Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 38. Die Anstellung der Reichsbeamten.
recht habe oder wegen der Anstellung gewisser Beamten vorher
gehört werden muß 1).

So wie der Kaiser hinsichtlich aller Regierungsgeschäfte die
Befugniß hat, dieselben den gesetzlich errichteten Behörden zu dele-
giren, so kann auch die Anstellung von Reichsbeamten durch Dele-
gation Reichsbehörden übertragen sein 2). Der Reichskanzler als
der kaiserliche Minister ist auch für diese Geschäfte zuständig, so-
weit nicht entweder der Kaiser dieselben zu eigener Entscheidung
sich vorbehalten hat oder durch spezielle Vorschrift eine andere
Reichsbehörde mit ihnen beauftragt ist.

Durch die Verordnung vom 23. Nov. 1874 §. 2 (R.-G.-Bl.
S. 135) ist bestimmt, daß eine Kaiserliche Bestallung er-
halten:

a) Die Mitglieder der höheren Reichsbehörden 3), sowie die-
jenigen Reichsbeamten, welche nach ihrer dienstlichen Stellung den-
selben vorgehen oder gleichstehen;

b) die Konsuln -- sowohl Berufskonsuln als Wahlkonsuln.

Dagegen werden nach §. 3 a. a. O. die Anstellungs-Urkunden
der übrigen Reichsbeamten im Namen des Kaisers vom Reichs-
kanzler
oder von den durch denselben dazu ermächtigten Behör-
den ertheilt. Der Reichskanzler hat sonach in dieser Hinsicht eine
generelle Substitutions-Vollmacht. Soweit durch Reichsgesetz oder
vertragsmäßig 4) eine abweichende Bestimmung getroffen ist, bleibt
dieselbe selbstverständlich in Kraft. (§. 4.) Die Reichsgesetze ent-
halten mehrfach Anordnungen, welche theils dem Reichskanzler
theils den Chefs von Behörden die Ernennung gewisser Beamter
übertragen 5).


1) Siehe oben S. 262.
2) Ein Verbot oder eine Beschränkung dieser Delegationsbefugniß ist im
Art. 18 der R.-V. nicht enthalten.
3) Das Verzeichniß derselben steht im R.-G.-Bl. 1874 S. 136 ff.
4) Dies bezieht sich nur auf die sogen. mittelbaren Reichsbeamten (Mili-
tär- Post- Telegraphen-Beamte).
5) Beispiele: Das Gesetz vom 12. Juni 1869 §. 4 überträgt beim
R.-O.-H.-G. die Ernennung der Sekretäre dem Reichskanzler, die Ernen-
nung der übrigen Subaltern- und Unterbeamten dem Präsiden-
ten des Gerichtshofes. Das Gesetz vom 23. März 1873 §. 11 Abs. 2 über-
trägt dem Vorsitzenden der Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds die Ernen-
nung des Bureaupersonals (also mit Einschluß der Sekretäre). Dage-

§. 38. Die Anſtellung der Reichsbeamten.
recht habe oder wegen der Anſtellung gewiſſer Beamten vorher
gehört werden muß 1).

So wie der Kaiſer hinſichtlich aller Regierungsgeſchäfte die
Befugniß hat, dieſelben den geſetzlich errichteten Behörden zu dele-
giren, ſo kann auch die Anſtellung von Reichsbeamten durch Dele-
gation Reichsbehörden übertragen ſein 2). Der Reichskanzler als
der kaiſerliche Miniſter iſt auch für dieſe Geſchäfte zuſtändig, ſo-
weit nicht entweder der Kaiſer dieſelben zu eigener Entſcheidung
ſich vorbehalten hat oder durch ſpezielle Vorſchrift eine andere
Reichsbehörde mit ihnen beauftragt iſt.

Durch die Verordnung vom 23. Nov. 1874 §. 2 (R.-G.-Bl.
S. 135) iſt beſtimmt, daß eine Kaiſerliche Beſtallung er-
halten:

a) Die Mitglieder der höheren Reichsbehörden 3), ſowie die-
jenigen Reichsbeamten, welche nach ihrer dienſtlichen Stellung den-
ſelben vorgehen oder gleichſtehen;

b) die Konſuln — ſowohl Berufskonſuln als Wahlkonſuln.

Dagegen werden nach §. 3 a. a. O. die Anſtellungs-Urkunden
der übrigen Reichsbeamten im Namen des Kaiſers vom Reichs-
kanzler
oder von den durch denſelben dazu ermächtigten Behör-
den ertheilt. Der Reichskanzler hat ſonach in dieſer Hinſicht eine
generelle Subſtitutions-Vollmacht. Soweit durch Reichsgeſetz oder
vertragsmäßig 4) eine abweichende Beſtimmung getroffen iſt, bleibt
dieſelbe ſelbſtverſtändlich in Kraft. (§. 4.) Die Reichsgeſetze ent-
halten mehrfach Anordnungen, welche theils dem Reichskanzler
theils den Chefs von Behörden die Ernennung gewiſſer Beamter
übertragen 5).


1) Siehe oben S. 262.
2) Ein Verbot oder eine Beſchränkung dieſer Delegationsbefugniß iſt im
Art. 18 der R.-V. nicht enthalten.
3) Das Verzeichniß derſelben ſteht im R.-G.-Bl. 1874 S. 136 ff.
4) Dies bezieht ſich nur auf die ſogen. mittelbaren Reichsbeamten (Mili-
tär- Poſt- Telegraphen-Beamte).
5) Beiſpiele: Das Geſetz vom 12. Juni 1869 §. 4 überträgt beim
R.-O.-H.-G. die Ernennung der Sekretäre dem Reichskanzler, die Ernen-
nung der übrigen Subaltern- und Unterbeamten dem Präſiden-
ten des Gerichtshofes. Das Geſetz vom 23. März 1873 §. 11 Abſ. 2 über-
trägt dem Vorſitzenden der Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds die Ernen-
nung des Bureauperſonals (alſo mit Einſchluß der Sekretäre). Dage-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0425" n="405"/><fw place="top" type="header">§. 38. Die An&#x017F;tellung der Reichsbeamten.</fw><lb/>
recht habe oder wegen der An&#x017F;tellung gewi&#x017F;&#x017F;er Beamten vorher<lb/>
gehört werden muß <note place="foot" n="1)">Siehe oben S. 262.</note>.</p><lb/>
              <p>So wie der Kai&#x017F;er hin&#x017F;ichtlich aller Regierungsge&#x017F;chäfte die<lb/>
Befugniß hat, die&#x017F;elben den ge&#x017F;etzlich errichteten Behörden zu dele-<lb/>
giren, &#x017F;o kann auch die An&#x017F;tellung von Reichsbeamten durch Dele-<lb/>
gation Reichsbehörden übertragen &#x017F;ein <note place="foot" n="2)">Ein Verbot oder eine Be&#x017F;chränkung die&#x017F;er Delegationsbefugniß i&#x017F;t im<lb/>
Art. 18 der R.-V. nicht enthalten.</note>. Der Reichskanzler als<lb/>
der kai&#x017F;erliche Mini&#x017F;ter i&#x017F;t auch für die&#x017F;e Ge&#x017F;chäfte zu&#x017F;tändig, &#x017F;o-<lb/>
weit nicht entweder der Kai&#x017F;er die&#x017F;elben zu eigener Ent&#x017F;cheidung<lb/>
&#x017F;ich vorbehalten hat oder durch &#x017F;pezielle Vor&#x017F;chrift eine andere<lb/>
Reichsbehörde mit ihnen beauftragt i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Durch die Verordnung vom 23. Nov. 1874 §. 2 (R.-G.-Bl.<lb/>
S. 135) i&#x017F;t be&#x017F;timmt, daß eine <hi rendition="#g">Kai&#x017F;erliche</hi> Be&#x017F;tallung er-<lb/>
halten:</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">a</hi>) Die Mitglieder der höheren Reichsbehörden <note place="foot" n="3)">Das Verzeichniß der&#x017F;elben &#x017F;teht im R.-G.-Bl. 1874 S. 136 ff.</note>, &#x017F;owie die-<lb/>
jenigen Reichsbeamten, welche nach ihrer dien&#x017F;tlichen Stellung den-<lb/>
&#x017F;elben vorgehen oder gleich&#x017F;tehen;</p><lb/>
              <p><hi rendition="#aq">b</hi>) die Kon&#x017F;uln &#x2014; &#x017F;owohl Berufskon&#x017F;uln als Wahlkon&#x017F;uln.</p><lb/>
              <p>Dagegen werden nach §. 3 a. a. O. die An&#x017F;tellungs-Urkunden<lb/>
der übrigen Reichsbeamten im Namen des Kai&#x017F;ers vom <hi rendition="#g">Reichs-<lb/>
kanzler</hi> oder von den durch den&#x017F;elben dazu ermächtigten Behör-<lb/>
den ertheilt. Der Reichskanzler hat &#x017F;onach in die&#x017F;er Hin&#x017F;icht eine<lb/>
generelle Sub&#x017F;titutions-Vollmacht. Soweit durch Reichsge&#x017F;etz oder<lb/>
vertragsmäßig <note place="foot" n="4)">Dies bezieht &#x017F;ich nur auf die &#x017F;ogen. mittelbaren Reichsbeamten (Mili-<lb/>
tär- Po&#x017F;t- Telegraphen-Beamte).</note> eine abweichende Be&#x017F;timmung getroffen i&#x017F;t, bleibt<lb/>
die&#x017F;elbe &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich in Kraft. (§. 4.) Die Reichsge&#x017F;etze ent-<lb/>
halten mehrfach Anordnungen, welche theils dem Reichskanzler<lb/>
theils den Chefs von Behörden die Ernennung gewi&#x017F;&#x017F;er Beamter<lb/>
übertragen <note xml:id="seg2pn_46_1" next="#seg2pn_46_2" place="foot" n="5)"><hi rendition="#g">Bei&#x017F;piele</hi>: Das Ge&#x017F;etz vom 12. <choice><sic>Juui</sic><corr>Juni</corr></choice> 1869 §. 4 überträgt beim<lb/>
R.-O.-H.-G. die Ernennung der <hi rendition="#g">Sekretäre</hi> dem Reichskanzler, die Ernen-<lb/>
nung der <hi rendition="#g">übrigen Subaltern- und Unterbeamten</hi> dem Prä&#x017F;iden-<lb/>
ten des Gerichtshofes. Das Ge&#x017F;etz vom 23. März 1873 §. 11 Ab&#x017F;. 2 über-<lb/>
trägt dem Vor&#x017F;itzenden der Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds die Ernen-<lb/>
nung des <hi rendition="#g">Bureauper&#x017F;onals</hi> (al&#x017F;o mit Ein&#x017F;chluß der Sekretäre). Dage-</note>.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0425] §. 38. Die Anſtellung der Reichsbeamten. recht habe oder wegen der Anſtellung gewiſſer Beamten vorher gehört werden muß 1). So wie der Kaiſer hinſichtlich aller Regierungsgeſchäfte die Befugniß hat, dieſelben den geſetzlich errichteten Behörden zu dele- giren, ſo kann auch die Anſtellung von Reichsbeamten durch Dele- gation Reichsbehörden übertragen ſein 2). Der Reichskanzler als der kaiſerliche Miniſter iſt auch für dieſe Geſchäfte zuſtändig, ſo- weit nicht entweder der Kaiſer dieſelben zu eigener Entſcheidung ſich vorbehalten hat oder durch ſpezielle Vorſchrift eine andere Reichsbehörde mit ihnen beauftragt iſt. Durch die Verordnung vom 23. Nov. 1874 §. 2 (R.-G.-Bl. S. 135) iſt beſtimmt, daß eine Kaiſerliche Beſtallung er- halten: a) Die Mitglieder der höheren Reichsbehörden 3), ſowie die- jenigen Reichsbeamten, welche nach ihrer dienſtlichen Stellung den- ſelben vorgehen oder gleichſtehen; b) die Konſuln — ſowohl Berufskonſuln als Wahlkonſuln. Dagegen werden nach §. 3 a. a. O. die Anſtellungs-Urkunden der übrigen Reichsbeamten im Namen des Kaiſers vom Reichs- kanzler oder von den durch denſelben dazu ermächtigten Behör- den ertheilt. Der Reichskanzler hat ſonach in dieſer Hinſicht eine generelle Subſtitutions-Vollmacht. Soweit durch Reichsgeſetz oder vertragsmäßig 4) eine abweichende Beſtimmung getroffen iſt, bleibt dieſelbe ſelbſtverſtändlich in Kraft. (§. 4.) Die Reichsgeſetze ent- halten mehrfach Anordnungen, welche theils dem Reichskanzler theils den Chefs von Behörden die Ernennung gewiſſer Beamter übertragen 5). 1) Siehe oben S. 262. 2) Ein Verbot oder eine Beſchränkung dieſer Delegationsbefugniß iſt im Art. 18 der R.-V. nicht enthalten. 3) Das Verzeichniß derſelben ſteht im R.-G.-Bl. 1874 S. 136 ff. 4) Dies bezieht ſich nur auf die ſogen. mittelbaren Reichsbeamten (Mili- tär- Poſt- Telegraphen-Beamte). 5) Beiſpiele: Das Geſetz vom 12. Juni 1869 §. 4 überträgt beim R.-O.-H.-G. die Ernennung der Sekretäre dem Reichskanzler, die Ernen- nung der übrigen Subaltern- und Unterbeamten dem Präſiden- ten des Gerichtshofes. Das Geſetz vom 23. März 1873 §. 11 Abſ. 2 über- trägt dem Vorſitzenden der Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds die Ernen- nung des Bureauperſonals (alſo mit Einſchluß der Sekretäre). Dage-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/425
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/425>, abgerufen am 22.11.2024.