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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
Verfassung mit den Regierungen zu vereinbaren, sondern nur
sie zu berathen; die Majorität desselben konnte "die Neigung,
partikularistische Rechte dem gesammten Gemeinwesen gegenüber
zu verklausuliren" 1), nicht unterdrücken; es sollte die zwischen dem
Parlament Norddeutschlands und den norddeutschen Regierungen
zu vereinbarende Verfassung noch einer Superrevision und Ge-
nehmigung durch den Preußischen Landtag und mithin, da das
gleiche Recht jedem anderen norddeutschen Staat nicht versagt
werden konnte, durch mehr als 20 landständische Versammlungen
vorbehalten werden. Durch das Augustbündniß waren die Re-
gierungen nur verpflichtet, eine mit dem Reichstage verein-
barte
Bundesverfassung anzunehmen; jeder Versuch eines Einzel-
landtages an der Feststellung dieser Verfassung positiven Antheil
zu nehmen, hätte sie ihrer vertragsmäßigen Verpflichtung entbun-
den. Die Hoffnung auf die Herstellung des Bundes hing jetzt
nicht nur davon ab, daß die Vereinbarung zwischen den Regie-
rungen und dem Norddeutschen Reichstage gelingen werde, sondern
daß auch sämmtliche Landtage der Versuchung, die vereinbarte
Verfassung verbessern zu wollen, widerstehen würden. Auch an
den Bestimmungen des Wahlgesetzes wurde amendirt 2), obwohl
die vertragsmäßige Verpflichtung der Regierungen ausdrücklich
darauf gerichtet war, die Wahlen auf Grund des Reichs-Wahlge-
setzes vom 12. April 1849 vornehmen zu lassen.

Dessenungeachtet fügte sich die Regierung und vermochte auch
das Herrenhaus der von dem Abgeordneten-Hause beliebten Fas-
sung zuzustimmen 3); so daß am 15. Oktober 1866 das Wahlgesetz
für Preußen publizirt und kurz darauf in dem Jadegebiet und in
den neuerworbenen Landestheilen durch königliche Verordnung ein-
geführt werden konnte 4). Auch in allen übrigen Staaten wurde
auf verfassungsmäßigem Wege das Wahlgesetz für den Reichstag
zu Stande gebracht; in einigen, namentlich in Mecklenburg, dem

1) Vgl. die Rede des Fürsten Bismarck in der Sitzung des Preuß. Abg.-
Hauses vom 12. September 1866.
2) Vgl. den Commissionsbericht des Abg.-Hauses (Berichterstatter Twesten)
v. 4. Sept. 1866. (auch bei Hahn S. 467 ff.)
3) Vgl. die Erklärung des Regierungs-Commissars im Herrenhause vom
17. September 1866. Auch bei Hahn S. 478.
4) Preuß. Gesetz S. 1866. S. 735. 738. 891. 895.

§. 2. Die Gründung des nordd. Bundes.
Verfaſſung mit den Regierungen zu vereinbaren, ſondern nur
ſie zu berathen; die Majorität deſſelben konnte „die Neigung,
partikulariſtiſche Rechte dem geſammten Gemeinweſen gegenüber
zu verklauſuliren“ 1), nicht unterdrücken; es ſollte die zwiſchen dem
Parlament Norddeutſchlands und den norddeutſchen Regierungen
zu vereinbarende Verfaſſung noch einer Superreviſion und Ge-
nehmigung durch den Preußiſchen Landtag und mithin, da das
gleiche Recht jedem anderen norddeutſchen Staat nicht verſagt
werden konnte, durch mehr als 20 landſtändiſche Verſammlungen
vorbehalten werden. Durch das Auguſtbündniß waren die Re-
gierungen nur verpflichtet, eine mit dem Reichstage verein-
barte
Bundesverfaſſung anzunehmen; jeder Verſuch eines Einzel-
landtages an der Feſtſtellung dieſer Verfaſſung poſitiven Antheil
zu nehmen, hätte ſie ihrer vertragsmäßigen Verpflichtung entbun-
den. Die Hoffnung auf die Herſtellung des Bundes hing jetzt
nicht nur davon ab, daß die Vereinbarung zwiſchen den Regie-
rungen und dem Norddeutſchen Reichstage gelingen werde, ſondern
daß auch ſämmtliche Landtage der Verſuchung, die vereinbarte
Verfaſſung verbeſſern zu wollen, widerſtehen würden. Auch an
den Beſtimmungen des Wahlgeſetzes wurde amendirt 2), obwohl
die vertragsmäßige Verpflichtung der Regierungen ausdrücklich
darauf gerichtet war, die Wahlen auf Grund des Reichs-Wahlge-
ſetzes vom 12. April 1849 vornehmen zu laſſen.

Deſſenungeachtet fügte ſich die Regierung und vermochte auch
das Herrenhaus der von dem Abgeordneten-Hauſe beliebten Faſ-
ſung zuzuſtimmen 3); ſo daß am 15. Oktober 1866 das Wahlgeſetz
für Preußen publizirt und kurz darauf in dem Jadegebiet und in
den neuerworbenen Landestheilen durch königliche Verordnung ein-
geführt werden konnte 4). Auch in allen übrigen Staaten wurde
auf verfaſſungsmäßigem Wege das Wahlgeſetz für den Reichstag
zu Stande gebracht; in einigen, namentlich in Mecklenburg, dem

1) Vgl. die Rede des Fürſten Bismarck in der Sitzung des Preuß. Abg.-
Hauſes vom 12. September 1866.
2) Vgl. den Commiſſionsbericht des Abg.-Hauſes (Berichterſtatter Tweſten)
v. 4. Sept. 1866. (auch bei Hahn S. 467 ff.)
3) Vgl. die Erklärung des Regierungs-Commiſſars im Herrenhauſe vom
17. September 1866. Auch bei Hahn S. 478.
4) Preuß. Geſetz S. 1866. S. 735. 738. 891. 895.
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[20/0040] §. 2. Die Gründung des nordd. Bundes. Verfaſſung mit den Regierungen zu vereinbaren, ſondern nur ſie zu berathen; die Majorität deſſelben konnte „die Neigung, partikulariſtiſche Rechte dem geſammten Gemeinweſen gegenüber zu verklauſuliren“ 1), nicht unterdrücken; es ſollte die zwiſchen dem Parlament Norddeutſchlands und den norddeutſchen Regierungen zu vereinbarende Verfaſſung noch einer Superreviſion und Ge- nehmigung durch den Preußiſchen Landtag und mithin, da das gleiche Recht jedem anderen norddeutſchen Staat nicht verſagt werden konnte, durch mehr als 20 landſtändiſche Verſammlungen vorbehalten werden. Durch das Auguſtbündniß waren die Re- gierungen nur verpflichtet, eine mit dem Reichstage verein- barte Bundesverfaſſung anzunehmen; jeder Verſuch eines Einzel- landtages an der Feſtſtellung dieſer Verfaſſung poſitiven Antheil zu nehmen, hätte ſie ihrer vertragsmäßigen Verpflichtung entbun- den. Die Hoffnung auf die Herſtellung des Bundes hing jetzt nicht nur davon ab, daß die Vereinbarung zwiſchen den Regie- rungen und dem Norddeutſchen Reichstage gelingen werde, ſondern daß auch ſämmtliche Landtage der Verſuchung, die vereinbarte Verfaſſung verbeſſern zu wollen, widerſtehen würden. Auch an den Beſtimmungen des Wahlgeſetzes wurde amendirt 2), obwohl die vertragsmäßige Verpflichtung der Regierungen ausdrücklich darauf gerichtet war, die Wahlen auf Grund des Reichs-Wahlge- ſetzes vom 12. April 1849 vornehmen zu laſſen. Deſſenungeachtet fügte ſich die Regierung und vermochte auch das Herrenhaus der von dem Abgeordneten-Hauſe beliebten Faſ- ſung zuzuſtimmen 3); ſo daß am 15. Oktober 1866 das Wahlgeſetz für Preußen publizirt und kurz darauf in dem Jadegebiet und in den neuerworbenen Landestheilen durch königliche Verordnung ein- geführt werden konnte 4). Auch in allen übrigen Staaten wurde auf verfaſſungsmäßigem Wege das Wahlgeſetz für den Reichstag zu Stande gebracht; in einigen, namentlich in Mecklenburg, dem 1) Vgl. die Rede des Fürſten Bismarck in der Sitzung des Preuß. Abg.- Hauſes vom 12. September 1866. 2) Vgl. den Commiſſionsbericht des Abg.-Hauſes (Berichterſtatter Tweſten) v. 4. Sept. 1866. (auch bei Hahn S. 467 ff.) 3) Vgl. die Erklärung des Regierungs-Commiſſars im Herrenhauſe vom 17. September 1866. Auch bei Hahn S. 478. 4) Preuß. Geſetz S. 1866. S. 735. 738. 891. 895.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/40>, abgerufen am 29.03.2024.