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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 11. Die Rechte der Einzelstaaten.
kommt, wenn der Einzelstaat gegen dasselbe sich erklärt, und ebenso
wenig, wenn er sich der Abstimmung enthält, sondern nur, wenn
derselbe positiv seine Einwilligung, also seinen Verzicht auf das
Sonderrecht ausspricht, so handelt die Regierung des Einzelstaates
bei ihrer zustimmenden Erklärung stets in doppelter Eigen-
schaft, einerseits als Mitglied des Reiches, andererseits als ein
dem Reiche selbstständig gegenüberstehendes Rechtssubject, welches
an das Reich ein Recht aufopfert. In dieser letzteren Eigenschaft
führt die Regierung nicht ein staatsrechtliches Geschäft des Reiches,
sondern ein staatsrechtliches Geschäft des Einzelstaates und es ist
daher auch Sache des Einzelstaates, die Grundsätze aufzustellen,
nach denen dieses Geschäft zu führen ist. Soll z. B. Hamburg in
das Zollgebiet oder Württemberg in die gemeinsame Postverwaltung
eintreten, so ist dieser Act sowohl von dem Interesse des Reiches
aus, als auch von dem Interesse der genannten Einzelstaaten aus
zu prüfen und zu beschließen und es muß zwischen dem Reich und
dem betreffenden Einzelstaat ein Consens 1) erzielt werden. So
weit es sich um den Willensentschluß des Reichs handelt, ist der-
selbe von der Zustimmung und Mitwirkung der partikulären
Volksvertretungen emancipirt; soweit die specielle Zustimmung des
Einzelstaates erforderlich ist, handelt es sich um einen Willensact
des Einzelstaates, bei welchem dessen Regierung die Regeln des
Landesstaatsrechts befolgen muß. Würde unter Verletzung dieser
Regeln der Vertreter Hamburgs im Bundesrath der Aufnahme
Hamburgs in das Zollgebiet oder der Vertreter Württembergs
dem Anschluß dieses Staates an die Reichspostverwaltung zustim-
men, so wäre das in dieser Art zu Stande gekommene Reichsgesetz
auch für Hamburg und Württemberg verbindlich, weil die Reichs-
verfassung lediglich diese Zustimmung im Bundesrath erfordert; aber
die Regierungen dieser Staaten könnten nach Maßgabe des betref-
fenden Landesrechts wegen ihres Verhaltens zur Verantwortung
gezogen werden 2).

III. Rechte der Bundesstaaten als Einzelner.
(Jura singulorum.)
Die Mitgliedschaft bei einer Corporation

1) Was nicht zu verwechseln ist damit, daß formell ein Vertrag geschlos-
sen werden müsse.
2) In diesem Resultate ist Hänel a. a. O. S. 222 im Wesentlichen
übereinstimmend. Vgl. unten §. 28.

§. 11. Die Rechte der Einzelſtaaten.
kommt, wenn der Einzelſtaat gegen daſſelbe ſich erklärt, und ebenſo
wenig, wenn er ſich der Abſtimmung enthält, ſondern nur, wenn
derſelbe poſitiv ſeine Einwilligung, alſo ſeinen Verzicht auf das
Sonderrecht ausſpricht, ſo handelt die Regierung des Einzelſtaates
bei ihrer zuſtimmenden Erklärung ſtets in doppelter Eigen-
ſchaft, einerſeits als Mitglied des Reiches, andererſeits als ein
dem Reiche ſelbſtſtändig gegenüberſtehendes Rechtsſubject, welches
an das Reich ein Recht aufopfert. In dieſer letzteren Eigenſchaft
führt die Regierung nicht ein ſtaatsrechtliches Geſchäft des Reiches,
ſondern ein ſtaatsrechtliches Geſchäft des Einzelſtaates und es iſt
daher auch Sache des Einzelſtaates, die Grundſätze aufzuſtellen,
nach denen dieſes Geſchäft zu führen iſt. Soll z. B. Hamburg in
das Zollgebiet oder Württemberg in die gemeinſame Poſtverwaltung
eintreten, ſo iſt dieſer Act ſowohl von dem Intereſſe des Reiches
aus, als auch von dem Intereſſe der genannten Einzelſtaaten aus
zu prüfen und zu beſchließen und es muß zwiſchen dem Reich und
dem betreffenden Einzelſtaat ein Conſens 1) erzielt werden. So
weit es ſich um den Willensentſchluß des Reichs handelt, iſt der-
ſelbe von der Zuſtimmung und Mitwirkung der partikulären
Volksvertretungen emancipirt; ſoweit die ſpecielle Zuſtimmung des
Einzelſtaates erforderlich iſt, handelt es ſich um einen Willensact
des Einzelſtaates, bei welchem deſſen Regierung die Regeln des
Landesſtaatsrechts befolgen muß. Würde unter Verletzung dieſer
Regeln der Vertreter Hamburgs im Bundesrath der Aufnahme
Hamburgs in das Zollgebiet oder der Vertreter Württembergs
dem Anſchluß dieſes Staates an die Reichspoſtverwaltung zuſtim-
men, ſo wäre das in dieſer Art zu Stande gekommene Reichsgeſetz
auch für Hamburg und Württemberg verbindlich, weil die Reichs-
verfaſſung lediglich dieſe Zuſtimmung im Bundesrath erfordert; aber
die Regierungen dieſer Staaten könnten nach Maßgabe des betref-
fenden Landesrechts wegen ihres Verhaltens zur Verantwortung
gezogen werden 2).

III. Rechte der Bundesſtaaten als Einzelner.
(Jura singulorum.)
Die Mitgliedſchaft bei einer Corporation

1) Was nicht zu verwechſeln iſt damit, daß formell ein Vertrag geſchloſ-
ſen werden müſſe.
2) In dieſem Reſultate iſt Hänel a. a. O. S. 222 im Weſentlichen
übereinſtimmend. Vgl. unten §. 28.
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[121/0141] §. 11. Die Rechte der Einzelſtaaten. kommt, wenn der Einzelſtaat gegen daſſelbe ſich erklärt, und ebenſo wenig, wenn er ſich der Abſtimmung enthält, ſondern nur, wenn derſelbe poſitiv ſeine Einwilligung, alſo ſeinen Verzicht auf das Sonderrecht ausſpricht, ſo handelt die Regierung des Einzelſtaates bei ihrer zuſtimmenden Erklärung ſtets in doppelter Eigen- ſchaft, einerſeits als Mitglied des Reiches, andererſeits als ein dem Reiche ſelbſtſtändig gegenüberſtehendes Rechtsſubject, welches an das Reich ein Recht aufopfert. In dieſer letzteren Eigenſchaft führt die Regierung nicht ein ſtaatsrechtliches Geſchäft des Reiches, ſondern ein ſtaatsrechtliches Geſchäft des Einzelſtaates und es iſt daher auch Sache des Einzelſtaates, die Grundſätze aufzuſtellen, nach denen dieſes Geſchäft zu führen iſt. Soll z. B. Hamburg in das Zollgebiet oder Württemberg in die gemeinſame Poſtverwaltung eintreten, ſo iſt dieſer Act ſowohl von dem Intereſſe des Reiches aus, als auch von dem Intereſſe der genannten Einzelſtaaten aus zu prüfen und zu beſchließen und es muß zwiſchen dem Reich und dem betreffenden Einzelſtaat ein Conſens 1) erzielt werden. So weit es ſich um den Willensentſchluß des Reichs handelt, iſt der- ſelbe von der Zuſtimmung und Mitwirkung der partikulären Volksvertretungen emancipirt; ſoweit die ſpecielle Zuſtimmung des Einzelſtaates erforderlich iſt, handelt es ſich um einen Willensact des Einzelſtaates, bei welchem deſſen Regierung die Regeln des Landesſtaatsrechts befolgen muß. Würde unter Verletzung dieſer Regeln der Vertreter Hamburgs im Bundesrath der Aufnahme Hamburgs in das Zollgebiet oder der Vertreter Württembergs dem Anſchluß dieſes Staates an die Reichspoſtverwaltung zuſtim- men, ſo wäre das in dieſer Art zu Stande gekommene Reichsgeſetz auch für Hamburg und Württemberg verbindlich, weil die Reichs- verfaſſung lediglich dieſe Zuſtimmung im Bundesrath erfordert; aber die Regierungen dieſer Staaten könnten nach Maßgabe des betref- fenden Landesrechts wegen ihres Verhaltens zur Verantwortung gezogen werden 2). III. Rechte der Bundesſtaaten als Einzelner. (Jura singulorum.) Die Mitgliedſchaft bei einer Corporation 1) Was nicht zu verwechſeln iſt damit, daß formell ein Vertrag geſchloſ- ſen werden müſſe. 2) In dieſem Reſultate iſt Hänel a. a. O. S. 222 im Weſentlichen übereinſtimmend. Vgl. unten §. 28.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/141>, abgerufen am 30.04.2024.