Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.§. 10. Die Unterordnung der Einzelstaaten unter das Reich. der Remuneration des Ehrenamtes und der Besoldung des Berufs-amtes? Die geschichtliche Entwicklung des Brandenburgisch-Preu- sischen Landrathsamtes 1) liefert ein höchst bedeutsames und an- schauliches Beispiel dafür, wie leicht das Ehrenamt in ein Berufs- amt, die Kostenentschädigung mittelst einer Pauschsumme in einen, mit dem Amt verbundenen Gehalt übergehen kann. Andererseits gibt es auch unbesoldete Staatsämter. Ist der unbesoldete Gerichts- oder Regierungs-Assessor ein Beamter der Selbstverwaltung? Hat der Gesandte, der doppelt so viel auszugeben genöthigt ist, als seine Amtseinkünfte betragen, ein Ehrenamt? Auch Alles, was von der Selbstverwaltung in der herrschen- Ebensowenig ist die Decentralisation ein für die Selbstver- Die unjuristische Definition der Selbstverwaltung als einer Man betont aber nicht nur ein begrifflich ganz unerhebliches 1) Vgl. die literar. Nachweisungen bei v. Rönne Preuß. Staatsr. II. 1. §. 265. 2) Gneist Preuß. Kreis-Ordn. S. 11. "Das an jedem Punkt Entschei- dende ist die gewohnheitsmäßige Selbstthätigkeit im Staatsberuf." Laband, Reichsstaatsrecht. I. 7
§. 10. Die Unterordnung der Einzelſtaaten unter das Reich. der Remuneration des Ehrenamtes und der Beſoldung des Berufs-amtes? Die geſchichtliche Entwicklung des Brandenburgiſch-Preu- ſiſchen Landrathsamtes 1) liefert ein höchſt bedeutſames und an- ſchauliches Beiſpiel dafür, wie leicht das Ehrenamt in ein Berufs- amt, die Koſtenentſchädigung mittelſt einer Pauſchſumme in einen, mit dem Amt verbundenen Gehalt übergehen kann. Andererſeits gibt es auch unbeſoldete Staatsämter. Iſt der unbeſoldete Gerichts- oder Regierungs-Aſſeſſor ein Beamter der Selbſtverwaltung? Hat der Geſandte, der doppelt ſo viel auszugeben genöthigt iſt, als ſeine Amtseinkünfte betragen, ein Ehrenamt? Auch Alles, was von der Selbſtverwaltung in der herrſchen- Ebenſowenig iſt die Decentraliſation ein für die Selbſtver- Die unjuriſtiſche Definition der Selbſtverwaltung als einer Man betont aber nicht nur ein begrifflich ganz unerhebliches 1) Vgl. die literar. Nachweiſungen bei v. Rönne Preuß. Staatsr. II. 1. §. 265. 2) Gneiſt Preuß. Kreis-Ordn. S. 11. „Das an jedem Punkt Entſchei- dende iſt die gewohnheitsmäßige Selbſtthätigkeit im Staatsberuf.“ Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 7
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0117" n="97"/><fw place="top" type="header">§. 10. Die Unterordnung der Einzelſtaaten unter das Reich.</fw><lb/> der Remuneration des Ehrenamtes und der Beſoldung des Berufs-<lb/> amtes? Die geſchichtliche Entwicklung des Brandenburgiſch-Preu-<lb/> ſiſchen Landrathsamtes <note place="foot" n="1)">Vgl. die literar. Nachweiſungen bei v. <hi rendition="#g">Rönne</hi> Preuß. Staatsr. <hi rendition="#aq">II.</hi><lb/> 1. §. 265.</note> liefert ein höchſt bedeutſames und an-<lb/> ſchauliches Beiſpiel dafür, wie leicht das Ehrenamt in ein Berufs-<lb/> amt, die Koſtenentſchädigung mittelſt einer Pauſchſumme in einen,<lb/> mit dem Amt verbundenen Gehalt übergehen kann. Andererſeits<lb/> gibt es auch unbeſoldete Staatsämter. Iſt der unbeſoldete Gerichts-<lb/> oder Regierungs-Aſſeſſor ein Beamter der Selbſtverwaltung? Hat<lb/> der Geſandte, der doppelt ſo viel auszugeben genöthigt iſt, als<lb/> ſeine Amtseinkünfte betragen, ein Ehrenamt?</p><lb/> <p>Auch Alles, was von der Selbſtverwaltung in der herrſchen-<lb/> den Bedeutung des Wortes ausgeſagt wird, die Unpartheilichkeit<lb/> in der Ernennung und Entlaſſung, die Ausübung der obrigkeit-<lb/> lichen Functionen nach Maßgabe der Geſetze, die Rechtscontrollen<lb/> in den Formen des contradictoriſchen Verfahrens vor unabhängi-<lb/> gen Gerichten, iſt auf die Verwaltung durch beſoldete Berufsbe-<lb/> amte anwendbar und nach den Grundſätzen des Rechtsſtaates von<lb/> jeder Form der Verwaltung geltend.</p><lb/> <p>Ebenſowenig iſt die Decentraliſation ein für die Selbſtver-<lb/> waltung characteriſtiſches Moment, worauf mit vielen Andern<lb/><hi rendition="#g">Schulze</hi> Preuß. Staatsr. § 127. 128 beſonderes Gewicht legt.<lb/> Bei völlig büreaucratiſcher Staatsverwaltung kann die Decentra-<lb/> liſation im größten Maaße erreicht werden durch Beſchränkung der<lb/> Beſchwerden und anderen Rechtsmitteln, durch Ausſtattung der<lb/> untern Inſtanzen mit weitreichenden Befugniſſen.</p><lb/> <p>Die unjuriſtiſche Definition der Selbſtverwaltung als einer<lb/> Verwaltung durch Ehrenämter hat zu immer weiterer Abirrung<lb/> geführt. Man definirt die Selbſtverwaltung geradezu als „Selbſt-<lb/> thätigkeit“ der Bürger <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Gneiſt</hi> Preuß. Kreis-Ordn. S. 11. „Das an jedem Punkt Entſchei-<lb/> dende iſt die gewohnheitsmäßige Selbſtthätigkeit im Staatsberuf.“</note>. Als ob bezahlte und berufsmäßige Thä-<lb/> tigkeit im Staatsdienſte keine „Selbſtthätigkeit“ wäre, als ob die<lb/> Hunderttauſende von Berufsbeamten der Militair- Finanz- Ge-<lb/> richts- Polizeiverwaltung u. ſ. w. ihre Geſchäfte ohne „Selbſtthä-<lb/> tigkeit“ erledigen könnten oder keine Staatsbürger wären.</p><lb/> <p>Man betont aber nicht nur ein begrifflich ganz unerhebliches<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Laband</hi>, Reichsſtaatsrecht. <hi rendition="#aq">I.</hi> 7</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0117]
§. 10. Die Unterordnung der Einzelſtaaten unter das Reich.
der Remuneration des Ehrenamtes und der Beſoldung des Berufs-
amtes? Die geſchichtliche Entwicklung des Brandenburgiſch-Preu-
ſiſchen Landrathsamtes 1) liefert ein höchſt bedeutſames und an-
ſchauliches Beiſpiel dafür, wie leicht das Ehrenamt in ein Berufs-
amt, die Koſtenentſchädigung mittelſt einer Pauſchſumme in einen,
mit dem Amt verbundenen Gehalt übergehen kann. Andererſeits
gibt es auch unbeſoldete Staatsämter. Iſt der unbeſoldete Gerichts-
oder Regierungs-Aſſeſſor ein Beamter der Selbſtverwaltung? Hat
der Geſandte, der doppelt ſo viel auszugeben genöthigt iſt, als
ſeine Amtseinkünfte betragen, ein Ehrenamt?
Auch Alles, was von der Selbſtverwaltung in der herrſchen-
den Bedeutung des Wortes ausgeſagt wird, die Unpartheilichkeit
in der Ernennung und Entlaſſung, die Ausübung der obrigkeit-
lichen Functionen nach Maßgabe der Geſetze, die Rechtscontrollen
in den Formen des contradictoriſchen Verfahrens vor unabhängi-
gen Gerichten, iſt auf die Verwaltung durch beſoldete Berufsbe-
amte anwendbar und nach den Grundſätzen des Rechtsſtaates von
jeder Form der Verwaltung geltend.
Ebenſowenig iſt die Decentraliſation ein für die Selbſtver-
waltung characteriſtiſches Moment, worauf mit vielen Andern
Schulze Preuß. Staatsr. § 127. 128 beſonderes Gewicht legt.
Bei völlig büreaucratiſcher Staatsverwaltung kann die Decentra-
liſation im größten Maaße erreicht werden durch Beſchränkung der
Beſchwerden und anderen Rechtsmitteln, durch Ausſtattung der
untern Inſtanzen mit weitreichenden Befugniſſen.
Die unjuriſtiſche Definition der Selbſtverwaltung als einer
Verwaltung durch Ehrenämter hat zu immer weiterer Abirrung
geführt. Man definirt die Selbſtverwaltung geradezu als „Selbſt-
thätigkeit“ der Bürger 2). Als ob bezahlte und berufsmäßige Thä-
tigkeit im Staatsdienſte keine „Selbſtthätigkeit“ wäre, als ob die
Hunderttauſende von Berufsbeamten der Militair- Finanz- Ge-
richts- Polizeiverwaltung u. ſ. w. ihre Geſchäfte ohne „Selbſtthä-
tigkeit“ erledigen könnten oder keine Staatsbürger wären.
Man betont aber nicht nur ein begrifflich ganz unerhebliches
1) Vgl. die literar. Nachweiſungen bei v. Rönne Preuß. Staatsr. II.
1. §. 265.
2) Gneiſt Preuß. Kreis-Ordn. S. 11. „Das an jedem Punkt Entſchei-
dende iſt die gewohnheitsmäßige Selbſtthätigkeit im Staatsberuf.“
Laband, Reichsſtaatsrecht. I. 7
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |