Sorge trägt, daß die den Einzelstaaten überlassene Selbstverwal- tung in Zoll- und Steuersachen nicht zu ungleichartiger Auslegung und Handhabung der Reichsgesetze führt. Dem Kaiser bezieh. den von ihm ernannten Reichsbeamten, insbesondere dem Reichskanzler, liegt es dann wieder ob, die Befolgung der vom Bundesrath ge- troffenen Entscheidungen Seitens der Landesbehörden zu veranlassen und zu überwachen.
Bei der Redaction der Reichsverfassung, welche bei den Ver- handlungen in Versailles mit den süddeutschen Staaten vereinbart worden ist, wurde im Anschluß an die im Zollvereins-Vertrage enthaltene Bestimmung der Art. 7 über die der Beschlußfassung des Bundesrathes unterliegenden Angelegenheiten festgestellt, der in der jetzigen Redaction wiederkehrt.
Schon vor dem Abschluß der Verträge mit den Süddeutschen Staaten hatte sich im Nordd. Bunde die Praxis Eingang verschafft, daß Zweifel über die Anwendung von Reichsgesetzen und Bedenken, welche bei Handhabung derselben entstanden, dem Bundesrathe zur Beschlußfassung vorgelegt wurden. Bei der Generaldebatte über diese Verträge im Reichstage von 1870 konnte daher Staats- minister von Delbrück nicht ohne Grund von der neuen For- mulirung des Art. 7 sagen 1), daß "sie eine ins Gewicht fallende materielle Bedeutung nicht habe." Er fügte hinzu: "Es wurde Werth gelegt auf diese Zusammenfassung, um an einem Ort klar zu stellen die eigentlichen Zuständig- keiten des Bundesraths, deren Ergründung aus der Bun- desverfassung selbst nicht ohne ein gewisses Studium mög- lich war. Eine materielle Aenderung des Bestehenden ist damit kaum herbeigeführt."
Wenn nach dieser Aussage demnach thatsächlich die Befugnisse des Bundesrathes durch Art. 7. Ziffer 3 der Reichsverfassung nicht wesentlich erweitert worden sind, so ist es doch unzweifelhaft, daß sie dadurch erst ein staatsrechtliches Fundament erhalten haben, welches nach der Nordd. Bundesverfassung nur in Bezug auf Zoll- und Steuer-Angelegenheiten vorhanden war.
Die Tragweite dieser Bestimmung zeigt sich namentlich in dem Verhältniß des Bundesrathes zum Kaiser und seinem Minister,
1)II. Außerord. Sess. 1870. Stenogr. Ber. S. 68.
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§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
Sorge trägt, daß die den Einzelſtaaten überlaſſene Selbſtverwal- tung in Zoll- und Steuerſachen nicht zu ungleichartiger Auslegung und Handhabung der Reichsgeſetze führt. Dem Kaiſer bezieh. den von ihm ernannten Reichsbeamten, insbeſondere dem Reichskanzler, liegt es dann wieder ob, die Befolgung der vom Bundesrath ge- troffenen Entſcheidungen Seitens der Landesbehörden zu veranlaſſen und zu überwachen.
Bei der Redaction der Reichsverfaſſung, welche bei den Ver- handlungen in Verſailles mit den ſüddeutſchen Staaten vereinbart worden iſt, wurde im Anſchluß an die im Zollvereins-Vertrage enthaltene Beſtimmung der Art. 7 über die der Beſchlußfaſſung des Bundesrathes unterliegenden Angelegenheiten feſtgeſtellt, der in der jetzigen Redaction wiederkehrt.
Schon vor dem Abſchluß der Verträge mit den Süddeutſchen Staaten hatte ſich im Nordd. Bunde die Praxis Eingang verſchafft, daß Zweifel über die Anwendung von Reichsgeſetzen und Bedenken, welche bei Handhabung derſelben entſtanden, dem Bundesrathe zur Beſchlußfaſſung vorgelegt wurden. Bei der Generaldebatte über dieſe Verträge im Reichstage von 1870 konnte daher Staats- miniſter von Delbrück nicht ohne Grund von der neuen For- mulirung des Art. 7 ſagen 1), daß „ſie eine ins Gewicht fallende materielle Bedeutung nicht habe.“ Er fügte hinzu: „Es wurde Werth gelegt auf dieſe Zuſammenfaſſung, um an einem Ort klar zu ſtellen die eigentlichen Zuſtändig- keiten des Bundesraths, deren Ergründung aus der Bun- desverfaſſung ſelbſt nicht ohne ein gewiſſes Studium mög- lich war. Eine materielle Aenderung des Beſtehenden iſt damit kaum herbeigeführt.“
Wenn nach dieſer Ausſage demnach thatſächlich die Befugniſſe des Bundesrathes durch Art. 7. Ziffer 3 der Reichsverfaſſung nicht weſentlich erweitert worden ſind, ſo iſt es doch unzweifelhaft, daß ſie dadurch erſt ein ſtaatsrechtliches Fundament erhalten haben, welches nach der Nordd. Bundesverfaſſung nur in Bezug auf Zoll- und Steuer-Angelegenheiten vorhanden war.
Die Tragweite dieſer Beſtimmung zeigt ſich namentlich in dem Verhältniß des Bundesrathes zum Kaiſer und ſeinem Miniſter,
1)II. Außerord. Seſſ. 1870. Stenogr. Ber. S. 68.
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[259/0279]
§. 29. Der Bundesrath als Organ des Reiches.
Sorge trägt, daß die den Einzelſtaaten überlaſſene Selbſtverwal-
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und Handhabung der Reichsgeſetze führt. Dem Kaiſer bezieh. den
von ihm ernannten Reichsbeamten, insbeſondere dem Reichskanzler,
liegt es dann wieder ob, die Befolgung der vom Bundesrath ge-
troffenen Entſcheidungen Seitens der Landesbehörden zu veranlaſſen
und zu überwachen.
Bei der Redaction der Reichsverfaſſung, welche bei den Ver-
handlungen in Verſailles mit den ſüddeutſchen Staaten vereinbart
worden iſt, wurde im Anſchluß an die im Zollvereins-Vertrage
enthaltene Beſtimmung der Art. 7 über die der Beſchlußfaſſung
des Bundesrathes unterliegenden Angelegenheiten feſtgeſtellt, der
in der jetzigen Redaction wiederkehrt.
Schon vor dem Abſchluß der Verträge mit den Süddeutſchen
Staaten hatte ſich im Nordd. Bunde die Praxis Eingang verſchafft,
daß Zweifel über die Anwendung von Reichsgeſetzen und Bedenken,
welche bei Handhabung derſelben entſtanden, dem Bundesrathe
zur Beſchlußfaſſung vorgelegt wurden. Bei der Generaldebatte
über dieſe Verträge im Reichstage von 1870 konnte daher Staats-
miniſter von Delbrück nicht ohne Grund von der neuen For-
mulirung des Art. 7 ſagen 1), daß „ſie eine ins Gewicht fallende
materielle Bedeutung nicht habe.“ Er fügte hinzu:
„Es wurde Werth gelegt auf dieſe Zuſammenfaſſung, um
an einem Ort klar zu ſtellen die eigentlichen Zuſtändig-
keiten des Bundesraths, deren Ergründung aus der Bun-
desverfaſſung ſelbſt nicht ohne ein gewiſſes Studium mög-
lich war. Eine materielle Aenderung des Beſtehenden iſt
damit kaum herbeigeführt.“
Wenn nach dieſer Ausſage demnach thatſächlich die Befugniſſe
des Bundesrathes durch Art. 7. Ziffer 3 der Reichsverfaſſung
nicht weſentlich erweitert worden ſind, ſo iſt es doch unzweifelhaft,
daß ſie dadurch erſt ein ſtaatsrechtliches Fundament erhalten haben,
welches nach der Nordd. Bundesverfaſſung nur in Bezug auf Zoll-
und Steuer-Angelegenheiten vorhanden war.
Die Tragweite dieſer Beſtimmung zeigt ſich namentlich in
dem Verhältniß des Bundesrathes zum Kaiſer und ſeinem Miniſter,
1) II. Außerord. Seſſ. 1870. Stenogr. Ber. S. 68.
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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/279>, abgerufen am 24.11.2024.
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