Kurz, Hermann: Die beiden Tubus. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 149–277. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.war! Er verfluchte den Dämon der Menschenliebe, den er längst aus sich ausgetrieben zu haben glaubte, und der ihn nun so unversehens in den Gänsedr . . ., wie er sich auszudrücken beliebte, geführt hatte. Ausweichen konnte er der Begegnung nicht, das war ihm klar. Sein Eduard mußte dieses Jahr ins Examen. Schon zweimal hatte er's mit ihm versäumt und sich dadurch in die verdrießliche Lage gebracht, um besondere Erlaubniß einkommen zu müssen, daß der Knabe die dritte und letzte Prüfung mit seiner Altersklasse gleichsam in Pausch und Bogen erstehen dürfe. Dies war eine Ausnahme, die nicht gern gestattet wurde und in einer Welt, in der alles Exceptionelle anstößig ist, schon im Voraus ein der Entscheidung ungünstiges Vorurtheil erweckte. Allein das kümmerte den Pfarrer von Y . . . burg wenig, dem es nur um das Examen selbst zu thun war, nicht um dessen Erfolg. Daß er den letzteren mit der Zuversicht des Astronomen, der eine Naturerscheinung berechnet, vorausgesagt hatte, war sein völliger Ernst gewesen. Er hatte aber auch zu dieser Sicherheit des Vorherwissens weder einer Wissenschaft noch einer Kunst bedurft: Eduards Erziehung bürgte hinlänglich für das Eintreffen seiner Prophezeihung. Auf das so häufig undankbare Auskunftsmittel des Selbstunterrichts und auf seine eigenen Kenntnisse, die zwar in ihren Trümmern noch "schön" sein war! Er verfluchte den Dämon der Menschenliebe, den er längst aus sich ausgetrieben zu haben glaubte, und der ihn nun so unversehens in den Gänsedr . . ., wie er sich auszudrücken beliebte, geführt hatte. Ausweichen konnte er der Begegnung nicht, das war ihm klar. Sein Eduard mußte dieses Jahr ins Examen. Schon zweimal hatte er's mit ihm versäumt und sich dadurch in die verdrießliche Lage gebracht, um besondere Erlaubniß einkommen zu müssen, daß der Knabe die dritte und letzte Prüfung mit seiner Altersklasse gleichsam in Pausch und Bogen erstehen dürfe. Dies war eine Ausnahme, die nicht gern gestattet wurde und in einer Welt, in der alles Exceptionelle anstößig ist, schon im Voraus ein der Entscheidung ungünstiges Vorurtheil erweckte. Allein das kümmerte den Pfarrer von Y . . . burg wenig, dem es nur um das Examen selbst zu thun war, nicht um dessen Erfolg. Daß er den letzteren mit der Zuversicht des Astronomen, der eine Naturerscheinung berechnet, vorausgesagt hatte, war sein völliger Ernst gewesen. Er hatte aber auch zu dieser Sicherheit des Vorherwissens weder einer Wissenschaft noch einer Kunst bedurft: Eduards Erziehung bürgte hinlänglich für das Eintreffen seiner Prophezeihung. Auf das so häufig undankbare Auskunftsmittel des Selbstunterrichts und auf seine eigenen Kenntnisse, die zwar in ihren Trümmern noch „schön“ sein <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0063"/> war! Er verfluchte den Dämon der Menschenliebe, den er längst aus sich ausgetrieben zu haben glaubte, und der ihn nun so unversehens in den Gänsedr . . ., wie er sich auszudrücken beliebte, geführt hatte.</p><lb/> <p>Ausweichen konnte er der Begegnung nicht, das war ihm klar.</p><lb/> <p>Sein Eduard mußte dieses Jahr ins Examen. Schon zweimal hatte er's mit ihm versäumt und sich dadurch in die verdrießliche Lage gebracht, um besondere Erlaubniß einkommen zu müssen, daß der Knabe die dritte und letzte Prüfung mit seiner Altersklasse gleichsam in Pausch und Bogen erstehen dürfe. Dies war eine Ausnahme, die nicht gern gestattet wurde und in einer Welt, in der alles Exceptionelle anstößig ist, schon im Voraus ein der Entscheidung ungünstiges Vorurtheil erweckte.</p><lb/> <p>Allein das kümmerte den Pfarrer von Y . . . burg wenig, dem es nur um das Examen selbst zu thun war, nicht um dessen Erfolg.</p><lb/> <p>Daß er den letzteren mit der Zuversicht des Astronomen, der eine Naturerscheinung berechnet, vorausgesagt hatte, war sein völliger Ernst gewesen. Er hatte aber auch zu dieser Sicherheit des Vorherwissens weder einer Wissenschaft noch einer Kunst bedurft: Eduards Erziehung bürgte hinlänglich für das Eintreffen seiner Prophezeihung. Auf das so häufig undankbare Auskunftsmittel des Selbstunterrichts und auf seine eigenen Kenntnisse, die zwar in ihren Trümmern noch „schön“ sein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
war! Er verfluchte den Dämon der Menschenliebe, den er längst aus sich ausgetrieben zu haben glaubte, und der ihn nun so unversehens in den Gänsedr . . ., wie er sich auszudrücken beliebte, geführt hatte.
Ausweichen konnte er der Begegnung nicht, das war ihm klar.
Sein Eduard mußte dieses Jahr ins Examen. Schon zweimal hatte er's mit ihm versäumt und sich dadurch in die verdrießliche Lage gebracht, um besondere Erlaubniß einkommen zu müssen, daß der Knabe die dritte und letzte Prüfung mit seiner Altersklasse gleichsam in Pausch und Bogen erstehen dürfe. Dies war eine Ausnahme, die nicht gern gestattet wurde und in einer Welt, in der alles Exceptionelle anstößig ist, schon im Voraus ein der Entscheidung ungünstiges Vorurtheil erweckte.
Allein das kümmerte den Pfarrer von Y . . . burg wenig, dem es nur um das Examen selbst zu thun war, nicht um dessen Erfolg.
Daß er den letzteren mit der Zuversicht des Astronomen, der eine Naturerscheinung berechnet, vorausgesagt hatte, war sein völliger Ernst gewesen. Er hatte aber auch zu dieser Sicherheit des Vorherwissens weder einer Wissenschaft noch einer Kunst bedurft: Eduards Erziehung bürgte hinlänglich für das Eintreffen seiner Prophezeihung. Auf das so häufig undankbare Auskunftsmittel des Selbstunterrichts und auf seine eigenen Kenntnisse, die zwar in ihren Trümmern noch „schön“ sein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:08:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:08:57Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |