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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 4. Die Gründung des Deutschen Reiches.
nuar 1871 das deutsche Reich gegründet werden sollte, daß an
diesem Tage die Verfassung desselben in Kraft treten sollte.

3) Die Genehmigung der Volksvertretungen des Norddeut-
schen Bundes und der 4 süddeutschen Staaten beziehen sich auf
diese "Gründung" d. h. im Norddeutschen Bunde auf die Erwei-
terung desselben durch Aufnahme der süddeutschen Staaten, in den
süddeutschen Staaten auf deren Eintritt in den Bund. Die Reichs-
verfassung ist in den süddeutschen Staaten nicht als "Landesgesetz"
eingeführt worden; es wäre dies eben so unmöglich gewesen, wie
die Einführung der Norddeutschen Bundesverfassung als Landes-
gesetze der Norddeutschen Staaten 1). Der Eintritt der Süddeut-
schen Staaten in den Bund hat zwar eine höchst eingreifende Ver-
änderung ihres Landesrechtes bewirkt und zur Folge gehabt, aber
nur dieser Eintritt selbst ist ein Willensakt der süddeutschen Staa-
ten gewesen, die Einrichtungen des Bundes sind nicht Objecte der
Staatsgewalt und mithin auch nicht der Gesetzgebung der süddeut-
schen Staaten.

Auch formell war in den Süddeutschen Staaten der Vorgang
diesem Sachverhalt entsprechend, indem nicht die Bundesverfassung
als solche gesetzlich sanctionirt wurde, sondern die "Verträge" un-
ter Constatirung der ihnen zu Theil gewordenen landständischen
Genehmigung und der erfolgten Ratifizirung verkündet wurden 2).

Dagegen hat die Zustimmung des Norddeutschen Reichstages
eine etwas abweichende Bedeutung. Auch hier war sie "Geneh-
migung der Verträge" 3) und damit staatsrechtliche Ermächtigung
der Bundesregierung, die zur Ausführung der Verträge erforder-
lichen Handlungen vorzunehmen. Aber zugleich gehörte zur Aus-
führung dieser Verträge eine Veränderung der bisher geltenden
Bundesverfassung, und zwar nicht nur redactionell durch

1) Siehe oben S. 27 ff.
2) Badisches u. Hessisches Regierungsblatt v. 31. Dezem-
ber 1870. Württemberg Regierungsbl. 1871 Nr. 1. Bayerisches
Gesetzbl
. 1871 Nr. 22 S. 149. In den 3 ersten Staaten wurde dann noch
besonders der Bayerische Vertrag verkündigt. Vgl. Thudichum in v. Hol-
zendorffs Jahrb. I S. 5 Note 2.
3) Der Reichstag nahm an dem Vertrage mit Bayern drei unerhebliche
Fassungs-Aenderungen vor, welche sowohl vom Bundesrath und von Bayern
als auch von den anderen süddeutschen Staaten acceptirt wurden.

§. 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches.
nuar 1871 das deutſche Reich gegründet werden ſollte, daß an
dieſem Tage die Verfaſſung deſſelben in Kraft treten ſollte.

3) Die Genehmigung der Volksvertretungen des Norddeut-
ſchen Bundes und der 4 ſüddeutſchen Staaten beziehen ſich auf
dieſe „Gründung“ d. h. im Norddeutſchen Bunde auf die Erwei-
terung deſſelben durch Aufnahme der ſüddeutſchen Staaten, in den
ſüddeutſchen Staaten auf deren Eintritt in den Bund. Die Reichs-
verfaſſung iſt in den ſüddeutſchen Staaten nicht als „Landesgeſetz“
eingeführt worden; es wäre dies eben ſo unmöglich geweſen, wie
die Einführung der Norddeutſchen Bundesverfaſſung als Landes-
geſetze der Norddeutſchen Staaten 1). Der Eintritt der Süddeut-
ſchen Staaten in den Bund hat zwar eine höchſt eingreifende Ver-
änderung ihres Landesrechtes bewirkt und zur Folge gehabt, aber
nur dieſer Eintritt ſelbſt iſt ein Willensakt der ſüddeutſchen Staa-
ten geweſen, die Einrichtungen des Bundes ſind nicht Objecte der
Staatsgewalt und mithin auch nicht der Geſetzgebung der ſüddeut-
ſchen Staaten.

Auch formell war in den Süddeutſchen Staaten der Vorgang
dieſem Sachverhalt entſprechend, indem nicht die Bundesverfaſſung
als ſolche geſetzlich ſanctionirt wurde, ſondern die „Verträge“ un-
ter Conſtatirung der ihnen zu Theil gewordenen landſtändiſchen
Genehmigung und der erfolgten Ratifizirung verkündet wurden 2).

Dagegen hat die Zuſtimmung des Norddeutſchen Reichstages
eine etwas abweichende Bedeutung. Auch hier war ſie „Geneh-
migung der Verträge“ 3) und damit ſtaatsrechtliche Ermächtigung
der Bundesregierung, die zur Ausführung der Verträge erforder-
lichen Handlungen vorzunehmen. Aber zugleich gehörte zur Aus-
führung dieſer Verträge eine Veränderung der bisher geltenden
Bundesverfaſſung, und zwar nicht nur redactionell durch

1) Siehe oben S. 27 ff.
2) Badiſches u. Heſſiſches Regierungsblatt v. 31. Dezem-
ber 1870. Württemberg Regierungsbl. 1871 Nr. 1. Bayeriſches
Geſetzbl
. 1871 Nr. 22 S. 149. In den 3 erſten Staaten wurde dann noch
beſonders der Bayeriſche Vertrag verkündigt. Vgl. Thudichum in v. Hol-
zendorffs Jahrb. I S. 5 Note 2.
3) Der Reichstag nahm an dem Vertrage mit Bayern drei unerhebliche
Faſſungs-Aenderungen vor, welche ſowohl vom Bundesrath und von Bayern
als auch von den anderen ſüddeutſchen Staaten acceptirt wurden.
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[45/0065] §. 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches. nuar 1871 das deutſche Reich gegründet werden ſollte, daß an dieſem Tage die Verfaſſung deſſelben in Kraft treten ſollte. 3) Die Genehmigung der Volksvertretungen des Norddeut- ſchen Bundes und der 4 ſüddeutſchen Staaten beziehen ſich auf dieſe „Gründung“ d. h. im Norddeutſchen Bunde auf die Erwei- terung deſſelben durch Aufnahme der ſüddeutſchen Staaten, in den ſüddeutſchen Staaten auf deren Eintritt in den Bund. Die Reichs- verfaſſung iſt in den ſüddeutſchen Staaten nicht als „Landesgeſetz“ eingeführt worden; es wäre dies eben ſo unmöglich geweſen, wie die Einführung der Norddeutſchen Bundesverfaſſung als Landes- geſetze der Norddeutſchen Staaten 1). Der Eintritt der Süddeut- ſchen Staaten in den Bund hat zwar eine höchſt eingreifende Ver- änderung ihres Landesrechtes bewirkt und zur Folge gehabt, aber nur dieſer Eintritt ſelbſt iſt ein Willensakt der ſüddeutſchen Staa- ten geweſen, die Einrichtungen des Bundes ſind nicht Objecte der Staatsgewalt und mithin auch nicht der Geſetzgebung der ſüddeut- ſchen Staaten. Auch formell war in den Süddeutſchen Staaten der Vorgang dieſem Sachverhalt entſprechend, indem nicht die Bundesverfaſſung als ſolche geſetzlich ſanctionirt wurde, ſondern die „Verträge“ un- ter Conſtatirung der ihnen zu Theil gewordenen landſtändiſchen Genehmigung und der erfolgten Ratifizirung verkündet wurden 2). Dagegen hat die Zuſtimmung des Norddeutſchen Reichstages eine etwas abweichende Bedeutung. Auch hier war ſie „Geneh- migung der Verträge“ 3) und damit ſtaatsrechtliche Ermächtigung der Bundesregierung, die zur Ausführung der Verträge erforder- lichen Handlungen vorzunehmen. Aber zugleich gehörte zur Aus- führung dieſer Verträge eine Veränderung der bisher geltenden Bundesverfaſſung, und zwar nicht nur redactionell durch 1) Siehe oben S. 27 ff. 2) Badiſches u. Heſſiſches Regierungsblatt v. 31. Dezem- ber 1870. Württemberg Regierungsbl. 1871 Nr. 1. Bayeriſches Geſetzbl. 1871 Nr. 22 S. 149. In den 3 erſten Staaten wurde dann noch beſonders der Bayeriſche Vertrag verkündigt. Vgl. Thudichum in v. Hol- zendorffs Jahrb. I S. 5 Note 2. 3) Der Reichstag nahm an dem Vertrage mit Bayern drei unerhebliche Faſſungs-Aenderungen vor, welche ſowohl vom Bundesrath und von Bayern als auch von den anderen ſüddeutſchen Staaten acceptirt wurden.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/65>, abgerufen am 24.11.2024.