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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 76. Die Verwaltung des Gewerbewesens.
sondern es ist auch den Einzelstaaten die Befugniß entzogen, durch
autonomische Anordnungen solche Beschränkungen einzuführen, wo-
fern nicht die Gewerbe-Ordnung selbst auf die Landesgesetze ver-
weist. Aufrecht erhalten sind insbesondere die Bestimmungen der
Landesgesetze hinsichtlich des Gewerbe-Betriebes der juristischen
Personen des Auslandes 1) sowie diejenigen Beschränkungen, welche
in Betreff des Gewerbe-Betriebes für Personen des Soldaten- und
Beamtenstandes, sowie deren Angehörigen bestehen 2). Die Ge-
werbe-Ordnung hat ferner Nichts geändert in denjenigen Beschrän-
kungen des Betriebes einzelner Gewerbe, welche auf den Zoll-
Steuer- und Postgesetzen beruhen 3). Unter den hier genannten
Gesetzen kommen die Zoll- und Postgesetze nicht in Betracht, weil
sie der Autonomie der Einzelstaaten entzogen sind, wol aber die
Steuergesetze 4). Endlich hat die Gew.-Ordn. §. 6 eine Reihe von
Gewerben aufgeführt, auf welche sie keine Anwendung findet. Es
schließt dies zwar nicht aus, daß das Reich den Betrieb dieser
Gewerbe durch andere spezielle Gesetze regelt, so lange dies aber
nicht geschehen ist, bleiben hinsichtlich dieser Gewerbe die bestehen-
den Landesgesetze in Kraft und unterliegen der Fortbildung durch
die Autonomie der Einzelstaaten.

3. Der Grundsatz der Gewerbefreiheit ist in der Gewerbe-
Ordnung zwar zum Ausgangspunkt genommen, aber nicht unbe-

freiheit, von welcher die Gewerbefreiheit nur ein Theil oder Anwendungsfall
ist. Beschränkungen der Gewerbefreiheit sind nur diejenigen Rechtsvorschriften,
welche den Betrieb eines Gewerbes zur Voraussetzung haben.
1) Gew.-Ord. §. 12 Abs. 1.
2) Gew.-Ordn. §. 12 Abs. 2. Diese Ausnahme bezieht sich gleichmäßig
auch auf die reichsgesetzlichen Bestimmungen, nämlich Reichsbeamten-Ge-
setz §. 16 (vgl. Bd. I. S. 431 und die daselbst Note 2 angeff. Anordnungen
der Reichsgesetze) und Reichsmilitairgesetz v. 2. Mai 1874 §. 43 (R.-G.-Bl.
S. 56). Hinsichtlich dieser Reichsgesetze ist Gew.-Ordn. §. 12 übrigens ohne
Belang, da sie ihr schon deshalb derogiren, weil sie späteren Datums sind.
3) Gew.O. §. 5.
4) Hinsichtlich der Besteuerung der Gewerbe ist indeß die Autonomie der
Einzelstaaten beschränkt durch das R.-G. v. 13. Mai 1870 §. 3 (B.-G.-Bl.
S. 119), welches die Besteuerung eines Gewerbetriebes und des aus diesem
Betriebe herrührenden Einkommens nur demjenigen Bundesstaate gestattet, in
dessen Gebiete das Gewerbe betrieben wird, und sie ist ausgeschlossen hin-
sichtlich derjenigen Erzeugnisse, deren Besteuerung nach Art. 35 der R.-V. aus-
schließlich dem Reiche zusteht.

§. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens.
ſondern es iſt auch den Einzelſtaaten die Befugniß entzogen, durch
autonomiſche Anordnungen ſolche Beſchränkungen einzuführen, wo-
fern nicht die Gewerbe-Ordnung ſelbſt auf die Landesgeſetze ver-
weiſt. Aufrecht erhalten ſind insbeſondere die Beſtimmungen der
Landesgeſetze hinſichtlich des Gewerbe-Betriebes der juriſtiſchen
Perſonen des Auslandes 1) ſowie diejenigen Beſchränkungen, welche
in Betreff des Gewerbe-Betriebes für Perſonen des Soldaten- und
Beamtenſtandes, ſowie deren Angehörigen beſtehen 2). Die Ge-
werbe-Ordnung hat ferner Nichts geändert in denjenigen Beſchrän-
kungen des Betriebes einzelner Gewerbe, welche auf den Zoll-
Steuer- und Poſtgeſetzen beruhen 3). Unter den hier genannten
Geſetzen kommen die Zoll- und Poſtgeſetze nicht in Betracht, weil
ſie der Autonomie der Einzelſtaaten entzogen ſind, wol aber die
Steuergeſetze 4). Endlich hat die Gew.-Ordn. §. 6 eine Reihe von
Gewerben aufgeführt, auf welche ſie keine Anwendung findet. Es
ſchließt dies zwar nicht aus, daß das Reich den Betrieb dieſer
Gewerbe durch andere ſpezielle Geſetze regelt, ſo lange dies aber
nicht geſchehen iſt, bleiben hinſichtlich dieſer Gewerbe die beſtehen-
den Landesgeſetze in Kraft und unterliegen der Fortbildung durch
die Autonomie der Einzelſtaaten.

3. Der Grundſatz der Gewerbefreiheit iſt in der Gewerbe-
Ordnung zwar zum Ausgangspunkt genommen, aber nicht unbe-

freiheit, von welcher die Gewerbefreiheit nur ein Theil oder Anwendungsfall
iſt. Beſchränkungen der Gewerbefreiheit ſind nur diejenigen Rechtsvorſchriften,
welche den Betrieb eines Gewerbes zur Vorausſetzung haben.
1) Gew.-Ord. §. 12 Abſ. 1.
2) Gew.-Ordn. §. 12 Abſ. 2. Dieſe Ausnahme bezieht ſich gleichmäßig
auch auf die reichsgeſetzlichen Beſtimmungen, nämlich Reichsbeamten-Ge-
ſetz §. 16 (vgl. Bd. I. S. 431 und die daſelbſt Note 2 angeff. Anordnungen
der Reichsgeſetze) und Reichsmilitairgeſetz v. 2. Mai 1874 §. 43 (R.-G.-Bl.
S. 56). Hinſichtlich dieſer Reichsgeſetze iſt Gew.-Ordn. §. 12 übrigens ohne
Belang, da ſie ihr ſchon deshalb derogiren, weil ſie ſpäteren Datums ſind.
3) Gew.O. §. 5.
4) Hinſichtlich der Beſteuerung der Gewerbe iſt indeß die Autonomie der
Einzelſtaaten beſchränkt durch das R.-G. v. 13. Mai 1870 §. 3 (B.-G.-Bl.
S. 119), welches die Beſteuerung eines Gewerbetriebes und des aus dieſem
Betriebe herrührenden Einkommens nur demjenigen Bundesſtaate geſtattet, in
deſſen Gebiete das Gewerbe betrieben wird, und ſie iſt ausgeſchloſſen hin-
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ſchließlich dem Reiche zuſteht.
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[459/0473] §. 76. Die Verwaltung des Gewerbeweſens. ſondern es iſt auch den Einzelſtaaten die Befugniß entzogen, durch autonomiſche Anordnungen ſolche Beſchränkungen einzuführen, wo- fern nicht die Gewerbe-Ordnung ſelbſt auf die Landesgeſetze ver- weiſt. Aufrecht erhalten ſind insbeſondere die Beſtimmungen der Landesgeſetze hinſichtlich des Gewerbe-Betriebes der juriſtiſchen Perſonen des Auslandes 1) ſowie diejenigen Beſchränkungen, welche in Betreff des Gewerbe-Betriebes für Perſonen des Soldaten- und Beamtenſtandes, ſowie deren Angehörigen beſtehen 2). Die Ge- werbe-Ordnung hat ferner Nichts geändert in denjenigen Beſchrän- kungen des Betriebes einzelner Gewerbe, welche auf den Zoll- Steuer- und Poſtgeſetzen beruhen 3). Unter den hier genannten Geſetzen kommen die Zoll- und Poſtgeſetze nicht in Betracht, weil ſie der Autonomie der Einzelſtaaten entzogen ſind, wol aber die Steuergeſetze 4). Endlich hat die Gew.-Ordn. §. 6 eine Reihe von Gewerben aufgeführt, auf welche ſie keine Anwendung findet. Es ſchließt dies zwar nicht aus, daß das Reich den Betrieb dieſer Gewerbe durch andere ſpezielle Geſetze regelt, ſo lange dies aber nicht geſchehen iſt, bleiben hinſichtlich dieſer Gewerbe die beſtehen- den Landesgeſetze in Kraft und unterliegen der Fortbildung durch die Autonomie der Einzelſtaaten. 3. Der Grundſatz der Gewerbefreiheit iſt in der Gewerbe- Ordnung zwar zum Ausgangspunkt genommen, aber nicht unbe- 2) 1) Gew.-Ord. §. 12 Abſ. 1. 2) Gew.-Ordn. §. 12 Abſ. 2. Dieſe Ausnahme bezieht ſich gleichmäßig auch auf die reichsgeſetzlichen Beſtimmungen, nämlich Reichsbeamten-Ge- ſetz §. 16 (vgl. Bd. I. S. 431 und die daſelbſt Note 2 angeff. Anordnungen der Reichsgeſetze) und Reichsmilitairgeſetz v. 2. Mai 1874 §. 43 (R.-G.-Bl. S. 56). Hinſichtlich dieſer Reichsgeſetze iſt Gew.-Ordn. §. 12 übrigens ohne Belang, da ſie ihr ſchon deshalb derogiren, weil ſie ſpäteren Datums ſind. 3) Gew.O. §. 5. 4) Hinſichtlich der Beſteuerung der Gewerbe iſt indeß die Autonomie der Einzelſtaaten beſchränkt durch das R.-G. v. 13. Mai 1870 §. 3 (B.-G.-Bl. S. 119), welches die Beſteuerung eines Gewerbetriebes und des aus dieſem Betriebe herrührenden Einkommens nur demjenigen Bundesſtaate geſtattet, in deſſen Gebiete das Gewerbe betrieben wird, und ſie iſt ausgeſchloſſen hin- ſichtlich derjenigen Erzeugniſſe, deren Beſteuerung nach Art. 35 der R.-V. aus- ſchließlich dem Reiche zuſteht. 2) freiheit, von welcher die Gewerbefreiheit nur ein Theil oder Anwendungsfall iſt. Beſchränkungen der Gewerbefreiheit ſind nur diejenigen Rechtsvorſchriften, welche den Betrieb eines Gewerbes zur Vorausſetzung haben.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/473>, abgerufen am 24.05.2024.