in Art. 7. Z. 3 der R.-V.: "Der Bundesrath beschließt über Mängel, welche bei der Ausführung der Reichsgesetze oder der vorstehend erwähnten Vorschriften oder Einrichtungen hervortreten."
4. Die unmittelbare Verwaltung ist Sache der Einzelstaaten. Sie führen dieselbe nicht kraft Auftrages des Reiches oder als Organe desselben, sondern kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen. Aus diesem Grundsatze ergeben sich drei wichtige Folge- rungen:
a) Die Verträge, welche die Behörden der Einzelstaaten bei Gelegenheit dieser Geschäftsführung abschließen, verpflichten und berechtigen nicht den Reichsfiskus, sondern den Landesfiskus. Es kann wohl sein, daß die Verwaltungsgeschäfte für Rechnung des Reiches geführt werden, wie z. B. die Militair-Verwaltung und in beschränktem Maaße die Zollverwaltung, so daß dem Landesfiskus die von ihm gemachten Zahlungen aus der Reichs- kasse erstattet werden; dem Dritten gegenüber ist aber der Landes- Fiskus zur Erfüllung obligirt, da nicht im Namen und in Stell- vertretung des Reiches, sondern im Namen des Gliedstaates con- trahirt worden ist. Für die Frage nach der Proceßlegitimation und dem Gerichtsstande bei Klagen aus einem solchen Vertrage ist dies von sehr großer Bedeutung.
b) Die obrigkeitlichen Verfügungen sind nicht Aeuße- rungen oder Bethätigungen der Reichsgewalt, sondern der Staats- gewalt der Bundesglieder. Sie stehen demnach, soweit nicht durch Reichsgesetz besondere Vorschriften ergangen sind, unter den staats- rechtlichen Regeln des Einzelstaates; insbesondere hinsichtlich der Amtsgewalt (Kompetenz) der einzelnen Behörden, hinsichtlich der Formen, unter denen die Verfügungen zu erlassen sind, in Betreff der gegen sie zulässigen Beschwerden, über die Folgen der Nicht- beobachtung des in der Verfügung ertheilten Befehles u. s. w.
c) Die Leitung der Verwaltung steht den Centralbehör- den der Einzelstaaten zu, nicht dem Reiche. Die einzelnen, mit der unmittelbaren Verwaltungsthätigkeit betrauten Behörden sind Landesbehörden; sie empfangen ihre Befehle und Instruktionen von den Landesregierungen und in letzter Stelle von den Landes- herren 1). Die Reichsregierung kann ihnen unmittelbar keine
1) Vrgl. Bd. I. S. 400.
§. 69. Reichsverwaltung und Staatsverwaltung.
in Art. 7. Z. 3 der R.-V.: „Der Bundesrath beſchließt über Mängel, welche bei der Ausführung der Reichsgeſetze oder der vorſtehend erwähnten Vorſchriften oder Einrichtungen hervortreten.“
4. Die unmittelbare Verwaltung iſt Sache der Einzelſtaaten. Sie führen dieſelbe nicht kraft Auftrages des Reiches oder als Organe deſſelben, ſondern kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen. Aus dieſem Grundſatze ergeben ſich drei wichtige Folge- rungen:
a) Die Verträge, welche die Behörden der Einzelſtaaten bei Gelegenheit dieſer Geſchäftsführung abſchließen, verpflichten und berechtigen nicht den Reichsfiskus, ſondern den Landesfiskus. Es kann wohl ſein, daß die Verwaltungsgeſchäfte für Rechnung des Reiches geführt werden, wie z. B. die Militair-Verwaltung und in beſchränktem Maaße die Zollverwaltung, ſo daß dem Landesfiskus die von ihm gemachten Zahlungen aus der Reichs- kaſſe erſtattet werden; dem Dritten gegenüber iſt aber der Landes- Fiskus zur Erfüllung obligirt, da nicht im Namen und in Stell- vertretung des Reiches, ſondern im Namen des Gliedſtaates con- trahirt worden iſt. Für die Frage nach der Proceßlegitimation und dem Gerichtsſtande bei Klagen aus einem ſolchen Vertrage iſt dies von ſehr großer Bedeutung.
b) Die obrigkeitlichen Verfügungen ſind nicht Aeuße- rungen oder Bethätigungen der Reichsgewalt, ſondern der Staats- gewalt der Bundesglieder. Sie ſtehen demnach, ſoweit nicht durch Reichsgeſetz beſondere Vorſchriften ergangen ſind, unter den ſtaats- rechtlichen Regeln des Einzelſtaates; insbeſondere hinſichtlich der Amtsgewalt (Kompetenz) der einzelnen Behörden, hinſichtlich der Formen, unter denen die Verfügungen zu erlaſſen ſind, in Betreff der gegen ſie zuläſſigen Beſchwerden, über die Folgen der Nicht- beobachtung des in der Verfügung ertheilten Befehles u. ſ. w.
c) Die Leitung der Verwaltung ſteht den Centralbehör- den der Einzelſtaaten zu, nicht dem Reiche. Die einzelnen, mit der unmittelbaren Verwaltungsthätigkeit betrauten Behörden ſind Landesbehörden; ſie empfangen ihre Befehle und Inſtruktionen von den Landesregierungen und in letzter Stelle von den Landes- herren 1). Die Reichsregierung kann ihnen unmittelbar keine
1) Vrgl. Bd. I. S. 400.
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§. 69. Reichsverwaltung und Staatsverwaltung.
in Art. 7. Z. 3 der R.-V.: „Der Bundesrath beſchließt über
Mängel, welche bei der Ausführung der Reichsgeſetze oder der
vorſtehend erwähnten Vorſchriften oder Einrichtungen hervortreten.“
4. Die unmittelbare Verwaltung iſt Sache der Einzelſtaaten.
Sie führen dieſelbe nicht kraft Auftrages des Reiches oder als
Organe deſſelben, ſondern kraft eigenen Rechts und im eigenen
Namen. Aus dieſem Grundſatze ergeben ſich drei wichtige Folge-
rungen:
a) Die Verträge, welche die Behörden der Einzelſtaaten
bei Gelegenheit dieſer Geſchäftsführung abſchließen, verpflichten
und berechtigen nicht den Reichsfiskus, ſondern den Landesfiskus.
Es kann wohl ſein, daß die Verwaltungsgeſchäfte für Rechnung
des Reiches geführt werden, wie z. B. die Militair-Verwaltung
und in beſchränktem Maaße die Zollverwaltung, ſo daß dem
Landesfiskus die von ihm gemachten Zahlungen aus der Reichs-
kaſſe erſtattet werden; dem Dritten gegenüber iſt aber der Landes-
Fiskus zur Erfüllung obligirt, da nicht im Namen und in Stell-
vertretung des Reiches, ſondern im Namen des Gliedſtaates con-
trahirt worden iſt. Für die Frage nach der Proceßlegitimation
und dem Gerichtsſtande bei Klagen aus einem ſolchen Vertrage iſt
dies von ſehr großer Bedeutung.
b) Die obrigkeitlichen Verfügungen ſind nicht Aeuße-
rungen oder Bethätigungen der Reichsgewalt, ſondern der Staats-
gewalt der Bundesglieder. Sie ſtehen demnach, ſoweit nicht durch
Reichsgeſetz beſondere Vorſchriften ergangen ſind, unter den ſtaats-
rechtlichen Regeln des Einzelſtaates; insbeſondere hinſichtlich der
Amtsgewalt (Kompetenz) der einzelnen Behörden, hinſichtlich der
Formen, unter denen die Verfügungen zu erlaſſen ſind, in Betreff
der gegen ſie zuläſſigen Beſchwerden, über die Folgen der Nicht-
beobachtung des in der Verfügung ertheilten Befehles u. ſ. w.
c) Die Leitung der Verwaltung ſteht den Centralbehör-
den der Einzelſtaaten zu, nicht dem Reiche. Die einzelnen, mit
der unmittelbaren Verwaltungsthätigkeit betrauten Behörden ſind
Landesbehörden; ſie empfangen ihre Befehle und Inſtruktionen
von den Landesregierungen und in letzter Stelle von den Landes-
herren 1). Die Reichsregierung kann ihnen unmittelbar keine
1) Vrgl. Bd. I. S. 400.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/250>, abgerufen am 27.11.2024.
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