Dienste. Der Staatsbeamte verspricht Dienste nicht im Privat- Interesse irgend eines Herrn und zur Förderung der individuellen Vortheile desselben, sondern er gelobt seine Dienste zur Förderung und Durchführung staatlicher Aufgaben, zum Wohle des allge- meinen Besten. Nicht ohne Grund beginnt das Preuß. Allgem. Landr. Thl. II. Tit. 10 §. 1 die Regelung des Staatsdienerrechts mit dem Satze: "Militär- und Civilbediente sind vorzüglich bestimmt, die Sicherheit, die gute Ordnung und den Wohlstand des Staates unterhalten und befördern zu helfen."
Aber nicht nur objektiv oder passiv sind sie hierzu bestimmt, sondern sie haben sich selbst durch eigenen Entschluß dazu be- stimmt. Sie haben sich dem Staate freiwillig angeboten, ihm zur Förderung seines Wohlstandes zu helfen. Die Dienste derselben empfangen daher nach Inhalt und Umfang ihre Regelung durch das Interesse und durch die Rechts-Ordnung des Staates, nicht durch contractmäßige Fixirung und andererseits nicht durch indi- viduelles Belieben und persönliche Willkühr. Für Zwecke, die der Staat nicht als die seinigen anerkennt, für Geschäfte, die in der Gesetzgebung und Einrichtung des Staates keine Rechtfertigung finden, für Dienste, die außer Zusammenhang mit der Förderung des öffentlichen Wohles stehen, hat der Staatsbeamte sich nicht verpflichtet; noch viel weniger für Handlungen oder Zwecke, die der Staat untersagt oder ausschließt. Hierin liegt das Princip, um die Grenzen bestimmen zu können, wie weit der dienstliche Gehorsam des Beamten reicht; hierin liegt zugleich die Vermitt- lung der beiden Sätze, daß die Dienstpflicht des Beamten eine unbestimmte, ungemessene, seine ganze Persönlichkeit erfassende ist, und daß er dennoch nicht verbunden ist, irgend welche andere Dienste als "amtliche" zu leisten. Durch diese Zweckbestimmung der an- gelobten Dienste gehört der Staatsbeamten-Vertrag dem öffentlichen Recht an; wegen ihr ist er der Beurtheilung nach staatsrechtlichen Gesichtspunkten unterworfen und sie allein unterscheidet das Rechts- verhältniß der Staatsbeamten von dem der technischen und wirth- schaftlichen Beamten der juristischen und physischen Privat-Per- sonen.
III. Wenn man die vorstehende Begriffsbestimmung auf die Reichsbeamten anwendet, so ergibt sich, daß nicht Jeder, welcher
§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
Dienſte. Der Staatsbeamte verſpricht Dienſte nicht im Privat- Intereſſe irgend eines Herrn und zur Förderung der individuellen Vortheile deſſelben, ſondern er gelobt ſeine Dienſte zur Förderung und Durchführung ſtaatlicher Aufgaben, zum Wohle des allge- meinen Beſten. Nicht ohne Grund beginnt das Preuß. Allgem. Landr. Thl. II. Tit. 10 §. 1 die Regelung des Staatsdienerrechts mit dem Satze: „Militär- und Civilbediente ſind vorzüglich beſtimmt, die Sicherheit, die gute Ordnung und den Wohlſtand des Staates unterhalten und befördern zu helfen.“
Aber nicht nur objektiv oder paſſiv ſind ſie hierzu beſtimmt, ſondern ſie haben ſich ſelbſt durch eigenen Entſchluß dazu be- ſtimmt. Sie haben ſich dem Staate freiwillig angeboten, ihm zur Förderung ſeines Wohlſtandes zu helfen. Die Dienſte derſelben empfangen daher nach Inhalt und Umfang ihre Regelung durch das Intereſſe und durch die Rechts-Ordnung des Staates, nicht durch contractmäßige Fixirung und andererſeits nicht durch indi- viduelles Belieben und perſönliche Willkühr. Für Zwecke, die der Staat nicht als die ſeinigen anerkennt, für Geſchäfte, die in der Geſetzgebung und Einrichtung des Staates keine Rechtfertigung finden, für Dienſte, die außer Zuſammenhang mit der Förderung des öffentlichen Wohles ſtehen, hat der Staatsbeamte ſich nicht verpflichtet; noch viel weniger für Handlungen oder Zwecke, die der Staat unterſagt oder ausſchließt. Hierin liegt das Princip, um die Grenzen beſtimmen zu können, wie weit der dienſtliche Gehorſam des Beamten reicht; hierin liegt zugleich die Vermitt- lung der beiden Sätze, daß die Dienſtpflicht des Beamten eine unbeſtimmte, ungemeſſene, ſeine ganze Perſönlichkeit erfaſſende iſt, und daß er dennoch nicht verbunden iſt, irgend welche andere Dienſte als „amtliche“ zu leiſten. Durch dieſe Zweckbeſtimmung der an- gelobten Dienſte gehört der Staatsbeamten-Vertrag dem öffentlichen Recht an; wegen ihr iſt er der Beurtheilung nach ſtaatsrechtlichen Geſichtspunkten unterworfen und ſie allein unterſcheidet das Rechts- verhältniß der Staatsbeamten von dem der techniſchen und wirth- ſchaftlichen Beamten der juriſtiſchen und phyſiſchen Privat-Per- ſonen.
III. Wenn man die vorſtehende Begriffsbeſtimmung auf die Reichsbeamten anwendet, ſo ergibt ſich, daß nicht Jeder, welcher
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§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
Dienſte. Der Staatsbeamte verſpricht Dienſte nicht im Privat-
Intereſſe irgend eines Herrn und zur Förderung der individuellen
Vortheile deſſelben, ſondern er gelobt ſeine Dienſte zur Förderung
und Durchführung ſtaatlicher Aufgaben, zum Wohle des allge-
meinen Beſten. Nicht ohne Grund beginnt das Preuß. Allgem.
Landr. Thl. II. Tit. 10 §. 1 die Regelung des Staatsdienerrechts
mit dem Satze:
„Militär- und Civilbediente ſind vorzüglich beſtimmt, die
Sicherheit, die gute Ordnung und den Wohlſtand des
Staates unterhalten und befördern zu helfen.“
Aber nicht nur objektiv oder paſſiv ſind ſie hierzu beſtimmt,
ſondern ſie haben ſich ſelbſt durch eigenen Entſchluß dazu be-
ſtimmt. Sie haben ſich dem Staate freiwillig angeboten, ihm zur
Förderung ſeines Wohlſtandes zu helfen. Die Dienſte derſelben
empfangen daher nach Inhalt und Umfang ihre Regelung durch
das Intereſſe und durch die Rechts-Ordnung des Staates, nicht
durch contractmäßige Fixirung und andererſeits nicht durch indi-
viduelles Belieben und perſönliche Willkühr. Für Zwecke, die der
Staat nicht als die ſeinigen anerkennt, für Geſchäfte, die in der
Geſetzgebung und Einrichtung des Staates keine Rechtfertigung
finden, für Dienſte, die außer Zuſammenhang mit der Förderung
des öffentlichen Wohles ſtehen, hat der Staatsbeamte ſich nicht
verpflichtet; noch viel weniger für Handlungen oder Zwecke, die
der Staat unterſagt oder ausſchließt. Hierin liegt das Princip,
um die Grenzen beſtimmen zu können, wie weit der dienſtliche
Gehorſam des Beamten reicht; hierin liegt zugleich die Vermitt-
lung der beiden Sätze, daß die Dienſtpflicht des Beamten eine
unbeſtimmte, ungemeſſene, ſeine ganze Perſönlichkeit erfaſſende iſt,
und daß er dennoch nicht verbunden iſt, irgend welche andere Dienſte
als „amtliche“ zu leiſten. Durch dieſe Zweckbeſtimmung der an-
gelobten Dienſte gehört der Staatsbeamten-Vertrag dem öffentlichen
Recht an; wegen ihr iſt er der Beurtheilung nach ſtaatsrechtlichen
Geſichtspunkten unterworfen und ſie allein unterſcheidet das Rechts-
verhältniß der Staatsbeamten von dem der techniſchen und wirth-
ſchaftlichen Beamten der juriſtiſchen und phyſiſchen Privat-Per-
ſonen.
III. Wenn man die vorſtehende Begriffsbeſtimmung auf die
Reichsbeamten anwendet, ſo ergibt ſich, daß nicht Jeder, welcher
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/416>, abgerufen am 22.11.2024.
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