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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
haben, keine Notiz nehmen." Der Werth recht zahlreicher An-
träge besteht lediglich in den durch sie hervorgerufenen Widerleg-
ungen Seitens der Bundescommissare; indem die letzteren Grund
und Tragweite der in dem Entwurf enthaltenen Bestimmungen
entwickelten und dadurch theilweise dem Mangel an Motiven ab-
halfen, von deren Ausarbeitung theils aus Rücksicht auf den Zeit-
aufwand theils auf die Schwierigkeit ihrer Feststellung Abstand ge-
nommen worden war 1).

Im Allgemeinen aber hielt der Reichstag an den Grundge-
gedanken des Entwurfs fest, lehnte alle mit demselben in unverein-
barem Contrast stehende Abänderungen ab und erwarb sich das
Verdienst, den Entwurf an einer bedeutenden Anzahl von Stellen
erheblich verbessert zu haben 2).

Am 16. April 1867 hat der Reichstag die Berathung des
Entwurfs zu Ende geführt und ihn in der Gestalt, wie er aus
dieser Berathung hervorgegangen ist, mit 230 gegen 53 3) Stim-
men angenommen. An demselben Tage traten die Commissarien
der verbündeten Regierungen zu einer Sitzung zusammen und be-
schlossen einstimmig:
den Verfassungs-Entwurf, wie er aus der Schlußberathung
des Reichstages hervorgegangen ist, anzunehmen 4).

Die rechtliche Lage, welche durch diese Beschlüsse geschaffen
wurde, bedarf einer näheren Fixirung. Die Errichtung des

1) Erklärung des Fürsten Bismarck v. 11. März 1867. Stenogr. Berichte
S. 135.
2) Fürst Bismarck gab in der Sitzung vom 15. April 1867 (Stenogr.
Berichte S. 695) eine Uebersicht der etwa 40 Punkte, in denen der Reichstag
Abänderungen beschlossen hatte und erklärte, daß die Regierungen darin "zum
Theil zweifellose Verbesserungen erkannt haben", während ihnen bei einem
andern Theile "die Annahme nicht leicht geworden." -- Eine erhebliche Diffe-
renz blieb nur bestehen hinsichtlich der Sicherstellung der Heereseinrichtungen
und der Bewilligung von Diäten. In Beziehung auf den ersten Punkt einigte
man sich über eine temporäre Fixirung des Präsenzstandes mit einem Pausch-
quantum, in dem zweiten Punkt gab der Reichstag nach.
3) Darunter 11 Polen und -- -- 5 Abgeordnete der Stadt Berlin!!
(Hahn S. 599).
4) Das Protokoll ist dem Reichstag am 17. April 1866 mitgetheilt worden.
(Stenogr. Berichte S. 731.) Noch an demselben Tage wurde der Reichstag
mit einer Thronrede geschlossen, welche dem Gefühle aufrichtiger Genugthuung
über das Zustandekommen des nationalen Werkes beredten Ausdruck gab.

§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
haben, keine Notiz nehmen.“ Der Werth recht zahlreicher An-
träge beſteht lediglich in den durch ſie hervorgerufenen Widerleg-
ungen Seitens der Bundescommiſſare; indem die letzteren Grund
und Tragweite der in dem Entwurf enthaltenen Beſtimmungen
entwickelten und dadurch theilweiſe dem Mangel an Motiven ab-
halfen, von deren Ausarbeitung theils aus Rückſicht auf den Zeit-
aufwand theils auf die Schwierigkeit ihrer Feſtſtellung Abſtand ge-
nommen worden war 1).

Im Allgemeinen aber hielt der Reichstag an den Grundge-
gedanken des Entwurfs feſt, lehnte alle mit demſelben in unverein-
barem Contraſt ſtehende Abänderungen ab und erwarb ſich das
Verdienſt, den Entwurf an einer bedeutenden Anzahl von Stellen
erheblich verbeſſert zu haben 2).

Am 16. April 1867 hat der Reichstag die Berathung des
Entwurfs zu Ende geführt und ihn in der Geſtalt, wie er aus
dieſer Berathung hervorgegangen iſt, mit 230 gegen 53 3) Stim-
men angenommen. An demſelben Tage traten die Commiſſarien
der verbündeten Regierungen zu einer Sitzung zuſammen und be-
ſchloſſen einſtimmig:
den Verfaſſungs-Entwurf, wie er aus der Schlußberathung
des Reichstages hervorgegangen iſt, anzunehmen 4).

Die rechtliche Lage, welche durch dieſe Beſchlüſſe geſchaffen
wurde, bedarf einer näheren Fixirung. Die Errichtung des

1) Erklärung des Fürſten Bismarck v. 11. März 1867. Stenogr. Berichte
S. 135.
2) Fürſt Bismarck gab in der Sitzung vom 15. April 1867 (Stenogr.
Berichte S. 695) eine Ueberſicht der etwa 40 Punkte, in denen der Reichstag
Abänderungen beſchloſſen hatte und erklärte, daß die Regierungen darin „zum
Theil zweifelloſe Verbeſſerungen erkannt haben“, während ihnen bei einem
andern Theile „die Annahme nicht leicht geworden.“ — Eine erhebliche Diffe-
renz blieb nur beſtehen hinſichtlich der Sicherſtellung der Heereseinrichtungen
und der Bewilligung von Diäten. In Beziehung auf den erſten Punkt einigte
man ſich über eine temporäre Fixirung des Präſenzſtandes mit einem Pauſch-
quantum, in dem zweiten Punkt gab der Reichstag nach.
3) Darunter 11 Polen und — — 5 Abgeordnete der Stadt Berlin!!
(Hahn S. 599).
4) Das Protokoll iſt dem Reichstag am 17. April 1866 mitgetheilt worden.
(Stenogr. Berichte S. 731.) Noch an demſelben Tage wurde der Reichstag
mit einer Thronrede geſchloſſen, welche dem Gefühle aufrichtiger Genugthuung
über das Zuſtandekommen des nationalen Werkes beredten Ausdruck gab.
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[25/0045] §. 2. Die Gründung des nordd. Bundes. haben, keine Notiz nehmen.“ Der Werth recht zahlreicher An- träge beſteht lediglich in den durch ſie hervorgerufenen Widerleg- ungen Seitens der Bundescommiſſare; indem die letzteren Grund und Tragweite der in dem Entwurf enthaltenen Beſtimmungen entwickelten und dadurch theilweiſe dem Mangel an Motiven ab- halfen, von deren Ausarbeitung theils aus Rückſicht auf den Zeit- aufwand theils auf die Schwierigkeit ihrer Feſtſtellung Abſtand ge- nommen worden war 1). Im Allgemeinen aber hielt der Reichstag an den Grundge- gedanken des Entwurfs feſt, lehnte alle mit demſelben in unverein- barem Contraſt ſtehende Abänderungen ab und erwarb ſich das Verdienſt, den Entwurf an einer bedeutenden Anzahl von Stellen erheblich verbeſſert zu haben 2). Am 16. April 1867 hat der Reichstag die Berathung des Entwurfs zu Ende geführt und ihn in der Geſtalt, wie er aus dieſer Berathung hervorgegangen iſt, mit 230 gegen 53 3) Stim- men angenommen. An demſelben Tage traten die Commiſſarien der verbündeten Regierungen zu einer Sitzung zuſammen und be- ſchloſſen einſtimmig: den Verfaſſungs-Entwurf, wie er aus der Schlußberathung des Reichstages hervorgegangen iſt, anzunehmen 4). Die rechtliche Lage, welche durch dieſe Beſchlüſſe geſchaffen wurde, bedarf einer näheren Fixirung. Die Errichtung des 1) Erklärung des Fürſten Bismarck v. 11. März 1867. Stenogr. Berichte S. 135. 2) Fürſt Bismarck gab in der Sitzung vom 15. April 1867 (Stenogr. Berichte S. 695) eine Ueberſicht der etwa 40 Punkte, in denen der Reichstag Abänderungen beſchloſſen hatte und erklärte, daß die Regierungen darin „zum Theil zweifelloſe Verbeſſerungen erkannt haben“, während ihnen bei einem andern Theile „die Annahme nicht leicht geworden.“ — Eine erhebliche Diffe- renz blieb nur beſtehen hinſichtlich der Sicherſtellung der Heereseinrichtungen und der Bewilligung von Diäten. In Beziehung auf den erſten Punkt einigte man ſich über eine temporäre Fixirung des Präſenzſtandes mit einem Pauſch- quantum, in dem zweiten Punkt gab der Reichstag nach. 3) Darunter 11 Polen und — — 5 Abgeordnete der Stadt Berlin!! (Hahn S. 599). 4) Das Protokoll iſt dem Reichstag am 17. April 1866 mitgetheilt worden. (Stenogr. Berichte S. 731.) Noch an demſelben Tage wurde der Reichstag mit einer Thronrede geſchloſſen, welche dem Gefühle aufrichtiger Genugthuung über das Zuſtandekommen des nationalen Werkes beredten Ausdruck gab.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/45>, abgerufen am 28.03.2024.