sie knüpfen an das be- ſtehende Recht an und nehmen die Fortexiſtenz der Armeen der ein- zelnen Staaten als getrennter, von einander unabhängiger Kontin- gente zur Vorausſetzung; von dem Gedanken einer Verſchmelzung dieſer Kontingente zu einer einheitlichen Bundesarmee findet ſich nicht die leiſeſte Andeutung. Nach den Grundzügen vom 10. Juni 1866 ſoll jede Regierung die Verwaltung ihres Kontingents ſelbſt führen, die erforderlichen Auslagen vorbehaltlich gemeinſamer Ab- rechnung leiſten, die Offiziere des eigenen Kontingentes ernennen. Der Bundes-Oberfeldherr ſoll das Recht und die Pflicht haben, dafür Sorge zu tragen, daß die bundesbeſchlußmäßigen Kontingente vollzählig und kriegstüchtig vorhanden ſind und daß die nothwendige Einheit in der Organiſation, Formation, in Bewaffnung und Com- 1) Vgl. Bd. I S. 12. 2) Vgl. Bd. I S. 13 fg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/15
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/15>, abgerufen am 28.03.2024.