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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 71. Die Verwaltung der Post und Telegraphie.
erscheinende politische Zeitung darf vom Postdebit ausgeschlossen
werden; für alle diese Zeitungen müssen hinsichtlich Berechnung der
Gebühren, welche für die Beförderung und Debitirung zu erheben
sind, gleichmäßige Grundsätze angewendet werden und die Post ist
verpflichtet, sowohl die Pränumeration anzunehmen wie den ge-
sammten Debit derselben zn besorgen 1).

4. Auf der Eigenschaft der Post als einer öffentlichen Ver-
kehrsanstalt beruht die Verpflichtung derselben zur Bewahrung
des sogenannten Briefgeheimnisses. Dieser Ausdruck, der
für den Inhalt der in Rede stehenden Verpflichtung eine keineswegs
zutreffende Bezeichnung ist, könnte den Gedanken erwecken, als sei
das Briefgeheimniß das Correlat des Briefmonopols. Dies ist
aber in keiner Beziehung der Fall; weder der Umfang des Brief-
geheimnisses noch die davon bestehenden Ausnahmen noch die Rechts-
folgen der Verletzung desselben stehen in irgend einem logischen
oder juristischen Zusammenhange mit dem Postzwange, sondern sie
beruhen lediglich auf dem Prinzip, daß Post und Telegraphie
nicht Privatunternehmungen des Fiskus, sondern Zweige des öffent-
lichen Staatsdienstes sind.


1) Aus dieser Gesetzesbestimmung übrigens herleiten zu wollen, daß die
Postverwaltung einer landesgesetzlich zulässigen Anordnung der Landespolizei-
behörde, welche die Ausgabe und Verbreitung einer gewissen Zeitung verbietet,
nicht Folge leisten dürfe, ist eine Verkennung des Sinnes des §. 3 des Post-
gesetzes. Denn dieser Paragraph regelt lediglich die Verpflichtung der Post
zur Uebernahme der von ihr betriebenen Geschäfte. Die Postverwaltung
ist daher allerdings nicht befugt, aus eigener Initiative gewissen Zeitungen die
Beförderung oder Vertheilung an die Abonnenten zu versagen; im postmäßigen
Betriebe muß sie alle ihr aufgetragenen Geschäfte nach gleichen Grundsätzen
ausführen. In die preßpolizeilichen Befugnisse greift dagegen der §. 3
des Postgesetzes gar nicht ein. Ist die Verbreitung einer Zeitung in einem
Lande polizeilich verboten, so wird die Postverwaltung denjenigen, der diese
Zeitung bestellen will, davon zu verständigen haben. Besteht derselbe auf der
Bestellung, so muß sich die Post diesem Auftrage zwar unterziehen und die
einzelnen Nummern in der für alle Zeitungen üblichen Weise befördern, aber
die eingetroffenen Exemplare sind zunächst nicht auszugeben, sondern für die
Abonnenten bis zu dem Zeitpunkt aufzuheben, wo das Verbot der Verbreitung
zurückgenommen wird. Im Gebiete des Reichspreßgesetzes vom 7. Mai 1874
kann dieser Fall nicht vorkommen, praktisch ist die Frage dagegen in Elsaß-
Lothringen, so lange das Reichspreßgesetz daselbst nicht zur Einführung ge-
langt. Eine Erörterung darüber findet sich in den Verhandl. des Reichstages
vom 26. April 1877. Stenogr. Berichte S. 803 ff.

§. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie.
erſcheinende politiſche Zeitung darf vom Poſtdebit ausgeſchloſſen
werden; für alle dieſe Zeitungen müſſen hinſichtlich Berechnung der
Gebühren, welche für die Beförderung und Debitirung zu erheben
ſind, gleichmäßige Grundſätze angewendet werden und die Poſt iſt
verpflichtet, ſowohl die Pränumeration anzunehmen wie den ge-
ſammten Debit derſelben zn beſorgen 1).

4. Auf der Eigenſchaft der Poſt als einer öffentlichen Ver-
kehrsanſtalt beruht die Verpflichtung derſelben zur Bewahrung
des ſogenannten Briefgeheimniſſes. Dieſer Ausdruck, der
für den Inhalt der in Rede ſtehenden Verpflichtung eine keineswegs
zutreffende Bezeichnung iſt, könnte den Gedanken erwecken, als ſei
das Briefgeheimniß das Correlat des Briefmonopols. Dies iſt
aber in keiner Beziehung der Fall; weder der Umfang des Brief-
geheimniſſes noch die davon beſtehenden Ausnahmen noch die Rechts-
folgen der Verletzung deſſelben ſtehen in irgend einem logiſchen
oder juriſtiſchen Zuſammenhange mit dem Poſtzwange, ſondern ſie
beruhen lediglich auf dem Prinzip, daß Poſt und Telegraphie
nicht Privatunternehmungen des Fiskus, ſondern Zweige des öffent-
lichen Staatsdienſtes ſind.


1) Aus dieſer Geſetzesbeſtimmung übrigens herleiten zu wollen, daß die
Poſtverwaltung einer landesgeſetzlich zuläſſigen Anordnung der Landespolizei-
behörde, welche die Ausgabe und Verbreitung einer gewiſſen Zeitung verbietet,
nicht Folge leiſten dürfe, iſt eine Verkennung des Sinnes des §. 3 des Poſt-
geſetzes. Denn dieſer Paragraph regelt lediglich die Verpflichtung der Poſt
zur Uebernahme der von ihr betriebenen Geſchäfte. Die Poſtverwaltung
iſt daher allerdings nicht befugt, aus eigener Initiative gewiſſen Zeitungen die
Beförderung oder Vertheilung an die Abonnenten zu verſagen; im poſtmäßigen
Betriebe muß ſie alle ihr aufgetragenen Geſchäfte nach gleichen Grundſätzen
ausführen. In die preßpolizeilichen Befugniſſe greift dagegen der §. 3
des Poſtgeſetzes gar nicht ein. Iſt die Verbreitung einer Zeitung in einem
Lande polizeilich verboten, ſo wird die Poſtverwaltung denjenigen, der dieſe
Zeitung beſtellen will, davon zu verſtändigen haben. Beſteht derſelbe auf der
Beſtellung, ſo muß ſich die Poſt dieſem Auftrage zwar unterziehen und die
einzelnen Nummern in der für alle Zeitungen üblichen Weiſe befördern, aber
die eingetroffenen Exemplare ſind zunächſt nicht auszugeben, ſondern für die
Abonnenten bis zu dem Zeitpunkt aufzuheben, wo das Verbot der Verbreitung
zurückgenommen wird. Im Gebiete des Reichspreßgeſetzes vom 7. Mai 1874
kann dieſer Fall nicht vorkommen, praktiſch iſt die Frage dagegen in Elſaß-
Lothringen, ſo lange das Reichspreßgeſetz daſelbſt nicht zur Einführung ge-
langt. Eine Erörterung darüber findet ſich in den Verhandl. des Reichstages
vom 26. April 1877. Stenogr. Berichte S. 803 ff.
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[302/0316] §. 71. Die Verwaltung der Poſt und Telegraphie. erſcheinende politiſche Zeitung darf vom Poſtdebit ausgeſchloſſen werden; für alle dieſe Zeitungen müſſen hinſichtlich Berechnung der Gebühren, welche für die Beförderung und Debitirung zu erheben ſind, gleichmäßige Grundſätze angewendet werden und die Poſt iſt verpflichtet, ſowohl die Pränumeration anzunehmen wie den ge- ſammten Debit derſelben zn beſorgen 1). 4. Auf der Eigenſchaft der Poſt als einer öffentlichen Ver- kehrsanſtalt beruht die Verpflichtung derſelben zur Bewahrung des ſogenannten Briefgeheimniſſes. Dieſer Ausdruck, der für den Inhalt der in Rede ſtehenden Verpflichtung eine keineswegs zutreffende Bezeichnung iſt, könnte den Gedanken erwecken, als ſei das Briefgeheimniß das Correlat des Briefmonopols. Dies iſt aber in keiner Beziehung der Fall; weder der Umfang des Brief- geheimniſſes noch die davon beſtehenden Ausnahmen noch die Rechts- folgen der Verletzung deſſelben ſtehen in irgend einem logiſchen oder juriſtiſchen Zuſammenhange mit dem Poſtzwange, ſondern ſie beruhen lediglich auf dem Prinzip, daß Poſt und Telegraphie nicht Privatunternehmungen des Fiskus, ſondern Zweige des öffent- lichen Staatsdienſtes ſind. 1) Aus dieſer Geſetzesbeſtimmung übrigens herleiten zu wollen, daß die Poſtverwaltung einer landesgeſetzlich zuläſſigen Anordnung der Landespolizei- behörde, welche die Ausgabe und Verbreitung einer gewiſſen Zeitung verbietet, nicht Folge leiſten dürfe, iſt eine Verkennung des Sinnes des §. 3 des Poſt- geſetzes. Denn dieſer Paragraph regelt lediglich die Verpflichtung der Poſt zur Uebernahme der von ihr betriebenen Geſchäfte. Die Poſtverwaltung iſt daher allerdings nicht befugt, aus eigener Initiative gewiſſen Zeitungen die Beförderung oder Vertheilung an die Abonnenten zu verſagen; im poſtmäßigen Betriebe muß ſie alle ihr aufgetragenen Geſchäfte nach gleichen Grundſätzen ausführen. In die preßpolizeilichen Befugniſſe greift dagegen der §. 3 des Poſtgeſetzes gar nicht ein. Iſt die Verbreitung einer Zeitung in einem Lande polizeilich verboten, ſo wird die Poſtverwaltung denjenigen, der dieſe Zeitung beſtellen will, davon zu verſtändigen haben. Beſteht derſelbe auf der Beſtellung, ſo muß ſich die Poſt dieſem Auftrage zwar unterziehen und die einzelnen Nummern in der für alle Zeitungen üblichen Weiſe befördern, aber die eingetroffenen Exemplare ſind zunächſt nicht auszugeben, ſondern für die Abonnenten bis zu dem Zeitpunkt aufzuheben, wo das Verbot der Verbreitung zurückgenommen wird. Im Gebiete des Reichspreßgeſetzes vom 7. Mai 1874 kann dieſer Fall nicht vorkommen, praktiſch iſt die Frage dagegen in Elſaß- Lothringen, ſo lange das Reichspreßgeſetz daſelbſt nicht zur Einführung ge- langt. Eine Erörterung darüber findet ſich in den Verhandl. des Reichstages vom 26. April 1877. Stenogr. Berichte S. 803 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/316>, abgerufen am 23.11.2024.