Staaten sich verständigt haben, wie ehemals zur Zeit des früheren Bundes über Wechsel-Ordnung und Handelsgesetzbuch, sondern sie gelten, weil das Reich sie erlassen hat. Dasselbe gilt auch für das Königreich Bayern, in welchem durch das Reichsgesetz vom 22. April 1871 (B.-G.-Bl. S. 87) zahlreiche Norddeutsche Bun- desgesetze "als Reichsgesetze" eingeführt worden sind.
3) Endlich bestimmt § 3: "Die Vereinbarungen in dem zu Versailles am 15. November 1870 aufgenommenen Protokoll, in der Verhandlung zu Berlin vom 25. November 1870, dem Schluß- protokoll vom 23. November 1870, sowie unter IV des Vertrages mit Bayern vom 23. November 1870 werden durch dieses Gesetz nicht berührt." Als Grund, warum diese Bestim- mungen nicht in die Verfassung selbst aufgenommen worden sind, wird in den Motiven 1) angegeben: "ihr theils vorübergehender, theils erläuternder, theils administrativer Charakter;" hinzugefügt wird: "Ihre fortdauernde Geltung ist durch § 3 des Einf. Ges. außer Zweifel gestellt."
Der § 3 verhält sich aber diesen Bestimmungen gegenüber ganz negativ; er constatirt nur, daß das Publikationsgesetz der Reichsverfassung "sie nicht berührt;" er stattet weder die Geltung der Bestimmungen mit einem neuen Rechtsgrunde, dem der ge- setzlichen Sanctionirung aus, noch verändert er den ursprünglichen Charakter ihrer Feststellung 2). Soweit die Bestimmungen der Schlußprotokolle etc. aus sachlichen oder rechtlichen Gründen un- wirksam geworden oder ihre Kraft verloren haben, werden sie durch § 3 des Einf. Gesetzes nicht gestützt und aufrecht erhalten oder gar wieder hergestellt.
III. Das in der beschriebenen Art zum formellen Abschlusse gelangte Verfassungswerk des Deutschen Reiches hat nachträglich folgende Abänderungen erfahren:
Art. 28 Abs. 2 wurde aufgehoben durch Ges. v. 24. Febr. 1873 (R.-G.-Bl. S. 45)
Art. 4 Nr. 9 erhielt einen Zusatz durch Ges. v. 3. März 1873 (R.-G.-Bl. S. 47)
1) Reichstag 1871. Drucksachen Nr. 4.
2) Vgl. Hänel Studien I. S. 89.
4*
§. 5. Die Redaction der Reichsverfaſſung.
Staaten ſich verſtändigt haben, wie ehemals zur Zeit des früheren Bundes über Wechſel-Ordnung und Handelsgeſetzbuch, ſondern ſie gelten, weil das Reich ſie erlaſſen hat. Daſſelbe gilt auch für das Königreich Bayern, in welchem durch das Reichsgeſetz vom 22. April 1871 (B.-G.-Bl. S. 87) zahlreiche Norddeutſche Bun- desgeſetze „als Reichsgeſetze“ eingeführt worden ſind.
3) Endlich beſtimmt § 3: „Die Vereinbarungen in dem zu Verſailles am 15. November 1870 aufgenommenen Protokoll, in der Verhandlung zu Berlin vom 25. November 1870, dem Schluß- protokoll vom 23. November 1870, ſowie unter IV des Vertrages mit Bayern vom 23. November 1870 werden durch dieſes Geſetz nicht berührt.“ Als Grund, warum dieſe Beſtim- mungen nicht in die Verfaſſung ſelbſt aufgenommen worden ſind, wird in den Motiven 1) angegeben: „ihr theils vorübergehender, theils erläuternder, theils adminiſtrativer Charakter;“ hinzugefügt wird: „Ihre fortdauernde Geltung iſt durch § 3 des Einf. Geſ. außer Zweifel geſtellt.“
Der § 3 verhält ſich aber dieſen Beſtimmungen gegenüber ganz negativ; er conſtatirt nur, daß das Publikationsgeſetz der Reichsverfaſſung „ſie nicht berührt;“ er ſtattet weder die Geltung der Beſtimmungen mit einem neuen Rechtsgrunde, dem der ge- ſetzlichen Sanctionirung aus, noch verändert er den urſprünglichen Charakter ihrer Feſtſtellung 2). Soweit die Beſtimmungen der Schlußprotokolle ꝛc. aus ſachlichen oder rechtlichen Gründen un- wirkſam geworden oder ihre Kraft verloren haben, werden ſie durch § 3 des Einf. Geſetzes nicht geſtützt und aufrecht erhalten oder gar wieder hergeſtellt.
III. Das in der beſchriebenen Art zum formellen Abſchluſſe gelangte Verfaſſungswerk des Deutſchen Reiches hat nachträglich folgende Abänderungen erfahren:
Art. 28 Abſ. 2 wurde aufgehoben durch Geſ. v. 24. Febr. 1873 (R.-G.-Bl. S. 45)
Art. 4 Nr. 9 erhielt einen Zuſatz durch Geſ. v. 3. März 1873 (R.-G.-Bl. S. 47)
1) Reichstag 1871. Druckſachen Nr. 4.
2) Vgl. Hänel Studien I. S. 89.
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§. 5. Die Redaction der Reichsverfaſſung.
Staaten ſich verſtändigt haben, wie ehemals zur Zeit des früheren
Bundes über Wechſel-Ordnung und Handelsgeſetzbuch, ſondern
ſie gelten, weil das Reich ſie erlaſſen hat. Daſſelbe gilt auch
für das Königreich Bayern, in welchem durch das Reichsgeſetz vom
22. April 1871 (B.-G.-Bl. S. 87) zahlreiche Norddeutſche Bun-
desgeſetze „als Reichsgeſetze“ eingeführt worden ſind.
3) Endlich beſtimmt § 3: „Die Vereinbarungen in dem zu
Verſailles am 15. November 1870 aufgenommenen Protokoll, in
der Verhandlung zu Berlin vom 25. November 1870, dem Schluß-
protokoll vom 23. November 1870, ſowie unter IV des Vertrages
mit Bayern vom 23. November 1870 werden durch dieſes
Geſetz nicht berührt.“ Als Grund, warum dieſe Beſtim-
mungen nicht in die Verfaſſung ſelbſt aufgenommen worden ſind,
wird in den Motiven 1) angegeben: „ihr theils vorübergehender,
theils erläuternder, theils adminiſtrativer Charakter;“ hinzugefügt
wird: „Ihre fortdauernde Geltung iſt durch § 3 des Einf. Geſ.
außer Zweifel geſtellt.“
Der § 3 verhält ſich aber dieſen Beſtimmungen gegenüber
ganz negativ; er conſtatirt nur, daß das Publikationsgeſetz der
Reichsverfaſſung „ſie nicht berührt;“ er ſtattet weder die Geltung
der Beſtimmungen mit einem neuen Rechtsgrunde, dem der ge-
ſetzlichen Sanctionirung aus, noch verändert er den urſprünglichen
Charakter ihrer Feſtſtellung 2). Soweit die Beſtimmungen der
Schlußprotokolle ꝛc. aus ſachlichen oder rechtlichen Gründen un-
wirkſam geworden oder ihre Kraft verloren haben, werden ſie
durch § 3 des Einf. Geſetzes nicht geſtützt und aufrecht erhalten
oder gar wieder hergeſtellt.
III. Das in der beſchriebenen Art zum formellen Abſchluſſe
gelangte Verfaſſungswerk des Deutſchen Reiches hat nachträglich
folgende Abänderungen erfahren:
Art. 28 Abſ. 2 wurde aufgehoben durch Geſ. v. 24. Febr.
1873 (R.-G.-Bl. S. 45)
Art. 4 Nr. 9 erhielt einen Zuſatz durch Geſ. v. 3. März
1873 (R.-G.-Bl. S. 47)
1) Reichstag 1871. Druckſachen Nr. 4.
2) Vgl. Hänel Studien I. S. 89.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/71>, abgerufen am 04.07.2024.
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