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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 11. Die Rechte der Einzelstaaten.
rechte bezeichnen; jedoch sind sie nicht ohne Weiteres in der Mit-
gliedschaft enthalten, sondern sie bedürfen eines besonderen Titels.
Dieser Titel kann entweder ein Vertrag zwischen dem Reich und
dem Einzelstaat sein oder ein legislatorischer Akt des Reiches, und
der letztere wieder in dreifacher Abstufung, entweder eine Bestim-
mung der Verfassung, oder ein einfaches Gesetz oder ein Beschluß
des Bundesraths innerhalb der demselben zustehenden Kompetenz 1).
Diese Form ihrer Begründung ist von Einfluß hinsichtlich der Form,
welche zu ihrer Aufhebung erforderlich ist.

Ihrem Inhalte nach sind die Sonderrechte:

1. Beschränkungen der Kompetenz des Reiches,
indem einzelnen Staaten Hoheitsrechte vorbehalten sind, welche
hinsichtlich der übrigen dem Reiche zustehen. Diese Rechte nennt man
daher Reservatrechte. In der Norddeutschen Bundesverfassung
hatten lediglich die Hansestädte das Reservatrecht, daß sie als
Freihäfen außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgränze bleiben, bis
sie ihren Einschluß in dieselbe beantragen. Nachdem Lübeck den
Einschluß beantragt hat, ist im Art. 34 der Reichs-Verfassung für
Hamburg und Bremen dieses Sonderrecht anerkannt worden 2).
Bei dem Hinzutritt der süddeutschen Staaten zum Reiche haben
sich dieselben folgende Sonderrechte reservirt:

Baden. Die Besteuerung des inländischen Branntweins
und Bieres bleibt der Landesgesetzgebung vorbehalten und
der Ertrag dieser Steuern verbleibt Baden 3).

1) Vgl. zu dem Folgenden Laband a. a. O. S. 1507 fg. Ein Beispiel
für die Begründung von Sonderrechten durch einen Bundesraths-Be-
schluß
liefert die Reichsschulkommission. Durch einen Beschluß vom 19. Fe-
bruar 1875 (Protok. §. 143 S. 131) hat der Bundesrath bestimmt, daß von
den 6 Mitgliedern, aus denen diese Kommission besteht, Preußen, Bayern,
Sachsen und Württemberg je ein Mitglied ernennen; ferner daß ein Mitglied
alternirend von Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen und Mecklenburg-Schwerin in
der angegebenen Reihenfolge jedesmal auf zwei Jahre ernannt wird; endlich
daß ein Mitglied alternirend von den übrigen Bundesstaaten und zwar nach
der Reihenfolge im Art. 6 der R.-V. jedesmal auf zwei Jahre ernannt wird.
2) Daß dieses Recht unter dem Schutz des Art. 78 Abs. 2 steht, zeigt
sehr treffend gegen Hänel a. a. O. S. 200, der sich auf die Aufnahme Lü-
becks durch Bundesrathsbeschluß als Präzedenzfall beruft, Löning a. a. O.
S. 365 fg.
3) Reichsverf. 35 Abs. 2. 38.

§. 11. Die Rechte der Einzelſtaaten.
rechte bezeichnen; jedoch ſind ſie nicht ohne Weiteres in der Mit-
gliedſchaft enthalten, ſondern ſie bedürfen eines beſonderen Titels.
Dieſer Titel kann entweder ein Vertrag zwiſchen dem Reich und
dem Einzelſtaat ſein oder ein legislatoriſcher Akt des Reiches, und
der letztere wieder in dreifacher Abſtufung, entweder eine Beſtim-
mung der Verfaſſung, oder ein einfaches Geſetz oder ein Beſchluß
des Bundesraths innerhalb der demſelben zuſtehenden Kompetenz 1).
Dieſe Form ihrer Begründung iſt von Einfluß hinſichtlich der Form,
welche zu ihrer Aufhebung erforderlich iſt.

Ihrem Inhalte nach ſind die Sonderrechte:

1. Beſchränkungen der Kompetenz des Reiches,
indem einzelnen Staaten Hoheitsrechte vorbehalten ſind, welche
hinſichtlich der übrigen dem Reiche zuſtehen. Dieſe Rechte nennt man
daher Reſervatrechte. In der Norddeutſchen Bundesverfaſſung
hatten lediglich die Hanſeſtädte das Reſervatrecht, daß ſie als
Freihäfen außerhalb der gemeinſchaftlichen Zollgränze bleiben, bis
ſie ihren Einſchluß in dieſelbe beantragen. Nachdem Lübeck den
Einſchluß beantragt hat, iſt im Art. 34 der Reichs-Verfaſſung für
Hamburg und Bremen dieſes Sonderrecht anerkannt worden 2).
Bei dem Hinzutritt der ſüddeutſchen Staaten zum Reiche haben
ſich dieſelben folgende Sonderrechte reſervirt:

Baden. Die Beſteuerung des inländiſchen Branntweins
und Bieres bleibt der Landesgeſetzgebung vorbehalten und
der Ertrag dieſer Steuern verbleibt Baden 3).

1) Vgl. zu dem Folgenden Laband a. a. O. S. 1507 fg. Ein Beiſpiel
für die Begründung von Sonderrechten durch einen Bundesraths-Be-
ſchluß
liefert die Reichsſchulkommiſſion. Durch einen Beſchluß vom 19. Fe-
bruar 1875 (Protok. §. 143 S. 131) hat der Bundesrath beſtimmt, daß von
den 6 Mitgliedern, aus denen dieſe Kommiſſion beſteht, Preußen, Bayern,
Sachſen und Württemberg je ein Mitglied ernennen; ferner daß ein Mitglied
alternirend von Baden, Heſſen, Elſaß-Lothringen und Mecklenburg-Schwerin in
der angegebenen Reihenfolge jedesmal auf zwei Jahre ernannt wird; endlich
daß ein Mitglied alternirend von den übrigen Bundesſtaaten und zwar nach
der Reihenfolge im Art. 6 der R.-V. jedesmal auf zwei Jahre ernannt wird.
2) Daß dieſes Recht unter dem Schutz des Art. 78 Abſ. 2 ſteht, zeigt
ſehr treffend gegen Hänel a. a. O. S. 200, der ſich auf die Aufnahme Lü-
becks durch Bundesrathsbeſchluß als Präzedenzfall beruft, Löning a. a. O.
S. 365 fg.
3) Reichsverf. 35 Abſ. 2. 38.
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[114/0134] §. 11. Die Rechte der Einzelſtaaten. rechte bezeichnen; jedoch ſind ſie nicht ohne Weiteres in der Mit- gliedſchaft enthalten, ſondern ſie bedürfen eines beſonderen Titels. Dieſer Titel kann entweder ein Vertrag zwiſchen dem Reich und dem Einzelſtaat ſein oder ein legislatoriſcher Akt des Reiches, und der letztere wieder in dreifacher Abſtufung, entweder eine Beſtim- mung der Verfaſſung, oder ein einfaches Geſetz oder ein Beſchluß des Bundesraths innerhalb der demſelben zuſtehenden Kompetenz 1). Dieſe Form ihrer Begründung iſt von Einfluß hinſichtlich der Form, welche zu ihrer Aufhebung erforderlich iſt. Ihrem Inhalte nach ſind die Sonderrechte: 1. Beſchränkungen der Kompetenz des Reiches, indem einzelnen Staaten Hoheitsrechte vorbehalten ſind, welche hinſichtlich der übrigen dem Reiche zuſtehen. Dieſe Rechte nennt man daher Reſervatrechte. In der Norddeutſchen Bundesverfaſſung hatten lediglich die Hanſeſtädte das Reſervatrecht, daß ſie als Freihäfen außerhalb der gemeinſchaftlichen Zollgränze bleiben, bis ſie ihren Einſchluß in dieſelbe beantragen. Nachdem Lübeck den Einſchluß beantragt hat, iſt im Art. 34 der Reichs-Verfaſſung für Hamburg und Bremen dieſes Sonderrecht anerkannt worden 2). Bei dem Hinzutritt der ſüddeutſchen Staaten zum Reiche haben ſich dieſelben folgende Sonderrechte reſervirt: Baden. Die Beſteuerung des inländiſchen Branntweins und Bieres bleibt der Landesgeſetzgebung vorbehalten und der Ertrag dieſer Steuern verbleibt Baden 3). 1) Vgl. zu dem Folgenden Laband a. a. O. S. 1507 fg. Ein Beiſpiel für die Begründung von Sonderrechten durch einen Bundesraths-Be- ſchluß liefert die Reichsſchulkommiſſion. Durch einen Beſchluß vom 19. Fe- bruar 1875 (Protok. §. 143 S. 131) hat der Bundesrath beſtimmt, daß von den 6 Mitgliedern, aus denen dieſe Kommiſſion beſteht, Preußen, Bayern, Sachſen und Württemberg je ein Mitglied ernennen; ferner daß ein Mitglied alternirend von Baden, Heſſen, Elſaß-Lothringen und Mecklenburg-Schwerin in der angegebenen Reihenfolge jedesmal auf zwei Jahre ernannt wird; endlich daß ein Mitglied alternirend von den übrigen Bundesſtaaten und zwar nach der Reihenfolge im Art. 6 der R.-V. jedesmal auf zwei Jahre ernannt wird. 2) Daß dieſes Recht unter dem Schutz des Art. 78 Abſ. 2 ſteht, zeigt ſehr treffend gegen Hänel a. a. O. S. 200, der ſich auf die Aufnahme Lü- becks durch Bundesrathsbeſchluß als Präzedenzfall beruft, Löning a. a. O. S. 365 fg. 3) Reichsverf. 35 Abſ. 2. 38.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/134>, abgerufen am 30.04.2024.