Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

mochten, beschränkt, hatte er in seiner mißlaunischen Unlust an seinem eigenen Fleisch und Blut ein wahres Miethlingswerk gethan und den übelberathenen Schüler wenig über das buchstäbliche Verständniß von Typto hinaus gefördert, indem er ihn nämlich aus den spärlichen Lehrstunden, die er ihm ertheilte, fast regelmäßig unter Verabreichung etwelcher Ohrfeigen fortjagte, um ihn, wie man sagt, auf der Weide laufen zu lassen.

Zu einiger Rechtfertigung des unnatürlichen Vaters darf indessen nicht verschwiegen werden, daß der Sohn in der That auch gar kein Organ für jene Höhen des Lebens zeigte, die man Humaniora nennt. Im Freien aufgewachsen, von Kindheit auf wind- und wetterhart, wußte er Pferde zu tummeln, Ochsen zu bändigen, sämmtliche Hantierungen, die in dem Orte getrieben wurden, hatte er spielend erlernt, aber im Lateinischen war er, was ein gewisser großer Philosoph laut Schulzeugniß im Fach der Beredsamkeit gewesen sein soll, haud magnus, das Griechische bot ihm nur Einen homogenen Dialekt, der zum Unglück nicht in den Lehrplan taugte, den böotischen, und für das Hebräische hatten ihm die Götter ein ehernes Band um die Stirne geschmiedet. Wenn sein Vater ausnahmsweise gut auf ihn zu sprechen war, so konnte er sagen, es stecke vielleicht in dem Jungen ein Mann der That, der mehr werth wäre, als ein Dutzend Gelehrte zusammen, aber bei einer Nation, die nach Hölderlin's Ausspruch thatenarm und gedankenvoll sei, möge er zu-

mochten, beschränkt, hatte er in seiner mißlaunischen Unlust an seinem eigenen Fleisch und Blut ein wahres Miethlingswerk gethan und den übelberathenen Schüler wenig über das buchstäbliche Verständniß von Typto hinaus gefördert, indem er ihn nämlich aus den spärlichen Lehrstunden, die er ihm ertheilte, fast regelmäßig unter Verabreichung etwelcher Ohrfeigen fortjagte, um ihn, wie man sagt, auf der Weide laufen zu lassen.

Zu einiger Rechtfertigung des unnatürlichen Vaters darf indessen nicht verschwiegen werden, daß der Sohn in der That auch gar kein Organ für jene Höhen des Lebens zeigte, die man Humaniora nennt. Im Freien aufgewachsen, von Kindheit auf wind- und wetterhart, wußte er Pferde zu tummeln, Ochsen zu bändigen, sämmtliche Hantierungen, die in dem Orte getrieben wurden, hatte er spielend erlernt, aber im Lateinischen war er, was ein gewisser großer Philosoph laut Schulzeugniß im Fach der Beredsamkeit gewesen sein soll, haud magnus, das Griechische bot ihm nur Einen homogenen Dialekt, der zum Unglück nicht in den Lehrplan taugte, den böotischen, und für das Hebräische hatten ihm die Götter ein ehernes Band um die Stirne geschmiedet. Wenn sein Vater ausnahmsweise gut auf ihn zu sprechen war, so konnte er sagen, es stecke vielleicht in dem Jungen ein Mann der That, der mehr werth wäre, als ein Dutzend Gelehrte zusammen, aber bei einer Nation, die nach Hölderlin's Ausspruch thatenarm und gedankenvoll sei, möge er zu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0064"/>
mochten,                beschränkt, hatte er in seiner mißlaunischen Unlust an seinem eigenen Fleisch und                Blut ein wahres Miethlingswerk gethan und den übelberathenen Schüler wenig über das                buchstäbliche Verständniß von Typto hinaus gefördert, indem er ihn nämlich aus den                spärlichen Lehrstunden, die er ihm ertheilte, fast regelmäßig unter Verabreichung                etwelcher Ohrfeigen fortjagte, um ihn, wie man sagt, auf der Weide laufen zu                lassen.</p><lb/>
        <p>Zu einiger Rechtfertigung des unnatürlichen Vaters darf indessen nicht verschwiegen                werden, daß der Sohn in der That auch gar kein Organ für jene Höhen des Lebens                zeigte, die man Humaniora nennt. Im Freien aufgewachsen, von Kindheit auf wind- und                wetterhart, wußte er Pferde zu tummeln, Ochsen zu bändigen, sämmtliche Hantierungen,                die in dem Orte getrieben wurden, hatte er spielend erlernt, aber im Lateinischen war                er, was ein gewisser großer Philosoph laut Schulzeugniß im Fach der Beredsamkeit                gewesen sein soll, haud magnus, das Griechische bot ihm nur Einen homogenen Dialekt,                der zum Unglück nicht in den Lehrplan taugte, den böotischen, und für das Hebräische                hatten ihm die Götter ein ehernes Band um die Stirne geschmiedet. Wenn sein Vater                ausnahmsweise gut auf ihn zu sprechen war, so konnte er sagen, es stecke vielleicht                in dem Jungen ein Mann der That, der mehr werth wäre, als ein Dutzend Gelehrte                zusammen, aber bei einer Nation, die nach Hölderlin's Ausspruch thatenarm und                gedankenvoll sei, möge er zu-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0064] mochten, beschränkt, hatte er in seiner mißlaunischen Unlust an seinem eigenen Fleisch und Blut ein wahres Miethlingswerk gethan und den übelberathenen Schüler wenig über das buchstäbliche Verständniß von Typto hinaus gefördert, indem er ihn nämlich aus den spärlichen Lehrstunden, die er ihm ertheilte, fast regelmäßig unter Verabreichung etwelcher Ohrfeigen fortjagte, um ihn, wie man sagt, auf der Weide laufen zu lassen. Zu einiger Rechtfertigung des unnatürlichen Vaters darf indessen nicht verschwiegen werden, daß der Sohn in der That auch gar kein Organ für jene Höhen des Lebens zeigte, die man Humaniora nennt. Im Freien aufgewachsen, von Kindheit auf wind- und wetterhart, wußte er Pferde zu tummeln, Ochsen zu bändigen, sämmtliche Hantierungen, die in dem Orte getrieben wurden, hatte er spielend erlernt, aber im Lateinischen war er, was ein gewisser großer Philosoph laut Schulzeugniß im Fach der Beredsamkeit gewesen sein soll, haud magnus, das Griechische bot ihm nur Einen homogenen Dialekt, der zum Unglück nicht in den Lehrplan taugte, den böotischen, und für das Hebräische hatten ihm die Götter ein ehernes Band um die Stirne geschmiedet. Wenn sein Vater ausnahmsweise gut auf ihn zu sprechen war, so konnte er sagen, es stecke vielleicht in dem Jungen ein Mann der That, der mehr werth wäre, als ein Dutzend Gelehrte zusammen, aber bei einer Nation, die nach Hölderlin's Ausspruch thatenarm und gedankenvoll sei, möge er zu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:08:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:08:57Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/64
Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_tubus_1910/64>, abgerufen am 23.11.2024.