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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
Belang, für die Abstimmung ist es völlig unerheblich 1); denn
nicht die Bevollmächtigten, sondern die Staaten stimmen ab.

c) Aus der Stellung, welche den Bundesraths-Bevollmäch-
tigten zukömmt, ergiebt sich ferner der im Art. 9 der Verfassung
ausgesprochene Satz, daß Niemand gleichzeitig Mitglied des Bun-
desrathes und des Reichstages sein kann. Denn derjenige, welcher
beiden Körperschaften angehört, müßte als Mitglied des Bundes-
rathes nach der ihm ertheilten Instruktion, als Mitglied des
Reichstages nach freier persönlicher Ueberzeugung stimmen. Es
könnte daher Jemand, der beiden Körperschaften angehört, in die
Lage kommen, im Reichstage diejenige Maßregel zu bekämpfen,
welcher er im Bundesrathe zugestimmt hat, und umgekehrt.

Dagegen steht es jedem Mitgliede des Bundesrathes frei, im
Reichstage die Ansichten seiner Regierung zu vertreten
und zwar auch dann, wenn dieselben von der Majorität des Bun-
desrathes nicht adoptirt worden sind. R.-Verf. Art. 9.

d) Die Mitglieder des Bundesrathes sind nicht Beamte des
Reiches. Sie beziehen aus Reichsmitteln keinen Gehalt; sie sind
nicht der Disciplinargewalt des Reiches unterworfen; sie können
für ihre Abstimmungen und ihre anderweitige Thätigkeit im Bun-
desrathe weder vom Bundesrathe selbst noch vom Kaiser oder vom
Reichstage in irgend einer Form zur Rechenschaft gezogen werden.
Sie sind vielmehr bevollmächtigte Geschäftsträger der Einzelstaaten.
Eine indirecte Anerkennung hat dieser, aus der Natur des Bun-
desrathes sich ergebende Satz in der R.-V. Art 10 gefunden:
"Dem Kaiser liegt es ob, den Mitgliedern des Bundes-
rathes den üblichen diplomatischen Schutz zu ge-
währen."

Dadurch ist ihnen und dem zu ihrer Hülfe ihnen beigegebenen
Personal, soweit sie nicht Preußische Staatsangehörige sind, die
Exterritorialität der Preußischen (Landes-) Staatsgewalt gegenüber
gewährleistet 2) und ihnen der Genuß derjenigen Vorrechte zuge-

1) Nehmen mehrere Vertreter desselben Staates an der Bundesrathssitzung
Theil, so ist einer von ihnen mit der Stimmführung betraut; führt ein Mit-
glied des Bundesrathes die Stimmen mehrerer Staaten, so giebt er das Vo-
tum jedes Staates besonders ab.
2) Was in Folge der Reichsangehörigkeit von geringer praktischer Bedeu-
tung ist, abgesehen von der Exemtion von direkten Steuern.

§. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe.
Belang, für die Abſtimmung iſt es völlig unerheblich 1); denn
nicht die Bevollmächtigten, ſondern die Staaten ſtimmen ab.

c) Aus der Stellung, welche den Bundesraths-Bevollmäch-
tigten zukömmt, ergiebt ſich ferner der im Art. 9 der Verfaſſung
ausgeſprochene Satz, daß Niemand gleichzeitig Mitglied des Bun-
desrathes und des Reichstages ſein kann. Denn derjenige, welcher
beiden Körperſchaften angehört, müßte als Mitglied des Bundes-
rathes nach der ihm ertheilten Inſtruktion, als Mitglied des
Reichstages nach freier perſönlicher Ueberzeugung ſtimmen. Es
könnte daher Jemand, der beiden Körperſchaften angehört, in die
Lage kommen, im Reichstage diejenige Maßregel zu bekämpfen,
welcher er im Bundesrathe zugeſtimmt hat, und umgekehrt.

Dagegen ſteht es jedem Mitgliede des Bundesrathes frei, im
Reichstage die Anſichten ſeiner Regierung zu vertreten
und zwar auch dann, wenn dieſelben von der Majorität des Bun-
desrathes nicht adoptirt worden ſind. R.-Verf. Art. 9.

d) Die Mitglieder des Bundesrathes ſind nicht Beamte des
Reiches. Sie beziehen aus Reichsmitteln keinen Gehalt; ſie ſind
nicht der Disciplinargewalt des Reiches unterworfen; ſie können
für ihre Abſtimmungen und ihre anderweitige Thätigkeit im Bun-
desrathe weder vom Bundesrathe ſelbſt noch vom Kaiſer oder vom
Reichstage in irgend einer Form zur Rechenſchaft gezogen werden.
Sie ſind vielmehr bevollmächtigte Geſchäftsträger der Einzelſtaaten.
Eine indirecte Anerkennung hat dieſer, aus der Natur des Bun-
desrathes ſich ergebende Satz in der R.-V. Art 10 gefunden:
„Dem Kaiſer liegt es ob, den Mitgliedern des Bundes-
rathes den üblichen diplomatiſchen Schutz zu ge-
währen.“

Dadurch iſt ihnen und dem zu ihrer Hülfe ihnen beigegebenen
Perſonal, ſoweit ſie nicht Preußiſche Staatsangehörige ſind, die
Exterritorialität der Preußiſchen (Landes-) Staatsgewalt gegenüber
gewährleiſtet 2) und ihnen der Genuß derjenigen Vorrechte zuge-

1) Nehmen mehrere Vertreter deſſelben Staates an der Bundesrathsſitzung
Theil, ſo iſt einer von ihnen mit der Stimmführung betraut; führt ein Mit-
glied des Bundesrathes die Stimmen mehrerer Staaten, ſo giebt er das Vo-
tum jedes Staates beſonders ab.
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tung iſt, abgeſehen von der Exemtion von direkten Steuern.
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[240/0260] §. 28. Die Staatenrechte im Bundesrathe. Belang, für die Abſtimmung iſt es völlig unerheblich 1); denn nicht die Bevollmächtigten, ſondern die Staaten ſtimmen ab. c) Aus der Stellung, welche den Bundesraths-Bevollmäch- tigten zukömmt, ergiebt ſich ferner der im Art. 9 der Verfaſſung ausgeſprochene Satz, daß Niemand gleichzeitig Mitglied des Bun- desrathes und des Reichstages ſein kann. Denn derjenige, welcher beiden Körperſchaften angehört, müßte als Mitglied des Bundes- rathes nach der ihm ertheilten Inſtruktion, als Mitglied des Reichstages nach freier perſönlicher Ueberzeugung ſtimmen. Es könnte daher Jemand, der beiden Körperſchaften angehört, in die Lage kommen, im Reichstage diejenige Maßregel zu bekämpfen, welcher er im Bundesrathe zugeſtimmt hat, und umgekehrt. Dagegen ſteht es jedem Mitgliede des Bundesrathes frei, im Reichstage die Anſichten ſeiner Regierung zu vertreten und zwar auch dann, wenn dieſelben von der Majorität des Bun- desrathes nicht adoptirt worden ſind. R.-Verf. Art. 9. d) Die Mitglieder des Bundesrathes ſind nicht Beamte des Reiches. Sie beziehen aus Reichsmitteln keinen Gehalt; ſie ſind nicht der Disciplinargewalt des Reiches unterworfen; ſie können für ihre Abſtimmungen und ihre anderweitige Thätigkeit im Bun- desrathe weder vom Bundesrathe ſelbſt noch vom Kaiſer oder vom Reichstage in irgend einer Form zur Rechenſchaft gezogen werden. Sie ſind vielmehr bevollmächtigte Geſchäftsträger der Einzelſtaaten. Eine indirecte Anerkennung hat dieſer, aus der Natur des Bun- desrathes ſich ergebende Satz in der R.-V. Art 10 gefunden: „Dem Kaiſer liegt es ob, den Mitgliedern des Bundes- rathes den üblichen diplomatiſchen Schutz zu ge- währen.“ Dadurch iſt ihnen und dem zu ihrer Hülfe ihnen beigegebenen Perſonal, ſoweit ſie nicht Preußiſche Staatsangehörige ſind, die Exterritorialität der Preußiſchen (Landes-) Staatsgewalt gegenüber gewährleiſtet 2) und ihnen der Genuß derjenigen Vorrechte zuge- 1) Nehmen mehrere Vertreter deſſelben Staates an der Bundesrathsſitzung Theil, ſo iſt einer von ihnen mit der Stimmführung betraut; führt ein Mit- glied des Bundesrathes die Stimmen mehrerer Staaten, ſo giebt er das Vo- tum jedes Staates beſonders ab. 2) Was in Folge der Reichsangehörigkeit von geringer praktiſcher Bedeu- tung iſt, abgeſehen von der Exemtion von direkten Steuern.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/260>, abgerufen am 24.11.2024.