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Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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innigsten Freundschaft und stieß ein äußerst vergnügtes Gelächter aus. Nun? -- nun? -- nun? -- rief er wiederholt, indem er mit großem Geschick die Stimme des Examinators nachahmte und dazu wie dieser den Kopf in den Hals hinunter bohrte, worüber Wilhelm vor Lachen platzen wollte.

Wilhelm tischte jetzt eine Reihe jener gottlosen Anekdötchen auf, durch welche sich die liebe Jugend bekanntlich allezeit für ihre Schwitzstunden schadlos gehalten hat. Eduard diente darauf mit noch erbaulicheren Proben von der Unterrichtsmethode und Lebensweise seines Vaters. Dabei kam er auch auf den "hohen Seher" zu reden, nach welchem derselbe jeden Tag zu bestimmter Stunde zugreifen pflege; wer schildert aber sein Erstaunen, seine Lust, als es sich zeigte, daß er nur diese magere Thatsache kannte, als er erst jetzt erfuhr, wie die beiden Tubus sich gefunden und die Herzen ihrer Besitzer nachgezogen hatten! Er wollte sich vor Lachen ausschütten, daß sein Vater über diese so ausbündig merkwürdige Geschichte zu Hause nie ein Wort verloren, und zeigte überhaupt gegen dessen finstere Eigenheiten, so fühlbar sie ihn selbst berühren konnten, nicht den geringsten Groll. Seine Erinnerung hielt es jedoch nicht lang in jenem dumpfen Oberstübchen aus, sondern hüpfte, wie der Knabe selbst so oft am Ende seiner kurzen Lehrstunden gethan, fröhlich ins Freie, in Feld und Wald, und Wilhelm bekam nun ebenfalls Dinge

innigsten Freundschaft und stieß ein äußerst vergnügtes Gelächter aus. Nun? — nun? — nun? — rief er wiederholt, indem er mit großem Geschick die Stimme des Examinators nachahmte und dazu wie dieser den Kopf in den Hals hinunter bohrte, worüber Wilhelm vor Lachen platzen wollte.

Wilhelm tischte jetzt eine Reihe jener gottlosen Anekdötchen auf, durch welche sich die liebe Jugend bekanntlich allezeit für ihre Schwitzstunden schadlos gehalten hat. Eduard diente darauf mit noch erbaulicheren Proben von der Unterrichtsmethode und Lebensweise seines Vaters. Dabei kam er auch auf den „hohen Seher“ zu reden, nach welchem derselbe jeden Tag zu bestimmter Stunde zugreifen pflege; wer schildert aber sein Erstaunen, seine Lust, als es sich zeigte, daß er nur diese magere Thatsache kannte, als er erst jetzt erfuhr, wie die beiden Tubus sich gefunden und die Herzen ihrer Besitzer nachgezogen hatten! Er wollte sich vor Lachen ausschütten, daß sein Vater über diese so ausbündig merkwürdige Geschichte zu Hause nie ein Wort verloren, und zeigte überhaupt gegen dessen finstere Eigenheiten, so fühlbar sie ihn selbst berühren konnten, nicht den geringsten Groll. Seine Erinnerung hielt es jedoch nicht lang in jenem dumpfen Oberstübchen aus, sondern hüpfte, wie der Knabe selbst so oft am Ende seiner kurzen Lehrstunden gethan, fröhlich ins Freie, in Feld und Wald, und Wilhelm bekam nun ebenfalls Dinge

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[0095] innigsten Freundschaft und stieß ein äußerst vergnügtes Gelächter aus. Nun? — nun? — nun? — rief er wiederholt, indem er mit großem Geschick die Stimme des Examinators nachahmte und dazu wie dieser den Kopf in den Hals hinunter bohrte, worüber Wilhelm vor Lachen platzen wollte. Wilhelm tischte jetzt eine Reihe jener gottlosen Anekdötchen auf, durch welche sich die liebe Jugend bekanntlich allezeit für ihre Schwitzstunden schadlos gehalten hat. Eduard diente darauf mit noch erbaulicheren Proben von der Unterrichtsmethode und Lebensweise seines Vaters. Dabei kam er auch auf den „hohen Seher“ zu reden, nach welchem derselbe jeden Tag zu bestimmter Stunde zugreifen pflege; wer schildert aber sein Erstaunen, seine Lust, als es sich zeigte, daß er nur diese magere Thatsache kannte, als er erst jetzt erfuhr, wie die beiden Tubus sich gefunden und die Herzen ihrer Besitzer nachgezogen hatten! Er wollte sich vor Lachen ausschütten, daß sein Vater über diese so ausbündig merkwürdige Geschichte zu Hause nie ein Wort verloren, und zeigte überhaupt gegen dessen finstere Eigenheiten, so fühlbar sie ihn selbst berühren konnten, nicht den geringsten Groll. Seine Erinnerung hielt es jedoch nicht lang in jenem dumpfen Oberstübchen aus, sondern hüpfte, wie der Knabe selbst so oft am Ende seiner kurzen Lehrstunden gethan, fröhlich ins Freie, in Feld und Wald, und Wilhelm bekam nun ebenfalls Dinge

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:08:57Z)

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/95>, abgerufen am 19.05.2024.