b) Einzelnen Reichs-Konsuln kann vom Reichskanzler die Befugniß zur Abhörung von Zeugen und zur Abnahme von Eiden beigelegt werden, mit der Wirkung, daß die von diesen Konsuln aufgenommenen Verhandlungen den Verhandlungen der zuständigen inländischen Behörden gleichstehen 1).
III.Die Marine-Strafgerichte.
Die zur Kaiserlichen Marine gehörenden Militärpersonen, so- wohl die Personen des Soldatenstandes als die Beamten, sind der Strafgerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte entzogen und der- jenigen der militärischen Marinegerichte unterworfen. Da die Marine der Staatsgewalt der Bundesglieder, auch der Preußens, völlig entzogen ist, Verwaltung, Oberbefehl, Ernennung aller Offi- ziere und Beamten dem Kaiser zusteht, und alle in Marine-Ange- legenheiten zur Ausübung gelangenden Hoheitsrechte auch Bethäti- gungen der Reichsgewalt sind, so ergiebt sich, daß die Marine- Gerichte im staatsrechtlichen Sinne Reichsstrafgerichte sind.
Die Gerichtsbarkeit wird ausgeübt von der Kommandatur in Kiel und von den Stationschefs der beiden Marinestationen der Ostsee und Nordsee in Kiel und Wilhelmshaven unter Zuziehung eines Stations-Auditeurs, ferner von den Kommandanten der in Dienst gestellten Schiffe unter Zuziehung des Geschwader-Auditeurs, sowie von der Kaiserlichen Admiralität, in welcher ein besonderes Dezernat (J.) für Militär-Justizgeschäfte besteht. Als oberster Marine-Gerichtshof fungirt das Königl. Preuß. General-Audito- riat in Berlin.
B.Reichs-Disciplinar-Gerichte.
Dieselben sind keine ständigen Behörden; sie treten nur zu- sammen im Falle des Bedürfnisses. Die Mitglieder versehen ihr Amt als ein unbesoldetes Nebenamt; erhalten jedoch, wenn sie an dem Orte, an welchem das Gericht zusammentritt, nicht wohnhaft sind, Reisegelder und Diäten. Aus dem §. 93 des Reichsbeamten- Gesetzes v. 31. März 1873 ergiebt sich, daß zu Mitgliedern der entscheidenden Disciplinarbehörden nur Beamte im Reichs- oder Staatsdienst ernannt werden können, indem daselbst angeordnet
1) Konsulatsgesetz §. 20.
Laband, Reichsstaatsrecht. I. 24
§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
b) Einzelnen Reichs-Konſuln kann vom Reichskanzler die Befugniß zur Abhörung von Zeugen und zur Abnahme von Eiden beigelegt werden, mit der Wirkung, daß die von dieſen Konſuln aufgenommenen Verhandlungen den Verhandlungen der zuſtändigen inländiſchen Behörden gleichſtehen 1).
III.Die Marine-Strafgerichte.
Die zur Kaiſerlichen Marine gehörenden Militärperſonen, ſo- wohl die Perſonen des Soldatenſtandes als die Beamten, ſind der Strafgerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte entzogen und der- jenigen der militäriſchen Marinegerichte unterworfen. Da die Marine der Staatsgewalt der Bundesglieder, auch der Preußens, völlig entzogen iſt, Verwaltung, Oberbefehl, Ernennung aller Offi- ziere und Beamten dem Kaiſer zuſteht, und alle in Marine-Ange- legenheiten zur Ausübung gelangenden Hoheitsrechte auch Bethäti- gungen der Reichsgewalt ſind, ſo ergiebt ſich, daß die Marine- Gerichte im ſtaatsrechtlichen Sinne Reichsſtrafgerichte ſind.
Die Gerichtsbarkeit wird ausgeübt von der Kommandatur in Kiel und von den Stationschefs der beiden Marineſtationen der Oſtſee und Nordſee in Kiel und Wilhelmshaven unter Zuziehung eines Stations-Auditeurs, ferner von den Kommandanten der in Dienſt geſtellten Schiffe unter Zuziehung des Geſchwader-Auditeurs, ſowie von der Kaiſerlichen Admiralität, in welcher ein beſonderes Dezernat (J.) für Militär-Juſtizgeſchäfte beſteht. Als oberſter Marine-Gerichtshof fungirt das Königl. Preuß. General-Audito- riat in Berlin.
B.Reichs-Disciplinar-Gerichte.
Dieſelben ſind keine ſtändigen Behörden; ſie treten nur zu- ſammen im Falle des Bedürfniſſes. Die Mitglieder verſehen ihr Amt als ein unbeſoldetes Nebenamt; erhalten jedoch, wenn ſie an dem Orte, an welchem das Gericht zuſammentritt, nicht wohnhaft ſind, Reiſegelder und Diäten. Aus dem §. 93 des Reichsbeamten- Geſetzes v. 31. März 1873 ergiebt ſich, daß zu Mitgliedern der entſcheidenden Disciplinarbehörden nur Beamte im Reichs- oder Staatsdienſt ernannt werden können, indem daſelbſt angeordnet
1) Konſulatsgeſetz §. 20.
Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 24
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§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
b) Einzelnen Reichs-Konſuln kann vom Reichskanzler die
Befugniß zur Abhörung von Zeugen und zur Abnahme von Eiden
beigelegt werden, mit der Wirkung, daß die von dieſen Konſuln
aufgenommenen Verhandlungen den Verhandlungen der zuſtändigen
inländiſchen Behörden gleichſtehen 1).
III. Die Marine-Strafgerichte.
Die zur Kaiſerlichen Marine gehörenden Militärperſonen, ſo-
wohl die Perſonen des Soldatenſtandes als die Beamten, ſind der
Strafgerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte entzogen und der-
jenigen der militäriſchen Marinegerichte unterworfen. Da die
Marine der Staatsgewalt der Bundesglieder, auch der Preußens,
völlig entzogen iſt, Verwaltung, Oberbefehl, Ernennung aller Offi-
ziere und Beamten dem Kaiſer zuſteht, und alle in Marine-Ange-
legenheiten zur Ausübung gelangenden Hoheitsrechte auch Bethäti-
gungen der Reichsgewalt ſind, ſo ergiebt ſich, daß die Marine-
Gerichte im ſtaatsrechtlichen Sinne Reichsſtrafgerichte ſind.
Die Gerichtsbarkeit wird ausgeübt von der Kommandatur in
Kiel und von den Stationschefs der beiden Marineſtationen der
Oſtſee und Nordſee in Kiel und Wilhelmshaven unter Zuziehung
eines Stations-Auditeurs, ferner von den Kommandanten der in
Dienſt geſtellten Schiffe unter Zuziehung des Geſchwader-Auditeurs,
ſowie von der Kaiſerlichen Admiralität, in welcher ein beſonderes
Dezernat (J.) für Militär-Juſtizgeſchäfte beſteht. Als oberſter
Marine-Gerichtshof fungirt das Königl. Preuß. General-Audito-
riat in Berlin.
B. Reichs-Disciplinar-Gerichte.
Dieſelben ſind keine ſtändigen Behörden; ſie treten nur zu-
ſammen im Falle des Bedürfniſſes. Die Mitglieder verſehen ihr
Amt als ein unbeſoldetes Nebenamt; erhalten jedoch, wenn ſie an
dem Orte, an welchem das Gericht zuſammentritt, nicht wohnhaft
ſind, Reiſegelder und Diäten. Aus dem §. 93 des Reichsbeamten-
Geſetzes v. 31. März 1873 ergiebt ſich, daß zu Mitgliedern der
entſcheidenden Disciplinarbehörden nur Beamte im Reichs- oder
Staatsdienſt ernannt werden können, indem daſelbſt angeordnet
1) Konſulatsgeſetz §. 20.
Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 24
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/389>, abgerufen am 22.11.2024.
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