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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 60. Die Wirkungen der Reichsgesetze.
offenbar Unrichtiges aussagen; denn es ist zweifellos, daß das
Reich auch solche Gesetze geben kann, welche außerhalb des Bun-
desgebietes zur Geltung und Wirksamkeit kommen und zwar nicht
nur in den Jurisdictions-Bezirken der Reichsconsulate, sondern
allgemein im Auslande. Territorial begränzt ist nur die Hand-
habung des Rechtsschutzes; sie kann nur in dem Bundesgebiet
verwirklicht werden, dem die Konsular-Jurisdictionsbezirke und in
einigen Beziehungen die deutschen Seeschiffe hinzutreten. Soweit
die Gesetze dagegen die Reichsangehörigen zu Handlungen
oder Unterlassungen verpflichten oder sonst Rechtsnormen für ihr
Verhalten aufstellen, ist ihr Geltungsbereich örtlich überhaupt
nicht begränzt. Beispiele liefern das Konsulatsgesetz, das Reichs-
beamten-Gesetz hinsichtlich der Reichsbeamten, welche im Auslande
ihren Wohnsitz haben, die Mehrzahl der auf die Seeschifffahrt be-
züglichen Gesetze, das Gesetz über die Beurkundung des Personen-
standes §§. 61--64; 68 Abs. 2; 85; die Vorschriften über Be-
strafung von Verbrechen, welche im Auslande verübt werden
(R.-St.-G.-B. §. 4 fg.), Militär-Strafgesetzb. §. 7. 161. See-
manns-Ordn. v. 27. Dez. 1872 §. 100 u. s. w.

Die Worte sollen vielmehr nur andeuten, daß für die Gesetz-
gebung des Reiches das Bundesgebiet eine Einheit ist, und daß
die in dem vorhergehenden Artikel 1 aufgeführten Staaten, aus
deren Gebieten das Bundesgebiet besteht, für die räumliche Gel-
tung der Reichsgesetze keine gesonderten Rechtsgebiete bilden. Nur
soweit Reservatrechte einzelner Staaten die Kompetenz des Reiches
zur Gesetzgebung beschränken, ist eine Ausnahme begründet.

Diese Einheit des Bundesgebietes als Geltungsbereich der
Reichsgesetze schließt aber nicht den Satz ein, daß das Reich seine
Gesetze immer für das ganze Bundesgebiet erlassen müsse. Ge-
setze und ebenso Verordnungen des Reiches können auch für Theile
des Bundesgebietes gegeben werden und zwar ohne Rücksicht da-
rauf, ob das Geltungsgebiet des Reichsgesetzes mit dem Gebiete
eines oder mehrerer Bundesstaaten zusammenfällt oder nicht 1). Nur

1) Hiersemenzel I. S. 36. Riedel, S. 81. Beispiele: Ges. v. 4.
Mai 1868 für die Hohenzollern'schen Lande. (B.-G.-Bl. 1868 S. 150). Ges.
v. 4. Juli 1868 (B.-G.-Bl. S. 375) für beide Mecklenburg, Lauenburg, Lübeck
und Preußische Gebietstheile; Ges. v. 8. Juli 1868 (B.-G.-Bl. S. 384) für
Laband, Reichsstaatsrecht. II. 7

§. 60. Die Wirkungen der Reichsgeſetze.
offenbar Unrichtiges ausſagen; denn es iſt zweifellos, daß das
Reich auch ſolche Geſetze geben kann, welche außerhalb des Bun-
desgebietes zur Geltung und Wirkſamkeit kommen und zwar nicht
nur in den Jurisdictions-Bezirken der Reichsconſulate, ſondern
allgemein im Auslande. Territorial begränzt iſt nur die Hand-
habung des Rechtsſchutzes; ſie kann nur in dem Bundesgebiet
verwirklicht werden, dem die Konſular-Jurisdictionsbezirke und in
einigen Beziehungen die deutſchen Seeſchiffe hinzutreten. Soweit
die Geſetze dagegen die Reichsangehörigen zu Handlungen
oder Unterlaſſungen verpflichten oder ſonſt Rechtsnormen für ihr
Verhalten aufſtellen, iſt ihr Geltungsbereich örtlich überhaupt
nicht begränzt. Beiſpiele liefern das Konſulatsgeſetz, das Reichs-
beamten-Geſetz hinſichtlich der Reichsbeamten, welche im Auslande
ihren Wohnſitz haben, die Mehrzahl der auf die Seeſchifffahrt be-
züglichen Geſetze, das Geſetz über die Beurkundung des Perſonen-
ſtandes §§. 61—64; 68 Abſ. 2; 85; die Vorſchriften über Be-
ſtrafung von Verbrechen, welche im Auslande verübt werden
(R.-St.-G.-B. §. 4 fg.), Militär-Strafgeſetzb. §. 7. 161. See-
manns-Ordn. v. 27. Dez. 1872 §. 100 u. ſ. w.

Die Worte ſollen vielmehr nur andeuten, daß für die Geſetz-
gebung des Reiches das Bundesgebiet eine Einheit iſt, und daß
die in dem vorhergehenden Artikel 1 aufgeführten Staaten, aus
deren Gebieten das Bundesgebiet beſteht, für die räumliche Gel-
tung der Reichsgeſetze keine geſonderten Rechtsgebiete bilden. Nur
ſoweit Reſervatrechte einzelner Staaten die Kompetenz des Reiches
zur Geſetzgebung beſchränken, iſt eine Ausnahme begründet.

Dieſe Einheit des Bundesgebietes als Geltungsbereich der
Reichsgeſetze ſchließt aber nicht den Satz ein, daß das Reich ſeine
Geſetze immer für das ganze Bundesgebiet erlaſſen müſſe. Ge-
ſetze und ebenſo Verordnungen des Reiches können auch für Theile
des Bundesgebietes gegeben werden und zwar ohne Rückſicht da-
rauf, ob das Geltungsgebiet des Reichsgeſetzes mit dem Gebiete
eines oder mehrerer Bundesſtaaten zuſammenfällt oder nicht 1). Nur

1) Hierſemenzel I. S. 36. Riedel, S. 81. Beiſpiele: Geſ. v. 4.
Mai 1868 für die Hohenzollern’ſchen Lande. (B.-G.-Bl. 1868 S. 150). Geſ.
v. 4. Juli 1868 (B.-G.-Bl. S. 375) für beide Mecklenburg, Lauenburg, Lübeck
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Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 7
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[97/0111] §. 60. Die Wirkungen der Reichsgeſetze. offenbar Unrichtiges ausſagen; denn es iſt zweifellos, daß das Reich auch ſolche Geſetze geben kann, welche außerhalb des Bun- desgebietes zur Geltung und Wirkſamkeit kommen und zwar nicht nur in den Jurisdictions-Bezirken der Reichsconſulate, ſondern allgemein im Auslande. Territorial begränzt iſt nur die Hand- habung des Rechtsſchutzes; ſie kann nur in dem Bundesgebiet verwirklicht werden, dem die Konſular-Jurisdictionsbezirke und in einigen Beziehungen die deutſchen Seeſchiffe hinzutreten. Soweit die Geſetze dagegen die Reichsangehörigen zu Handlungen oder Unterlaſſungen verpflichten oder ſonſt Rechtsnormen für ihr Verhalten aufſtellen, iſt ihr Geltungsbereich örtlich überhaupt nicht begränzt. Beiſpiele liefern das Konſulatsgeſetz, das Reichs- beamten-Geſetz hinſichtlich der Reichsbeamten, welche im Auslande ihren Wohnſitz haben, die Mehrzahl der auf die Seeſchifffahrt be- züglichen Geſetze, das Geſetz über die Beurkundung des Perſonen- ſtandes §§. 61—64; 68 Abſ. 2; 85; die Vorſchriften über Be- ſtrafung von Verbrechen, welche im Auslande verübt werden (R.-St.-G.-B. §. 4 fg.), Militär-Strafgeſetzb. §. 7. 161. See- manns-Ordn. v. 27. Dez. 1872 §. 100 u. ſ. w. Die Worte ſollen vielmehr nur andeuten, daß für die Geſetz- gebung des Reiches das Bundesgebiet eine Einheit iſt, und daß die in dem vorhergehenden Artikel 1 aufgeführten Staaten, aus deren Gebieten das Bundesgebiet beſteht, für die räumliche Gel- tung der Reichsgeſetze keine geſonderten Rechtsgebiete bilden. Nur ſoweit Reſervatrechte einzelner Staaten die Kompetenz des Reiches zur Geſetzgebung beſchränken, iſt eine Ausnahme begründet. Dieſe Einheit des Bundesgebietes als Geltungsbereich der Reichsgeſetze ſchließt aber nicht den Satz ein, daß das Reich ſeine Geſetze immer für das ganze Bundesgebiet erlaſſen müſſe. Ge- ſetze und ebenſo Verordnungen des Reiches können auch für Theile des Bundesgebietes gegeben werden und zwar ohne Rückſicht da- rauf, ob das Geltungsgebiet des Reichsgeſetzes mit dem Gebiete eines oder mehrerer Bundesſtaaten zuſammenfällt oder nicht 1). Nur 1) Hierſemenzel I. S. 36. Riedel, S. 81. Beiſpiele: Geſ. v. 4. Mai 1868 für die Hohenzollern’ſchen Lande. (B.-G.-Bl. 1868 S. 150). Geſ. v. 4. Juli 1868 (B.-G.-Bl. S. 375) für beide Mecklenburg, Lauenburg, Lübeck und Preußiſche Gebietstheile; Geſ. v. 8. Juli 1868 (B.-G.-Bl. S. 384) für Laband, Reichsſtaatsrecht. II. 7

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/111>, abgerufen am 27.11.2024.