Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 71. Die Verwaltung der Post und Telegraphie.
Unternehmern untersagt seien. Auch aus allgemeinen Gründen
läßt sich ein Telegraphen-Regal, wo es nicht durch positives Ge-
setz eingeführt ist, nicht darthun 1); denn daß der Telegraph dem
Publikum dient, zur öffentlichen Benutzung bestimmt ist und eine
staatliche Controle seines Betriebes wünschenswerth erscheint, sind
-- wenn überhaupt Gründe -- jedenfalls nur Gründe de lege
ferenda.
Wenn man aber auch annehmen wollte, daß in der That
im Deutschen Reich die Anlage und der Betrieb von Telegraphen
durch Privatpersonen verboten sei, so wäre dieses Verbot dennoch
eine lex imperfecta; denn es fehlt an jeglicher Strafbestimmung
für eine Verletzung desselben 2). Eine Ausnahme hievon macht
lediglich das Königreich Sachsen, welches für sein Gebiet durch
das Gesetz v. 21. Sept. 1855 3) die Anlegung eines Telegraphen
von der staatlichen Erlaubniß abhängig machte und die Verletzung
dieser Anordnung mit Geldstrafe, sowie mit Confiskation der Ap-
parate und Leitungen bedrohte 4). Ferner ist in Elsaß-Loth-
ringen
das Französ. Decret v. 27. Dezember 1851 in Geltung,
wonach ebenfalls eine Telegraphen-Leitung nur von der Regierung
oder unter ihrer Genehmigung angelegt oder zur Beförderung von
Depeschen benutzt werden darf 5). Von diesen Gebieten abgesehen
fehlt es im Deutschen Reiche an einer rechtlichen Grundlage, um ein
ausschließliches Recht des Staates auf die Telegraphie in Anspruch
zu nehmen. Thatsächlich aber sind die großen Telegraphen-
Linien vom Staate oder den vom Staate dazu ermächtigten Eisen-

1) Die Annahme eines Telegraphenregals wird vertheidigt von Reyscher,
Zeitschrift f. Deutsches R. Bd. XIX. S. 282 ff. Bluntschli, Allgem.
Staatsrecht. 5. Aufl. S. 510 (Lehre vom modernen Staat Bd. II.). Meili
S. 11 ff. -- Vgl. dagegen die sehr treffenden Ausführungen von Ludewig,
die Telegr. S. 12 ff. 52 fg.
2) Vgl. auch Dambach a. a. O. S. 247. 249.
3) Das Gesetz ist abgedruckt bei Ludewig a. a. O. S. 16 fg.
4) Daß diese Strafbestimmungen gemäß Art. 2 des Einf.-Ges. zum R.-
St.-G. B. in Geltung geblieben sind, unterliegt keinem Zweifel. Vgl. Dam-
bach
a. a. O.
5) Das Telegraphen-Regal wurde in Frankreich durch das Ges. v. 2. Mai
1837 eingeführt und mit strengen Strafen geschützt. Das Ges. v. 29. Nov.
1850 gab zuerst die Staatstelegraphen der Benutzung des Publikums frei, das
Monopol selbst aber wurde durch das Decret v. 27. Dez. 1851 beibehalten.
Vgl. Hepp, de la Correspond. privee postale ou telegraphique. Paris
1864. S. 21 ff.

§. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie.
Unternehmern unterſagt ſeien. Auch aus allgemeinen Gründen
läßt ſich ein Telegraphen-Regal, wo es nicht durch poſitives Ge-
ſetz eingeführt iſt, nicht darthun 1); denn daß der Telegraph dem
Publikum dient, zur öffentlichen Benutzung beſtimmt iſt und eine
ſtaatliche Controle ſeines Betriebes wünſchenswerth erſcheint, ſind
— wenn überhaupt Gründe — jedenfalls nur Gründe de lege
ferenda.
Wenn man aber auch annehmen wollte, daß in der That
im Deutſchen Reich die Anlage und der Betrieb von Telegraphen
durch Privatperſonen verboten ſei, ſo wäre dieſes Verbot dennoch
eine lex imperfecta; denn es fehlt an jeglicher Strafbeſtimmung
für eine Verletzung deſſelben 2). Eine Ausnahme hievon macht
lediglich das Königreich Sachſen, welches für ſein Gebiet durch
das Geſetz v. 21. Sept. 1855 3) die Anlegung eines Telegraphen
von der ſtaatlichen Erlaubniß abhängig machte und die Verletzung
dieſer Anordnung mit Geldſtrafe, ſowie mit Confiskation der Ap-
parate und Leitungen bedrohte 4). Ferner iſt in Elſaß-Loth-
ringen
das Franzöſ. Decret v. 27. Dezember 1851 in Geltung,
wonach ebenfalls eine Telegraphen-Leitung nur von der Regierung
oder unter ihrer Genehmigung angelegt oder zur Beförderung von
Depeſchen benutzt werden darf 5). Von dieſen Gebieten abgeſehen
fehlt es im Deutſchen Reiche an einer rechtlichen Grundlage, um ein
ausſchließliches Recht des Staates auf die Telegraphie in Anſpruch
zu nehmen. Thatſächlich aber ſind die großen Telegraphen-
Linien vom Staate oder den vom Staate dazu ermächtigten Eiſen-

1) Die Annahme eines Telegraphenregals wird vertheidigt von Reyſcher,
Zeitſchrift f. Deutſches R. Bd. XIX. S. 282 ff. Bluntſchli, Allgem.
Staatsrecht. 5. Aufl. S. 510 (Lehre vom modernen Staat Bd. II.). Meili
S. 11 ff. — Vgl. dagegen die ſehr treffenden Ausführungen von Ludewig,
die Telegr. S. 12 ff. 52 fg.
2) Vgl. auch Dambach a. a. O. S. 247. 249.
3) Das Geſetz iſt abgedruckt bei Ludewig a. a. O. S. 16 fg.
4) Daß dieſe Strafbeſtimmungen gemäß Art. 2 des Einf.-Geſ. zum R.-
St.-G. B. in Geltung geblieben ſind, unterliegt keinem Zweifel. Vgl. Dam-
bach
a. a. O.
5) Das Telegraphen-Regal wurde in Frankreich durch das Geſ. v. 2. Mai
1837 eingeführt und mit ſtrengen Strafen geſchützt. Das Geſ. v. 29. Nov.
1850 gab zuerſt die Staatstelegraphen der Benutzung des Publikums frei, das
Monopol ſelbſt aber wurde durch das Decret v. 27. Dez. 1851 beibehalten.
Vgl. Hepp, de la Correspond. privée postale ou télégraphique. Paris
1864. S. 21 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0326" n="312"/><fw place="top" type="header">§. 71. Die Verwaltung der Po&#x017F;t und Telegraphie.</fw><lb/>
Unternehmern unter&#x017F;agt &#x017F;eien. Auch aus allgemeinen Gründen<lb/>
läßt &#x017F;ich ein Telegraphen-Regal, wo es nicht durch po&#x017F;itives Ge-<lb/>
&#x017F;etz eingeführt i&#x017F;t, nicht darthun <note place="foot" n="1)">Die Annahme eines Telegraphenregals wird vertheidigt von <hi rendition="#g">Rey&#x017F;cher</hi>,<lb/>
Zeit&#x017F;chrift f. Deut&#x017F;ches R. Bd. <hi rendition="#aq">XIX.</hi> S. 282 ff. <hi rendition="#g">Blunt&#x017F;chli</hi>, Allgem.<lb/>
Staatsrecht. 5. Aufl. S. 510 (Lehre vom modernen Staat Bd. <hi rendition="#aq">II.</hi>). <hi rendition="#g">Meili</hi><lb/>
S. 11 ff. &#x2014; Vgl. dagegen die &#x017F;ehr treffenden Ausführungen von <hi rendition="#g">Ludewig</hi>,<lb/>
die Telegr. S. 12 ff. 52 fg.</note>; denn daß der Telegraph dem<lb/>
Publikum dient, zur öffentlichen Benutzung be&#x017F;timmt i&#x017F;t und eine<lb/>
&#x017F;taatliche Controle &#x017F;eines Betriebes wün&#x017F;chenswerth er&#x017F;cheint, &#x017F;ind<lb/>
&#x2014; wenn überhaupt Gründe &#x2014; jedenfalls nur Gründe <hi rendition="#aq">de lege<lb/>
ferenda.</hi> Wenn man aber auch annehmen wollte, daß in der That<lb/>
im Deut&#x017F;chen Reich die Anlage und der Betrieb von Telegraphen<lb/>
durch Privatper&#x017F;onen verboten &#x017F;ei, &#x017F;o wäre die&#x017F;es Verbot dennoch<lb/>
eine <hi rendition="#aq">lex imperfecta;</hi> denn es fehlt an jeglicher Strafbe&#x017F;timmung<lb/>
für eine Verletzung de&#x017F;&#x017F;elben <note place="foot" n="2)">Vgl. auch <hi rendition="#g">Dambach</hi> a. a. O. S. 247. 249.</note>. Eine Ausnahme hievon macht<lb/>
lediglich das Königreich <hi rendition="#g">Sach&#x017F;en</hi>, welches für &#x017F;ein Gebiet durch<lb/>
das Ge&#x017F;etz v. 21. Sept. 1855 <note place="foot" n="3)">Das Ge&#x017F;etz i&#x017F;t abgedruckt bei <hi rendition="#g">Ludewig</hi> a. a. O. S. 16 fg.</note> die Anlegung eines Telegraphen<lb/>
von der &#x017F;taatlichen Erlaubniß abhängig machte und die Verletzung<lb/>
die&#x017F;er Anordnung mit Geld&#x017F;trafe, &#x017F;owie mit Confiskation der Ap-<lb/>
parate und Leitungen bedrohte <note place="foot" n="4)">Daß die&#x017F;e Strafbe&#x017F;timmungen gemäß Art. 2 des Einf.-Ge&#x017F;. zum R.-<lb/>
St.-G. B. in Geltung geblieben &#x017F;ind, unterliegt keinem Zweifel. Vgl. <hi rendition="#g">Dam-<lb/>
bach</hi> a. a. O.</note>. Ferner i&#x017F;t in <hi rendition="#g">El&#x017F;aß-Loth-<lb/>
ringen</hi> das Franzö&#x017F;. Decret v. 27. Dezember 1851 in Geltung,<lb/>
wonach ebenfalls eine Telegraphen-Leitung nur von der Regierung<lb/>
oder unter ihrer Genehmigung angelegt oder zur Beförderung von<lb/>
Depe&#x017F;chen benutzt werden darf <note place="foot" n="5)">Das Telegraphen-Regal wurde in Frankreich durch das Ge&#x017F;. v. 2. Mai<lb/>
1837 eingeführt und mit &#x017F;trengen Strafen ge&#x017F;chützt. Das Ge&#x017F;. v. 29. Nov.<lb/>
1850 gab zuer&#x017F;t die Staatstelegraphen der Benutzung des Publikums frei, das<lb/>
Monopol &#x017F;elb&#x017F;t aber wurde durch das Decret v. 27. Dez. 1851 beibehalten.<lb/>
Vgl. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Hepp</hi>, de la Correspond. privée postale ou télégraphique. Paris</hi><lb/>
1864. S. 21 ff.</note>. Von die&#x017F;en Gebieten abge&#x017F;ehen<lb/>
fehlt es im Deut&#x017F;chen Reiche an einer rechtlichen Grundlage, um ein<lb/>
aus&#x017F;chließliches Recht des Staates auf die Telegraphie in An&#x017F;pruch<lb/>
zu nehmen. <hi rendition="#g">That&#x017F;ächlich</hi> aber &#x017F;ind die großen Telegraphen-<lb/>
Linien vom Staate oder den vom Staate dazu ermächtigten Ei&#x017F;en-<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0326] §. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie. Unternehmern unterſagt ſeien. Auch aus allgemeinen Gründen läßt ſich ein Telegraphen-Regal, wo es nicht durch poſitives Ge- ſetz eingeführt iſt, nicht darthun 1); denn daß der Telegraph dem Publikum dient, zur öffentlichen Benutzung beſtimmt iſt und eine ſtaatliche Controle ſeines Betriebes wünſchenswerth erſcheint, ſind — wenn überhaupt Gründe — jedenfalls nur Gründe de lege ferenda. Wenn man aber auch annehmen wollte, daß in der That im Deutſchen Reich die Anlage und der Betrieb von Telegraphen durch Privatperſonen verboten ſei, ſo wäre dieſes Verbot dennoch eine lex imperfecta; denn es fehlt an jeglicher Strafbeſtimmung für eine Verletzung deſſelben 2). Eine Ausnahme hievon macht lediglich das Königreich Sachſen, welches für ſein Gebiet durch das Geſetz v. 21. Sept. 1855 3) die Anlegung eines Telegraphen von der ſtaatlichen Erlaubniß abhängig machte und die Verletzung dieſer Anordnung mit Geldſtrafe, ſowie mit Confiskation der Ap- parate und Leitungen bedrohte 4). Ferner iſt in Elſaß-Loth- ringen das Franzöſ. Decret v. 27. Dezember 1851 in Geltung, wonach ebenfalls eine Telegraphen-Leitung nur von der Regierung oder unter ihrer Genehmigung angelegt oder zur Beförderung von Depeſchen benutzt werden darf 5). Von dieſen Gebieten abgeſehen fehlt es im Deutſchen Reiche an einer rechtlichen Grundlage, um ein ausſchließliches Recht des Staates auf die Telegraphie in Anſpruch zu nehmen. Thatſächlich aber ſind die großen Telegraphen- Linien vom Staate oder den vom Staate dazu ermächtigten Eiſen- 1) Die Annahme eines Telegraphenregals wird vertheidigt von Reyſcher, Zeitſchrift f. Deutſches R. Bd. XIX. S. 282 ff. Bluntſchli, Allgem. Staatsrecht. 5. Aufl. S. 510 (Lehre vom modernen Staat Bd. II.). Meili S. 11 ff. — Vgl. dagegen die ſehr treffenden Ausführungen von Ludewig, die Telegr. S. 12 ff. 52 fg. 2) Vgl. auch Dambach a. a. O. S. 247. 249. 3) Das Geſetz iſt abgedruckt bei Ludewig a. a. O. S. 16 fg. 4) Daß dieſe Strafbeſtimmungen gemäß Art. 2 des Einf.-Geſ. zum R.- St.-G. B. in Geltung geblieben ſind, unterliegt keinem Zweifel. Vgl. Dam- bach a. a. O. 5) Das Telegraphen-Regal wurde in Frankreich durch das Geſ. v. 2. Mai 1837 eingeführt und mit ſtrengen Strafen geſchützt. Das Geſ. v. 29. Nov. 1850 gab zuerſt die Staatstelegraphen der Benutzung des Publikums frei, das Monopol ſelbſt aber wurde durch das Decret v. 27. Dez. 1851 beibehalten. Vgl. Hepp, de la Correspond. privée postale ou télégraphique. Paris 1864. S. 21 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/326
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/326>, abgerufen am 23.11.2024.