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Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Concept, las, nickte von Zeit zu Zeit, und immer mehr klärte sich seine Miene auf. In den Hauptfächern, sagte er, steht es ganz so, wie ich's von dir erwartet habe. Besonders dein Latein ist wahrhaft blühend. Nun, die Arithmetik ist ein Nebenfach, mit dem man's nicht so streng nimmt -- und ich werd die Herren darauf aufmerksam machen, daß du, vor den irrigen Voraussetzungen abgesehen, formell richtig gerechnet hast. Das ist Alles, was man verlangt.

In dieser Weise wurden die einzelnen Arbeiten von den Interessenten durchgenommen, so daß in der kleinen Gelehrtenausstellung ein allgemeines Summen herrschte. Dasselbe wurde jedoch durch eine auffallende Scene unterbrochen.

Aus dem Gymnasium kam einer der jungen Candidaten, den man unwillkürlich näher ansehen mußte. Er war eine hochaufgeschossene, spindeldürre Figur mit eckigem Gesichtsbau, schwarzen Haaren und dunkeln Augen, welche scheu und trutzig über das Gedränge hinschweiften; aus den Aermeln seines fadenscheinigen schwarzen Rockes ragten die Handgelenke nebst einem Theil der Vorderarme unbedeckt hervor. Während er durch die Versammlung, die ihm unheimlich zu sein schien, eine Gasse suchte, stürzte ein langer Mann in einem schwarzen Rock herbei, welches Kleidungsstück ebenfalls sehr abgetragen und zerschlissen aussah, nur daß die Aermel nicht zu kurz waren, und das vermuthlich aus dem einzigen Grunde, weil der

Concept, las, nickte von Zeit zu Zeit, und immer mehr klärte sich seine Miene auf. In den Hauptfächern, sagte er, steht es ganz so, wie ich's von dir erwartet habe. Besonders dein Latein ist wahrhaft blühend. Nun, die Arithmetik ist ein Nebenfach, mit dem man's nicht so streng nimmt — und ich werd die Herren darauf aufmerksam machen, daß du, vor den irrigen Voraussetzungen abgesehen, formell richtig gerechnet hast. Das ist Alles, was man verlangt.

In dieser Weise wurden die einzelnen Arbeiten von den Interessenten durchgenommen, so daß in der kleinen Gelehrtenausstellung ein allgemeines Summen herrschte. Dasselbe wurde jedoch durch eine auffallende Scene unterbrochen.

Aus dem Gymnasium kam einer der jungen Candidaten, den man unwillkürlich näher ansehen mußte. Er war eine hochaufgeschossene, spindeldürre Figur mit eckigem Gesichtsbau, schwarzen Haaren und dunkeln Augen, welche scheu und trutzig über das Gedränge hinschweiften; aus den Aermeln seines fadenscheinigen schwarzen Rockes ragten die Handgelenke nebst einem Theil der Vorderarme unbedeckt hervor. Während er durch die Versammlung, die ihm unheimlich zu sein schien, eine Gasse suchte, stürzte ein langer Mann in einem schwarzen Rock herbei, welches Kleidungsstück ebenfalls sehr abgetragen und zerschlissen aussah, nur daß die Aermel nicht zu kurz waren, und das vermuthlich aus dem einzigen Grunde, weil der

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:08:57Z)

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/73>, abgerufen am 19.05.2024.