Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 4. Die Gründung des Deutschen Reiches.

Hinsichtlich des Verhältnisses, in welchem diese verschiedenen,
mit den süddeutschen Staaten abgeschlossenen Verträge zu einander
stehen, ist ein Umstand von erheblicher Bedeutung, welchen Staats-
minister Delbrück in der oben in Bezug genommenen Rede in
folgender Weise angegeben hat:
"Als mit Württemberg, Baden und Hessen verhandelt
wurde, waren die Wünsche Bayern's bekannt. Es fand
von Seiten des Präsidiums keinen Anstand, einer Zahl
dieser Wünsche sofort zu entsprechen. Es wurde davon,
wie es nicht anders sein konnte, den übrigen verhandeln-
den Staaten Mittheilung gemacht; sie eigneten sich die
Bayerischen Amendements an, und so sind in ... die An-
lage des Protokolls vom 15. November eine Anzahl Be-
stimmungen aufgenommen, welche eigentlich, wenn ich so
sagen darf, Bayerischen Ursprungs sind, welche der Initia-
tive Bayerns ihren Ursprung verdankten."

Aus dieser Thatsache erklärt sich, daß Baden und Hessen
nicht einfach die Verfassung des Norddeutschen Bundes mit den
in Folge ihres Beitritts selbstverständlichen formellen Abänderun-
gen annahmen, sondern daß dem Vertrage vom 15. Nov. 1870
eine Verfassung beigelegt wurde, welche von der des Norddeutschen
Bundes mehrfach und zwar in der Tendenz abweicht, um den
von Bayern erhobenen Wünschen zu genügen, obwohl die Zuge-
hörigkeit Bayerns zum Bunde in dieser Verfassungsredaction selbst
nicht vorausgesetzt ist.

IV. Endlich ist am 8. Dezember 1870 noch ein Vertrag
zu Berlin
unterzeichnet worden, in welchem Württemberg, Baden
und Hessen dem zwischen dem Norddeutschen Bunde und Bayern
geschlossenen Vertrage, und Bayern, soweit dies noch erforderlich
war, den zwischen dem Norddeutschen Bunde und Baden, Hessen
und Württemberg abgeschlossenen Verträgen, nebst Anlagen, Pro-
tokollen und Militair-Konvention zustimmten.

V. In formeller Beziehung erfuhr die unter den deutschen
Staaten vereinbarte Verfassung dadurch eine wichtige Veränderung,
daß auf Anregung des Königs von Bayern einstimmig vereinbart
wurde, daß der deutsche Bund den Namen "Deutsches Reich" er-
halte und daß die Ausübung der Präsidialrechte des Bundes mit

§. 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches.

Hinſichtlich des Verhältniſſes, in welchem dieſe verſchiedenen,
mit den ſüddeutſchen Staaten abgeſchloſſenen Verträge zu einander
ſtehen, iſt ein Umſtand von erheblicher Bedeutung, welchen Staats-
miniſter Delbrück in der oben in Bezug genommenen Rede in
folgender Weiſe angegeben hat:
„Als mit Württemberg, Baden und Heſſen verhandelt
wurde, waren die Wünſche Bayern’s bekannt. Es fand
von Seiten des Präſidiums keinen Anſtand, einer Zahl
dieſer Wünſche ſofort zu entſprechen. Es wurde davon,
wie es nicht anders ſein konnte, den übrigen verhandeln-
den Staaten Mittheilung gemacht; ſie eigneten ſich die
Bayeriſchen Amendements an, und ſo ſind in … die An-
lage des Protokolls vom 15. November eine Anzahl Be-
ſtimmungen aufgenommen, welche eigentlich, wenn ich ſo
ſagen darf, Bayeriſchen Urſprungs ſind, welche der Initia-
tive Bayerns ihren Urſprung verdankten.“

Aus dieſer Thatſache erklärt ſich, daß Baden und Heſſen
nicht einfach die Verfaſſung des Norddeutſchen Bundes mit den
in Folge ihres Beitritts ſelbſtverſtändlichen formellen Abänderun-
gen annahmen, ſondern daß dem Vertrage vom 15. Nov. 1870
eine Verfaſſung beigelegt wurde, welche von der des Norddeutſchen
Bundes mehrfach und zwar in der Tendenz abweicht, um den
von Bayern erhobenen Wünſchen zu genügen, obwohl die Zuge-
hörigkeit Bayerns zum Bunde in dieſer Verfaſſungsredaction ſelbſt
nicht vorausgeſetzt iſt.

IV. Endlich iſt am 8. Dezember 1870 noch ein Vertrag
zu Berlin
unterzeichnet worden, in welchem Württemberg, Baden
und Heſſen dem zwiſchen dem Norddeutſchen Bunde und Bayern
geſchloſſenen Vertrage, und Bayern, ſoweit dies noch erforderlich
war, den zwiſchen dem Norddeutſchen Bunde und Baden, Heſſen
und Württemberg abgeſchloſſenen Verträgen, nebſt Anlagen, Pro-
tokollen und Militair-Konvention zuſtimmten.

V. In formeller Beziehung erfuhr die unter den deutſchen
Staaten vereinbarte Verfaſſung dadurch eine wichtige Veränderung,
daß auf Anregung des Königs von Bayern einſtimmig vereinbart
wurde, daß der deutſche Bund den Namen „Deutſches Reich“ er-
halte und daß die Ausübung der Präſidialrechte des Bundes mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0062" n="42"/>
          <fw place="top" type="header">§. 4. Die Gründung des Deut&#x017F;chen Reiches.</fw><lb/>
          <p>Hin&#x017F;ichtlich des Verhältni&#x017F;&#x017F;es, in welchem die&#x017F;e ver&#x017F;chiedenen,<lb/>
mit den &#x017F;üddeut&#x017F;chen Staaten abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Verträge zu einander<lb/>
&#x017F;tehen, i&#x017F;t ein Um&#x017F;tand von erheblicher Bedeutung, welchen Staats-<lb/>
mini&#x017F;ter <hi rendition="#g">Delbrück</hi> in der oben in Bezug genommenen Rede in<lb/>
folgender Wei&#x017F;e angegeben hat:<lb/><hi rendition="#et">&#x201E;Als mit Württemberg, Baden und He&#x017F;&#x017F;en verhandelt<lb/>
wurde, waren die Wün&#x017F;che Bayern&#x2019;s bekannt. Es fand<lb/>
von Seiten des Prä&#x017F;idiums keinen An&#x017F;tand, einer Zahl<lb/>
die&#x017F;er Wün&#x017F;che &#x017F;ofort zu ent&#x017F;prechen. Es wurde davon,<lb/>
wie es nicht anders &#x017F;ein konnte, den übrigen verhandeln-<lb/>
den Staaten Mittheilung gemacht; &#x017F;ie eigneten &#x017F;ich die<lb/>
Bayeri&#x017F;chen Amendements an, und &#x017F;o &#x017F;ind in &#x2026; die An-<lb/>
lage des Protokolls vom 15. November eine Anzahl Be-<lb/>
&#x017F;timmungen aufgenommen, welche eigentlich, wenn ich &#x017F;o<lb/>
&#x017F;agen darf, Bayeri&#x017F;chen Ur&#x017F;prungs &#x017F;ind, welche der Initia-<lb/>
tive Bayerns ihren Ur&#x017F;prung verdankten.&#x201C;</hi></p><lb/>
          <p>Aus die&#x017F;er That&#x017F;ache erklärt &#x017F;ich, daß Baden und He&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht einfach die Verfa&#x017F;&#x017F;ung des Norddeut&#x017F;chen Bundes mit den<lb/>
in Folge ihres Beitritts &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlichen formellen Abänderun-<lb/>
gen annahmen, &#x017F;ondern daß dem Vertrage vom 15. Nov. 1870<lb/>
eine Verfa&#x017F;&#x017F;ung beigelegt wurde, welche von der des Norddeut&#x017F;chen<lb/>
Bundes mehrfach und zwar in der Tendenz abweicht, um den<lb/>
von Bayern erhobenen Wün&#x017F;chen zu genügen, obwohl die Zuge-<lb/>
hörigkeit Bayerns zum Bunde in die&#x017F;er Verfa&#x017F;&#x017F;ungsredaction &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nicht vorausge&#x017F;etzt i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">IV.</hi> Endlich i&#x017F;t am 8. Dezember 1870 noch ein <hi rendition="#g">Vertrag<lb/>
zu Berlin</hi> unterzeichnet worden, in welchem Württemberg, Baden<lb/>
und He&#x017F;&#x017F;en dem zwi&#x017F;chen dem Norddeut&#x017F;chen Bunde und Bayern<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Vertrage, und Bayern, &#x017F;oweit dies noch erforderlich<lb/>
war, den zwi&#x017F;chen dem Norddeut&#x017F;chen Bunde und Baden, He&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und Württemberg abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Verträgen, neb&#x017F;t Anlagen, Pro-<lb/>
tokollen und Militair-Konvention zu&#x017F;timmten.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">V.</hi> In formeller Beziehung erfuhr die unter den deut&#x017F;chen<lb/>
Staaten vereinbarte Verfa&#x017F;&#x017F;ung dadurch eine wichtige Veränderung,<lb/>
daß auf Anregung des Königs von Bayern ein&#x017F;timmig vereinbart<lb/>
wurde, daß der deut&#x017F;che Bund den Namen &#x201E;Deut&#x017F;ches Reich&#x201C; er-<lb/>
halte und daß die Ausübung der Prä&#x017F;idialrechte des Bundes mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0062] §. 4. Die Gründung des Deutſchen Reiches. Hinſichtlich des Verhältniſſes, in welchem dieſe verſchiedenen, mit den ſüddeutſchen Staaten abgeſchloſſenen Verträge zu einander ſtehen, iſt ein Umſtand von erheblicher Bedeutung, welchen Staats- miniſter Delbrück in der oben in Bezug genommenen Rede in folgender Weiſe angegeben hat: „Als mit Württemberg, Baden und Heſſen verhandelt wurde, waren die Wünſche Bayern’s bekannt. Es fand von Seiten des Präſidiums keinen Anſtand, einer Zahl dieſer Wünſche ſofort zu entſprechen. Es wurde davon, wie es nicht anders ſein konnte, den übrigen verhandeln- den Staaten Mittheilung gemacht; ſie eigneten ſich die Bayeriſchen Amendements an, und ſo ſind in … die An- lage des Protokolls vom 15. November eine Anzahl Be- ſtimmungen aufgenommen, welche eigentlich, wenn ich ſo ſagen darf, Bayeriſchen Urſprungs ſind, welche der Initia- tive Bayerns ihren Urſprung verdankten.“ Aus dieſer Thatſache erklärt ſich, daß Baden und Heſſen nicht einfach die Verfaſſung des Norddeutſchen Bundes mit den in Folge ihres Beitritts ſelbſtverſtändlichen formellen Abänderun- gen annahmen, ſondern daß dem Vertrage vom 15. Nov. 1870 eine Verfaſſung beigelegt wurde, welche von der des Norddeutſchen Bundes mehrfach und zwar in der Tendenz abweicht, um den von Bayern erhobenen Wünſchen zu genügen, obwohl die Zuge- hörigkeit Bayerns zum Bunde in dieſer Verfaſſungsredaction ſelbſt nicht vorausgeſetzt iſt. IV. Endlich iſt am 8. Dezember 1870 noch ein Vertrag zu Berlin unterzeichnet worden, in welchem Württemberg, Baden und Heſſen dem zwiſchen dem Norddeutſchen Bunde und Bayern geſchloſſenen Vertrage, und Bayern, ſoweit dies noch erforderlich war, den zwiſchen dem Norddeutſchen Bunde und Baden, Heſſen und Württemberg abgeſchloſſenen Verträgen, nebſt Anlagen, Pro- tokollen und Militair-Konvention zuſtimmten. V. In formeller Beziehung erfuhr die unter den deutſchen Staaten vereinbarte Verfaſſung dadurch eine wichtige Veränderung, daß auf Anregung des Königs von Bayern einſtimmig vereinbart wurde, daß der deutſche Bund den Namen „Deutſches Reich“ er- halte und daß die Ausübung der Präſidialrechte des Bundes mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/62
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/62>, abgerufen am 24.11.2024.