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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 71. Die Verwaltung der Post und Telegraphie.
bahn-Unternehmern angelegt und betrieben worden und der Staat
allein ist im Stande, auf große Strecken hinaus solche Anlagen
zu machen und zu unterhalten. Rechtlich steht es Jedem frei, auf
seinem eigenen Gebiete electro-magnetische Telegraphen anzulegen
und sie im eigenen Geschäftsbetriebe zu benutzen; in großen Pri-
vathäusern, Hotels, Fabriken und anderen industriellen Etablisse-
ments wird von dieser Befugniß häufig Gebrauch gemacht; den
großartigsten Anwendungsfall bieten die Betriebs-Telegraphen der
Eisenbahnen. Wenn der Einzelne diese Befugniß auf seinem
Grundstück hat, so kann er auch einem Fremden die Erlaubniß
ertheilen, eine Telegraphen-Leitung über das Grundstück zu legen,
und so wäre es in der That denkbar, daß ein Unternehmer zwi-
schen zwei Orten eine telegraphische Leitung herstellt, indem die
Besitzer sämmtlicher Grundstücke, über welche er die Telegraphen-
Linie zieht, ihm die Befugniß dazu einräumen. Ebenso wenig be-
steht ein rechtliches Hinderniß, daß der Unternehmer den ihm ge-
hörigen Telegraphen Anderen gegen Entgeld zur Benützung gestattet
und sonach aus der Beförderung telegraphischer Depeschen ein Pri-
vat-Gewerbe macht. Ein wirkliches Telegraphennetz von großen
Dimensionen und mit einem geordneten Anschluß an andere Linien
gegen den Willen und ohne die Mithülfe des Staates herzustellen,
ist aber einem Privat-Unternehmer wegen der thatsächlichen Schwie-
rigkeiten kaum möglich und so besteht, wenn auch nicht de jure,
so doch de facto ein Telegraphen-Monopol des Reiches 1). Eine
Ausnahme hiervon machen lediglich die Betriebs-Telegraphen
der Eisenbahnen
, indem es den Eisenbahn-Unternehmern ge-
stattet ist, auch solche Telegramme anzunehmen und zu befördern,
welche nicht den Eisenbahndienst betreffen 2). Die Eisenbahn-Tele-

1) Kaum als eine Ausnahme hievon kann es angesehen werden, daß es
Kommunen, in denen keine Reichstelegraphen-Anstalt besteht, gestattet ist, nach
näherer Anordnung der Telegraphen-Direktion Anschluß-Leitungen herzustellen
und auf eigene Rechnung unter Befolgung der Telegraphen-Ordnung zu be-
treiben. Denn das Reich kann jeder Zeit gegen Erstattung der Hälfte der An-
lagekosten die Telegraphen-Anlage erwerben und in eigene Verwaltung nehmen.
Bekanntmachung v. 2. März 1869. Preuß. Minist.-Bl. d. i. V. 1869 S. 61.
2) Die näheren Vorschriften hierüber enthält das Reglement des
Reichskanzlers vom 7. März 1876. Centralbl. 1876 S. 155 ff. Für die Zeit
vor dem Erlaß dieses Reglements entschieden über die Befugniß der Eisen-
bahnen zur Beförderung von Privattelegrammen die Bestimmungen der ein-

§. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie.
bahn-Unternehmern angelegt und betrieben worden und der Staat
allein iſt im Stande, auf große Strecken hinaus ſolche Anlagen
zu machen und zu unterhalten. Rechtlich ſteht es Jedem frei, auf
ſeinem eigenen Gebiete electro-magnetiſche Telegraphen anzulegen
und ſie im eigenen Geſchäftsbetriebe zu benutzen; in großen Pri-
vathäuſern, Hotels, Fabriken und anderen induſtriellen Etabliſſe-
ments wird von dieſer Befugniß häufig Gebrauch gemacht; den
großartigſten Anwendungsfall bieten die Betriebs-Telegraphen der
Eiſenbahnen. Wenn der Einzelne dieſe Befugniß auf ſeinem
Grundſtück hat, ſo kann er auch einem Fremden die Erlaubniß
ertheilen, eine Telegraphen-Leitung über das Grundſtück zu legen,
und ſo wäre es in der That denkbar, daß ein Unternehmer zwi-
ſchen zwei Orten eine telegraphiſche Leitung herſtellt, indem die
Beſitzer ſämmtlicher Grundſtücke, über welche er die Telegraphen-
Linie zieht, ihm die Befugniß dazu einräumen. Ebenſo wenig be-
ſteht ein rechtliches Hinderniß, daß der Unternehmer den ihm ge-
hörigen Telegraphen Anderen gegen Entgeld zur Benützung geſtattet
und ſonach aus der Beförderung telegraphiſcher Depeſchen ein Pri-
vat-Gewerbe macht. Ein wirkliches Telegraphennetz von großen
Dimenſionen und mit einem geordneten Anſchluß an andere Linien
gegen den Willen und ohne die Mithülfe des Staates herzuſtellen,
iſt aber einem Privat-Unternehmer wegen der thatſächlichen Schwie-
rigkeiten kaum möglich und ſo beſteht, wenn auch nicht de jure,
ſo doch de facto ein Telegraphen-Monopol des Reiches 1). Eine
Ausnahme hiervon machen lediglich die Betriebs-Telegraphen
der Eiſenbahnen
, indem es den Eiſenbahn-Unternehmern ge-
ſtattet iſt, auch ſolche Telegramme anzunehmen und zu befördern,
welche nicht den Eiſenbahndienſt betreffen 2). Die Eiſenbahn-Tele-

1) Kaum als eine Ausnahme hievon kann es angeſehen werden, daß es
Kommunen, in denen keine Reichstelegraphen-Anſtalt beſteht, geſtattet iſt, nach
näherer Anordnung der Telegraphen-Direktion Anſchluß-Leitungen herzuſtellen
und auf eigene Rechnung unter Befolgung der Telegraphen-Ordnung zu be-
treiben. Denn das Reich kann jeder Zeit gegen Erſtattung der Hälfte der An-
lagekoſten die Telegraphen-Anlage erwerben und in eigene Verwaltung nehmen.
Bekanntmachung v. 2. März 1869. Preuß. Miniſt.-Bl. d. i. V. 1869 S. 61.
2) Die näheren Vorſchriften hierüber enthält das Reglement des
Reichskanzlers vom 7. März 1876. Centralbl. 1876 S. 155 ff. Für die Zeit
vor dem Erlaß dieſes Reglements entſchieden über die Befugniß der Eiſen-
bahnen zur Beförderung von Privattelegrammen die Beſtimmungen der ein-
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[313/0327] §. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie. bahn-Unternehmern angelegt und betrieben worden und der Staat allein iſt im Stande, auf große Strecken hinaus ſolche Anlagen zu machen und zu unterhalten. Rechtlich ſteht es Jedem frei, auf ſeinem eigenen Gebiete electro-magnetiſche Telegraphen anzulegen und ſie im eigenen Geſchäftsbetriebe zu benutzen; in großen Pri- vathäuſern, Hotels, Fabriken und anderen induſtriellen Etabliſſe- ments wird von dieſer Befugniß häufig Gebrauch gemacht; den großartigſten Anwendungsfall bieten die Betriebs-Telegraphen der Eiſenbahnen. Wenn der Einzelne dieſe Befugniß auf ſeinem Grundſtück hat, ſo kann er auch einem Fremden die Erlaubniß ertheilen, eine Telegraphen-Leitung über das Grundſtück zu legen, und ſo wäre es in der That denkbar, daß ein Unternehmer zwi- ſchen zwei Orten eine telegraphiſche Leitung herſtellt, indem die Beſitzer ſämmtlicher Grundſtücke, über welche er die Telegraphen- Linie zieht, ihm die Befugniß dazu einräumen. Ebenſo wenig be- ſteht ein rechtliches Hinderniß, daß der Unternehmer den ihm ge- hörigen Telegraphen Anderen gegen Entgeld zur Benützung geſtattet und ſonach aus der Beförderung telegraphiſcher Depeſchen ein Pri- vat-Gewerbe macht. Ein wirkliches Telegraphennetz von großen Dimenſionen und mit einem geordneten Anſchluß an andere Linien gegen den Willen und ohne die Mithülfe des Staates herzuſtellen, iſt aber einem Privat-Unternehmer wegen der thatſächlichen Schwie- rigkeiten kaum möglich und ſo beſteht, wenn auch nicht de jure, ſo doch de facto ein Telegraphen-Monopol des Reiches 1). Eine Ausnahme hiervon machen lediglich die Betriebs-Telegraphen der Eiſenbahnen, indem es den Eiſenbahn-Unternehmern ge- ſtattet iſt, auch ſolche Telegramme anzunehmen und zu befördern, welche nicht den Eiſenbahndienſt betreffen 2). Die Eiſenbahn-Tele- 1) Kaum als eine Ausnahme hievon kann es angeſehen werden, daß es Kommunen, in denen keine Reichstelegraphen-Anſtalt beſteht, geſtattet iſt, nach näherer Anordnung der Telegraphen-Direktion Anſchluß-Leitungen herzuſtellen und auf eigene Rechnung unter Befolgung der Telegraphen-Ordnung zu be- treiben. Denn das Reich kann jeder Zeit gegen Erſtattung der Hälfte der An- lagekoſten die Telegraphen-Anlage erwerben und in eigene Verwaltung nehmen. Bekanntmachung v. 2. März 1869. Preuß. Miniſt.-Bl. d. i. V. 1869 S. 61. 2) Die näheren Vorſchriften hierüber enthält das Reglement des Reichskanzlers vom 7. März 1876. Centralbl. 1876 S. 155 ff. Für die Zeit vor dem Erlaß dieſes Reglements entſchieden über die Befugniß der Eiſen- bahnen zur Beförderung von Privattelegrammen die Beſtimmungen der ein-

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/327>, abgerufen am 23.11.2024.