Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Der Pfarrer von A . . . Berg ertheilte seinem Wilhelm, als er ihn wieder zum Gymnasialgebäude begleitete und den Pfarrer von Y . . . burg daselbst abermals nirgends erblickte, den Auftrag, den Sohn desselben beim Hinein- oder Herausgehen aufzusuchen, sich nach dem Qartier der beiden Finsterlinge zu erkundigen und sie jedenfalls für den Abend in "der W . . . in Garten" zu bestellen. Wilhelm that sein Bestes. Allein der Löwe des dreißig- und siebenjährigen Krieges erschien so spät, daß er nur noch knapp seinen Platz erreichte, ehe das Dictiren der heutigen Aufgaben begann. Während des pythagoräischen Schweigens, das auf diese feierliche Handlung folgte, war kein Verkehr statthaft. Noch weniger konnte es am Schluße zu einer Annäherung kommen; denn ehe Wilhelm mit dem dritten Theile der Pensen fertig war, hatte Eduard seines Wissens Köcher ausgeleert, legte die Feder nieder, überreichte seine Arbeit dem wachehabenden Professor, und -- schnell war seine Spur verloren. Der Tag verging wie der gestrige. Vergebens fahndete der Pfarrer von A . . . Berg im Abendcirkel nach dem Freunde, der ihm nur in der Ferne, nicht aber in der Nähe sichtbar sein zu wollen schien. Er schüttelte den Kopf einmal über das andere, ließ manches hinterschlächtige Z durch die Zähne zischen und entsagte zuletzt gänzlich der Hoffnung, den Unsichtbaren zu sehen, den Unbegreiflichen zu begreifen. Der Pfarrer von A . . . Berg ertheilte seinem Wilhelm, als er ihn wieder zum Gymnasialgebäude begleitete und den Pfarrer von Y . . . burg daselbst abermals nirgends erblickte, den Auftrag, den Sohn desselben beim Hinein- oder Herausgehen aufzusuchen, sich nach dem Qartier der beiden Finsterlinge zu erkundigen und sie jedenfalls für den Abend in „der W . . . in Garten“ zu bestellen. Wilhelm that sein Bestes. Allein der Löwe des dreißig- und siebenjährigen Krieges erschien so spät, daß er nur noch knapp seinen Platz erreichte, ehe das Dictiren der heutigen Aufgaben begann. Während des pythagoräischen Schweigens, das auf diese feierliche Handlung folgte, war kein Verkehr statthaft. Noch weniger konnte es am Schluße zu einer Annäherung kommen; denn ehe Wilhelm mit dem dritten Theile der Pensen fertig war, hatte Eduard seines Wissens Köcher ausgeleert, legte die Feder nieder, überreichte seine Arbeit dem wachehabenden Professor, und — schnell war seine Spur verloren. Der Tag verging wie der gestrige. Vergebens fahndete der Pfarrer von A . . . Berg im Abendcirkel nach dem Freunde, der ihm nur in der Ferne, nicht aber in der Nähe sichtbar sein zu wollen schien. Er schüttelte den Kopf einmal über das andere, ließ manches hinterschlächtige Z durch die Zähne zischen und entsagte zuletzt gänzlich der Hoffnung, den Unsichtbaren zu sehen, den Unbegreiflichen zu begreifen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <pb facs="#f0080"/> <p>Der Pfarrer von A . . . Berg ertheilte seinem Wilhelm, als er ihn wieder zum Gymnasialgebäude begleitete und den Pfarrer von Y . . . burg daselbst abermals nirgends erblickte, den Auftrag, den Sohn desselben beim Hinein- oder Herausgehen aufzusuchen, sich nach dem Qartier der beiden Finsterlinge zu erkundigen und sie jedenfalls für den Abend in „der W . . . in Garten“ zu bestellen.</p><lb/> <p>Wilhelm that sein Bestes. Allein der Löwe des dreißig- und siebenjährigen Krieges erschien so spät, daß er nur noch knapp seinen Platz erreichte, ehe das Dictiren der heutigen Aufgaben begann. Während des pythagoräischen Schweigens, das auf diese feierliche Handlung folgte, war kein Verkehr statthaft. Noch weniger konnte es am Schluße zu einer Annäherung kommen; denn ehe Wilhelm mit dem dritten Theile der Pensen fertig war, hatte Eduard seines Wissens Köcher ausgeleert, legte die Feder nieder, überreichte seine Arbeit dem wachehabenden Professor, und — schnell war seine Spur verloren.</p><lb/> <p>Der Tag verging wie der gestrige.</p><lb/> <p>Vergebens fahndete der Pfarrer von A . . . Berg im Abendcirkel nach dem Freunde, der ihm nur in der Ferne, nicht aber in der Nähe sichtbar sein zu wollen schien. Er schüttelte den Kopf einmal über das andere, ließ manches hinterschlächtige Z durch die Zähne zischen und entsagte zuletzt gänzlich der Hoffnung, den Unsichtbaren zu sehen, den Unbegreiflichen zu begreifen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
Der Pfarrer von A . . . Berg ertheilte seinem Wilhelm, als er ihn wieder zum Gymnasialgebäude begleitete und den Pfarrer von Y . . . burg daselbst abermals nirgends erblickte, den Auftrag, den Sohn desselben beim Hinein- oder Herausgehen aufzusuchen, sich nach dem Qartier der beiden Finsterlinge zu erkundigen und sie jedenfalls für den Abend in „der W . . . in Garten“ zu bestellen.
Wilhelm that sein Bestes. Allein der Löwe des dreißig- und siebenjährigen Krieges erschien so spät, daß er nur noch knapp seinen Platz erreichte, ehe das Dictiren der heutigen Aufgaben begann. Während des pythagoräischen Schweigens, das auf diese feierliche Handlung folgte, war kein Verkehr statthaft. Noch weniger konnte es am Schluße zu einer Annäherung kommen; denn ehe Wilhelm mit dem dritten Theile der Pensen fertig war, hatte Eduard seines Wissens Köcher ausgeleert, legte die Feder nieder, überreichte seine Arbeit dem wachehabenden Professor, und — schnell war seine Spur verloren.
Der Tag verging wie der gestrige.
Vergebens fahndete der Pfarrer von A . . . Berg im Abendcirkel nach dem Freunde, der ihm nur in der Ferne, nicht aber in der Nähe sichtbar sein zu wollen schien. Er schüttelte den Kopf einmal über das andere, ließ manches hinterschlächtige Z durch die Zähne zischen und entsagte zuletzt gänzlich der Hoffnung, den Unsichtbaren zu sehen, den Unbegreiflichen zu begreifen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:08:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:08:57Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |