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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
schaften zu führen, Geschworener oder Schöffe zu sein, Aemter der
Selbstverwaltung zu übernehmen u. s. w. sind Beispiele, die jede
weitere Erörterung überflüssig machen. Sie zeigen deutlich, daß
es neben der contractlichen privatrechtlichen Dienstverpflichtung
gegen den Staat noch zwei Arten des Dienstverhältnisses zum
Staate giebt, die Uebernahme eines Staatsamtes auf Grund der
Staats-Unterthänigkeit und die Uebernahme eines Staatsamtes auf
Grund des Eintrittes in den Staatsdienst. Die erstere ist das
Gegentheil des Staatsbeamten-Verhältnisses, sie erfolgt unfreiwillig
d. h. ohne Nothwendigkeit der Zustimmung, die letztere freiwillig,
d. h. auf Grund eines Consenses. Beide Arten haben Manches
mit einander gemein: die Delegation der Staatsgewalt auf den
Inhaber des Amtes, soweit die Zuständigkeit des letzteren reicht;
die Verantwortlichkeit für die gesetzmäßige Handhabung der Amts-
gewalt; die Pflicht zum amtlichen Gehorsam gegen rechtmäßige
Verfügungen der vorgesetzten Behörde; der Schutz bei Ausübung
der amtlichen Geschäfte gegen Angriffe, Beleidigungen, Wider-
stand; die Anwendbarkeit der strafgesetzlichen Vorschriften über
Verbrechen und Vergehen im Amte.

Aber das rechtliche Verhältniß zwischen dem Staate und dem
Inhaber des Amtes ist in den beiden Fällen ein verschiedenes.
Es zeigt sich dies schon darin, daß der Staatsdiener in einem
Rechtsverhältniß zum Staate auch dann steht, wenn er thatsächlich
kein Amt verwaltet; derjenige dagegen, welcher staatliche Geschäfte
in Erfüllung seiner Unterthanenpflicht führt, die mit dieser Ge-
schäftsführung verbundenen Rechte und Pflichten nur so lange hat,
als er das Amt bekleidet.

Das Dienstverhältniß des Staatsbeamten beruht auf einem
Vertrage, durch welchen, ganz ähnlich wie bei der alten Commendation,
der Beamte sich dem Staate "hingibt", eine besondere Dienst-
pflicht und Treue übernimmt, eine besondere Ergebenheit und
einen besonderen Gehorsam angelobt, und durch welchen der
Staat dieses Versprechen sowie das ihm angebotene besondere Ge-
waltsverhältniß annimmt und dem Beamten dafür Schutz und
gewöhnlich auch Lebens-Unterhalt zusichert.

Von der lehnrechtlichen Commendation und anderen analogen
Verträgen des Privatrechts unterscheidet sich der Eintritt in den
Staatsdienst aber durch Bestimmung und Zweck der versprochenen

§. 37. Der Begriff der Reichsbeamten.
ſchaften zu führen, Geſchworener oder Schöffe zu ſein, Aemter der
Selbſtverwaltung zu übernehmen u. ſ. w. ſind Beiſpiele, die jede
weitere Erörterung überflüſſig machen. Sie zeigen deutlich, daß
es neben der contractlichen privatrechtlichen Dienſtverpflichtung
gegen den Staat noch zwei Arten des Dienſtverhältniſſes zum
Staate giebt, die Uebernahme eines Staatsamtes auf Grund der
Staats-Unterthänigkeit und die Uebernahme eines Staatsamtes auf
Grund des Eintrittes in den Staatsdienſt. Die erſtere iſt das
Gegentheil des Staatsbeamten-Verhältniſſes, ſie erfolgt unfreiwillig
d. h. ohne Nothwendigkeit der Zuſtimmung, die letztere freiwillig,
d. h. auf Grund eines Conſenſes. Beide Arten haben Manches
mit einander gemein: die Delegation der Staatsgewalt auf den
Inhaber des Amtes, ſoweit die Zuſtändigkeit des letzteren reicht;
die Verantwortlichkeit für die geſetzmäßige Handhabung der Amts-
gewalt; die Pflicht zum amtlichen Gehorſam gegen rechtmäßige
Verfügungen der vorgeſetzten Behörde; der Schutz bei Ausübung
der amtlichen Geſchäfte gegen Angriffe, Beleidigungen, Wider-
ſtand; die Anwendbarkeit der ſtrafgeſetzlichen Vorſchriften über
Verbrechen und Vergehen im Amte.

Aber das rechtliche Verhältniß zwiſchen dem Staate und dem
Inhaber des Amtes iſt in den beiden Fällen ein verſchiedenes.
Es zeigt ſich dies ſchon darin, daß der Staatsdiener in einem
Rechtsverhältniß zum Staate auch dann ſteht, wenn er thatſächlich
kein Amt verwaltet; derjenige dagegen, welcher ſtaatliche Geſchäfte
in Erfüllung ſeiner Unterthanenpflicht führt, die mit dieſer Ge-
ſchäftsführung verbundenen Rechte und Pflichten nur ſo lange hat,
als er das Amt bekleidet.

Das Dienſtverhältniß des Staatsbeamten beruht auf einem
Vertrage, durch welchen, ganz ähnlich wie bei der alten Commendation,
der Beamte ſich dem Staate „hingibt“, eine beſondere Dienſt-
pflicht und Treue übernimmt, eine beſondere Ergebenheit und
einen beſonderen Gehorſam angelobt, und durch welchen der
Staat dieſes Verſprechen ſowie das ihm angebotene beſondere Ge-
waltsverhältniß annimmt und dem Beamten dafür Schutz und
gewöhnlich auch Lebens-Unterhalt zuſichert.

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[395/0415] §. 37. Der Begriff der Reichsbeamten. ſchaften zu führen, Geſchworener oder Schöffe zu ſein, Aemter der Selbſtverwaltung zu übernehmen u. ſ. w. ſind Beiſpiele, die jede weitere Erörterung überflüſſig machen. Sie zeigen deutlich, daß es neben der contractlichen privatrechtlichen Dienſtverpflichtung gegen den Staat noch zwei Arten des Dienſtverhältniſſes zum Staate giebt, die Uebernahme eines Staatsamtes auf Grund der Staats-Unterthänigkeit und die Uebernahme eines Staatsamtes auf Grund des Eintrittes in den Staatsdienſt. Die erſtere iſt das Gegentheil des Staatsbeamten-Verhältniſſes, ſie erfolgt unfreiwillig d. h. ohne Nothwendigkeit der Zuſtimmung, die letztere freiwillig, d. h. auf Grund eines Conſenſes. Beide Arten haben Manches mit einander gemein: die Delegation der Staatsgewalt auf den Inhaber des Amtes, ſoweit die Zuſtändigkeit des letzteren reicht; die Verantwortlichkeit für die geſetzmäßige Handhabung der Amts- gewalt; die Pflicht zum amtlichen Gehorſam gegen rechtmäßige Verfügungen der vorgeſetzten Behörde; der Schutz bei Ausübung der amtlichen Geſchäfte gegen Angriffe, Beleidigungen, Wider- ſtand; die Anwendbarkeit der ſtrafgeſetzlichen Vorſchriften über Verbrechen und Vergehen im Amte. Aber das rechtliche Verhältniß zwiſchen dem Staate und dem Inhaber des Amtes iſt in den beiden Fällen ein verſchiedenes. Es zeigt ſich dies ſchon darin, daß der Staatsdiener in einem Rechtsverhältniß zum Staate auch dann ſteht, wenn er thatſächlich kein Amt verwaltet; derjenige dagegen, welcher ſtaatliche Geſchäfte in Erfüllung ſeiner Unterthanenpflicht führt, die mit dieſer Ge- ſchäftsführung verbundenen Rechte und Pflichten nur ſo lange hat, als er das Amt bekleidet. Das Dienſtverhältniß des Staatsbeamten beruht auf einem Vertrage, durch welchen, ganz ähnlich wie bei der alten Commendation, der Beamte ſich dem Staate „hingibt“, eine beſondere Dienſt- pflicht und Treue übernimmt, eine beſondere Ergebenheit und einen beſonderen Gehorſam angelobt, und durch welchen der Staat dieſes Verſprechen ſowie das ihm angebotene beſondere Ge- waltsverhältniß annimmt und dem Beamten dafür Schutz und gewöhnlich auch Lebens-Unterhalt zuſichert. Von der lehnrechtlichen Commendation und anderen analogen Verträgen des Privatrechts unterſcheidet ſich der Eintritt in den Staatsdienſt aber durch Beſtimmung und Zweck der verſprochenen

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/415>, abgerufen am 22.11.2024.