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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 61. Reichsgesetzgebung und Landesgesetzgebung.
die Besteuerung des im Bundesgebiete gewonnenen Salzes und
Tabaks, bereiteten Branntweins und Bieres und aus Rüben oder
anderen inländischen Erzeugnissen dargestellten Zuckers und Syrups,
jedoch mit der Ausnahme, daß in Bayern, Württemberg und
Baden die Besteuerung des inländischen Branntweins und Bieres
der Landesgesetzgebung vorbehalten bleibt; endlich über den gegen-
seitigen Schutz der in den einzelnen Bundesstaaten erhobenen Ver-
brauchsabgaben gegen Hinterziehungen, sowie über die Maßregeln,
welche in den Zoll-Ausschlüssen zur Sicherung der gemeinsamen
Zollgrenze erforderlich sind 1).

Auf diesen Gebieten sind gesetzliche Vorschriften der Einzel-
staaten unstatthaft und rechtlich unwirksam auch hinsichtlich solcher
Punkte, welche das Reich gesetzlich nicht geregelt hat. Denn hier
ist die Gesetzgebung der Einzelstaaten ganz und gar ausgeschlossen
und durch die Reichsverfassung untersagt.

b) Der fakultativen Gesetzgebungs-Kompetenz des Reiches unter-
liegen die übrigen, im Art. 4 der Reichsverf. aufgeführten Angelegen-
heiten. So lange das Reich über Gegenstände, welche hierher ge-
hören, eine bindende Norm nicht aufstellt, bleiben nicht nur die in
den Einzelstaaten geltenden Rechtsvorschriften in Kraft, sondern sie
können auch von dem Einzelstaat im Wege der Landesgesetzgebung
und -- so weit dies nach dem Landesrecht zulässig ist -- der
Landesverordnung aufgehoben oder abgeändert werden 2). So bald
das Reich von der ihm zustehenden Befugniß Gebrauch macht,
treten die Landesgesetze nach den vorstehend entwickelten Regeln
außer Kraft und die Reichsgesetze an ihre Stelle.

c) Der ausschließlichen Gesetzgebungs-Kompetenz der Einzel-
staaten unterliegen alle Gebiete, welche nach der Reichsverfassung
oder den auf Grund derselben ergangenen Gesetzen der Kompetenz
des Reiches nicht zugewiesen sind. Diese Kompetenz der Einzel-
staaten tritt also überall subsidiär ein, wo es an einem die
Kompetenz des Reiches begründenden Rechtssatz fehlt. Eine Er-
weiterung der Gesetzgebungs-Kompetenz des Reiches ist eine Ab-
änderung der Reichsverfassung; demnach kann das Gebiet, welches

1) Vgl. hierüber die näheren Ausführungen in meinem Reichsfinanzrecht
in Hirth's Annalen 1873 S. 448 ff.
2) Vgl. Bayrisches Schlußprotok. v. 23. Nov. 1870 Art. VI.

§. 61. Reichsgeſetzgebung und Landesgeſetzgebung.
die Beſteuerung des im Bundesgebiete gewonnenen Salzes und
Tabaks, bereiteten Branntweins und Bieres und aus Rüben oder
anderen inländiſchen Erzeugniſſen dargeſtellten Zuckers und Syrups,
jedoch mit der Ausnahme, daß in Bayern, Württemberg und
Baden die Beſteuerung des inländiſchen Branntweins und Bieres
der Landesgeſetzgebung vorbehalten bleibt; endlich über den gegen-
ſeitigen Schutz der in den einzelnen Bundesſtaaten erhobenen Ver-
brauchsabgaben gegen Hinterziehungen, ſowie über die Maßregeln,
welche in den Zoll-Ausſchlüſſen zur Sicherung der gemeinſamen
Zollgrenze erforderlich ſind 1).

Auf dieſen Gebieten ſind geſetzliche Vorſchriften der Einzel-
ſtaaten unſtatthaft und rechtlich unwirkſam auch hinſichtlich ſolcher
Punkte, welche das Reich geſetzlich nicht geregelt hat. Denn hier
iſt die Geſetzgebung der Einzelſtaaten ganz und gar ausgeſchloſſen
und durch die Reichsverfaſſung unterſagt.

b) Der fakultativen Geſetzgebungs-Kompetenz des Reiches unter-
liegen die übrigen, im Art. 4 der Reichsverf. aufgeführten Angelegen-
heiten. So lange das Reich über Gegenſtände, welche hierher ge-
hören, eine bindende Norm nicht aufſtellt, bleiben nicht nur die in
den Einzelſtaaten geltenden Rechtsvorſchriften in Kraft, ſondern ſie
können auch von dem Einzelſtaat im Wege der Landesgeſetzgebung
und — ſo weit dies nach dem Landesrecht zuläſſig iſt — der
Landesverordnung aufgehoben oder abgeändert werden 2). So bald
das Reich von der ihm zuſtehenden Befugniß Gebrauch macht,
treten die Landesgeſetze nach den vorſtehend entwickelten Regeln
außer Kraft und die Reichsgeſetze an ihre Stelle.

c) Der ausſchließlichen Geſetzgebungs-Kompetenz der Einzel-
ſtaaten unterliegen alle Gebiete, welche nach der Reichsverfaſſung
oder den auf Grund derſelben ergangenen Geſetzen der Kompetenz
des Reiches nicht zugewieſen ſind. Dieſe Kompetenz der Einzel-
ſtaaten tritt alſo überall ſubſidiär ein, wo es an einem die
Kompetenz des Reiches begründenden Rechtsſatz fehlt. Eine Er-
weiterung der Geſetzgebungs-Kompetenz des Reiches iſt eine Ab-
änderung der Reichsverfaſſung; demnach kann das Gebiet, welches

1) Vgl. hierüber die näheren Ausführungen in meinem Reichsfinanzrecht
in Hirth’s Annalen 1873 S. 448 ff.
2) Vgl. Bayriſches Schlußprotok. v. 23. Nov. 1870 Art. VI.
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[117/0131] §. 61. Reichsgeſetzgebung und Landesgeſetzgebung. die Beſteuerung des im Bundesgebiete gewonnenen Salzes und Tabaks, bereiteten Branntweins und Bieres und aus Rüben oder anderen inländiſchen Erzeugniſſen dargeſtellten Zuckers und Syrups, jedoch mit der Ausnahme, daß in Bayern, Württemberg und Baden die Beſteuerung des inländiſchen Branntweins und Bieres der Landesgeſetzgebung vorbehalten bleibt; endlich über den gegen- ſeitigen Schutz der in den einzelnen Bundesſtaaten erhobenen Ver- brauchsabgaben gegen Hinterziehungen, ſowie über die Maßregeln, welche in den Zoll-Ausſchlüſſen zur Sicherung der gemeinſamen Zollgrenze erforderlich ſind 1). Auf dieſen Gebieten ſind geſetzliche Vorſchriften der Einzel- ſtaaten unſtatthaft und rechtlich unwirkſam auch hinſichtlich ſolcher Punkte, welche das Reich geſetzlich nicht geregelt hat. Denn hier iſt die Geſetzgebung der Einzelſtaaten ganz und gar ausgeſchloſſen und durch die Reichsverfaſſung unterſagt. b) Der fakultativen Geſetzgebungs-Kompetenz des Reiches unter- liegen die übrigen, im Art. 4 der Reichsverf. aufgeführten Angelegen- heiten. So lange das Reich über Gegenſtände, welche hierher ge- hören, eine bindende Norm nicht aufſtellt, bleiben nicht nur die in den Einzelſtaaten geltenden Rechtsvorſchriften in Kraft, ſondern ſie können auch von dem Einzelſtaat im Wege der Landesgeſetzgebung und — ſo weit dies nach dem Landesrecht zuläſſig iſt — der Landesverordnung aufgehoben oder abgeändert werden 2). So bald das Reich von der ihm zuſtehenden Befugniß Gebrauch macht, treten die Landesgeſetze nach den vorſtehend entwickelten Regeln außer Kraft und die Reichsgeſetze an ihre Stelle. c) Der ausſchließlichen Geſetzgebungs-Kompetenz der Einzel- ſtaaten unterliegen alle Gebiete, welche nach der Reichsverfaſſung oder den auf Grund derſelben ergangenen Geſetzen der Kompetenz des Reiches nicht zugewieſen ſind. Dieſe Kompetenz der Einzel- ſtaaten tritt alſo überall ſubſidiär ein, wo es an einem die Kompetenz des Reiches begründenden Rechtsſatz fehlt. Eine Er- weiterung der Geſetzgebungs-Kompetenz des Reiches iſt eine Ab- änderung der Reichsverfaſſung; demnach kann das Gebiet, welches 1) Vgl. hierüber die näheren Ausführungen in meinem Reichsfinanzrecht in Hirth’s Annalen 1873 S. 448 ff. 2) Vgl. Bayriſches Schlußprotok. v. 23. Nov. 1870 Art. VI.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/131>, abgerufen am 25.11.2024.