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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 56. Der Begriff und die Erfordernisse des Gesetzes.
"A l'avenir la promulgation des lois et de nos ordonnances
resultera de leur insertion au Bulletin officiel."
Die Einrückung
in das Gesetzblatt ist Verkündigung des Gesetzes, nicht Ausferti-
gung desselben.

Im heutigen französischen Staatsrecht fallen Sanction und
Promulgation wieder ganz auseinander; nach der Verf. von 1875
werden die Gesetze von den Kammern sanctionirt, der Präsident
hat weder das Recht der Zustimmung noch des Veto; dagegen
steht es ihm zu, die Gesetze zu promulgiren und zu publiziren 1).

Trotz dieses Schwankens der Gesetzgebung hinsichtlich des Ge-
brauches des Wortes Promulgation 2) ist in der französischen Rechts-
literatur der Unterschied der Promulgation von der Sanction einer-
seits und von der Publikation andererseits fast ausnahmslos fest-
gehalten worden und das Wesen der Promulgation in der authen-
tischen Beglaubigung des Gesetzes erblickt worden 3).

Da die Promulgation des Gesetzes in Frankreich nicht wie im
alten deutschen Reiche und in England in einem vor dem Reichs-
tage oder Parlamente sich vollziehenden feierlichen Akte, sondern
lediglich in der Unterzeichnung einer Urkunde besteht, so entzieht
sich diese Thatsache selbst wieder der allgemeinen Kenntniß und
Wahrnehmung. Sie bedarf der Kundmachung und dieselbe erfolgt,
indem die Gesetzes-Urkunde offiziell veröffentlicht wird. Die
Veröffentlichung des Gesetzes ist die unmittelbare und nothwendige
Folge seiner Promulgation; mit der Promulgation verbindet sich

1) Vrgl. Bard et Robiquet, La Constitution francaise de 1875
(Paris 1876) p. 337 ff. 344.
Gesetz vom 18. Juli 1875 Art. 7. Decret vom
6. April 1876.
2) Ausführlich verbreitet sich darüber Merlin, Repertoire de iurisprud.
Art. Loi §. IV. (T. XVIII. p. 387 sqq.)
3) Vrgl. Dalloz, Jurisprud. generale. Tome XXX. Art. Lois Nr. 122.
125. "La promulgation est l'acte par lequel le Chef de l'Etat atteste
l'existence de la loi
et la publication est le mode employe pour
faire parvenir la loi a la connaissance des citoyens."
Uebereinstimmend:
Ph. Vallette et Benat St.-Marsy, Traite de la confection des
Lois (1839) p. 211. Batbie, Traite de droit publ. III. p.
439 (Paris
1862). Ducrocq, Cours de droit administratif I. nr. 20. A. Valette,
Cours de Code civil.
Paris 1872. I. S. 19. Aehnlich auch Laferriere,
Cours de droit publ. et administratif.
(5. Ausg. Paris 1860) I. S. 114.
"La promulgation est l'edition solennelle de la loi, le moyen de constater
son existence et de lier le peuple a son observation."

§. 56. Der Begriff und die Erforderniſſe des Geſetzes.
»A l’avenir la promulgation des lois et de nos ordonnances
résultera de leur insertion au Bulletin officiel.«
Die Einrückung
in das Geſetzblatt iſt Verkündigung des Geſetzes, nicht Ausferti-
gung deſſelben.

Im heutigen franzöſiſchen Staatsrecht fallen Sanction und
Promulgation wieder ganz auseinander; nach der Verf. von 1875
werden die Geſetze von den Kammern ſanctionirt, der Präſident
hat weder das Recht der Zuſtimmung noch des Veto; dagegen
ſteht es ihm zu, die Geſetze zu promulgiren und zu publiziren 1).

Trotz dieſes Schwankens der Geſetzgebung hinſichtlich des Ge-
brauches des Wortes Promulgation 2) iſt in der franzöſiſchen Rechts-
literatur der Unterſchied der Promulgation von der Sanction einer-
ſeits und von der Publikation andererſeits faſt ausnahmslos feſt-
gehalten worden und das Weſen der Promulgation in der authen-
tiſchen Beglaubigung des Geſetzes erblickt worden 3).

Da die Promulgation des Geſetzes in Frankreich nicht wie im
alten deutſchen Reiche und in England in einem vor dem Reichs-
tage oder Parlamente ſich vollziehenden feierlichen Akte, ſondern
lediglich in der Unterzeichnung einer Urkunde beſteht, ſo entzieht
ſich dieſe Thatſache ſelbſt wieder der allgemeinen Kenntniß und
Wahrnehmung. Sie bedarf der Kundmachung und dieſelbe erfolgt,
indem die Geſetzes-Urkunde offiziell veröffentlicht wird. Die
Veröffentlichung des Geſetzes iſt die unmittelbare und nothwendige
Folge ſeiner Promulgation; mit der Promulgation verbindet ſich

1) Vrgl. Bard et Robiquet, La Constitution française de 1875
(Paris 1876) p. 337 ff. 344.
Geſetz vom 18. Juli 1875 Art. 7. Decret vom
6. April 1876.
2) Ausführlich verbreitet ſich darüber Merlin, Repertoire de iurisprud.
Art. Loi §. IV. (T. XVIII. p. 387 sqq.)
3) Vrgl. Dalloz, Jurisprud. générale. Tome XXX. Art. Lois Nr. 122.
125. »La promulgation est l’acte par lequel le Chef de l’Etat atteste
l’existence de la loi
et la publication est le mode employé pour
faire parvenir la loi à la connaissance des citoyens.«
Uebereinſtimmend:
Ph. Vallette et Benat St.-Marsy, Traité de la confection des
Lois (1839) p. 211. Batbie, Traité de droit publ. III. p.
439 (Paris
1862). Ducrocq, Cours de droit administratif I. nr. 20. A. Valette,
Cours de Code civil.
Paris 1872. I. S. 19. Aehnlich auch Laferrière,
Cours de droit publ. et administratif.
(5. Ausg. Paris 1860) I. S. 114.
»La promulgation est l’édition solennelle de la loi, le moyen de constater
son existence et de lier le peuple à son observation.«
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[20/0034] §. 56. Der Begriff und die Erforderniſſe des Geſetzes. »A l’avenir la promulgation des lois et de nos ordonnances résultera de leur insertion au Bulletin officiel.« Die Einrückung in das Geſetzblatt iſt Verkündigung des Geſetzes, nicht Ausferti- gung deſſelben. Im heutigen franzöſiſchen Staatsrecht fallen Sanction und Promulgation wieder ganz auseinander; nach der Verf. von 1875 werden die Geſetze von den Kammern ſanctionirt, der Präſident hat weder das Recht der Zuſtimmung noch des Veto; dagegen ſteht es ihm zu, die Geſetze zu promulgiren und zu publiziren 1). Trotz dieſes Schwankens der Geſetzgebung hinſichtlich des Ge- brauches des Wortes Promulgation 2) iſt in der franzöſiſchen Rechts- literatur der Unterſchied der Promulgation von der Sanction einer- ſeits und von der Publikation andererſeits faſt ausnahmslos feſt- gehalten worden und das Weſen der Promulgation in der authen- tiſchen Beglaubigung des Geſetzes erblickt worden 3). Da die Promulgation des Geſetzes in Frankreich nicht wie im alten deutſchen Reiche und in England in einem vor dem Reichs- tage oder Parlamente ſich vollziehenden feierlichen Akte, ſondern lediglich in der Unterzeichnung einer Urkunde beſteht, ſo entzieht ſich dieſe Thatſache ſelbſt wieder der allgemeinen Kenntniß und Wahrnehmung. Sie bedarf der Kundmachung und dieſelbe erfolgt, indem die Geſetzes-Urkunde offiziell veröffentlicht wird. Die Veröffentlichung des Geſetzes iſt die unmittelbare und nothwendige Folge ſeiner Promulgation; mit der Promulgation verbindet ſich 1) Vrgl. Bard et Robiquet, La Constitution française de 1875 (Paris 1876) p. 337 ff. 344. Geſetz vom 18. Juli 1875 Art. 7. Decret vom 6. April 1876. 2) Ausführlich verbreitet ſich darüber Merlin, Repertoire de iurisprud. Art. Loi §. IV. (T. XVIII. p. 387 sqq.) 3) Vrgl. Dalloz, Jurisprud. générale. Tome XXX. Art. Lois Nr. 122. 125. »La promulgation est l’acte par lequel le Chef de l’Etat atteste l’existence de la loi et la publication est le mode employé pour faire parvenir la loi à la connaissance des citoyens.« Uebereinſtimmend: Ph. Vallette et Benat St.-Marsy, Traité de la confection des Lois (1839) p. 211. Batbie, Traité de droit publ. III. p. 439 (Paris 1862). Ducrocq, Cours de droit administratif I. nr. 20. A. Valette, Cours de Code civil. Paris 1872. I. S. 19. Aehnlich auch Laferrière, Cours de droit publ. et administratif. (5. Ausg. Paris 1860) I. S. 114. »La promulgation est l’édition solennelle de la loi, le moyen de constater son existence et de lier le peuple à son observation.«

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/34>, abgerufen am 27.04.2024.